14. April 2021

Buchkritik: “The Circle” von Dave Eggers

Der Circle I Dave Eggers

Wie viel Realität steckt in “The Circle” von Dave Eggers?

Die Nachricht knatterte vor wenigen Tagen aus meinem Radio in der Küche: „Facebook bietet nun allen Nutzern die Funktion ,Live-Video’ an“, tönte es aus dem kleinen Ding. Das heißt, jeder kann nun sein Leben filmen und es seinen Freunden über das soziale Netzwerk präsentieren.

Mich fröstelte es. Meine Gedanken wanderten zu dem Buch „The Circle“ von Dave Eggers, das ich gerade zuvor zu Ende gelesen hatte. Ein eigentlich dystopischer Roman, der mir aber erschreckend real erscheint.

“Sharing is caring”

Um was es geht: Dave Eggers kreiert in dem Roman ein hippes Unternehmen, das Facebook und Google vereint, ein riesiges Datenmonster also. Völlige Transparenz ist die Maxime. „Sharing is caring“. Ausschweifende Events, Kultur und medizinische Versorgung: Den „The Circle“-Mitarbeitern fehlt es an nichts. Nur das Beste für die Besten.

So gerät auch die 24-jährige Mae schnell in Begeisterung, als sie dort zu arbeiten anfängt. Bei ihrem alten Arbeitgeber war sie unzufrieden, nun hat sie plötzlich die besten Rahmenbedingungen für ein scheinbar perfektes Leben – auch wenn ihre Arbeit als Kundenbetreuerin zunächst ein wenig eintönig ist.

Sie bekommt aber endlich Bestätigung, ist Teil eines Ganzen und ist besonders dankbar, als ihr Vater, der an Multiple Sklerose erkrankt ist, durch „The Circle“ eine bessere Therapie erhält.

Ade, Privatsphäre

Doch all die Leistungen haben ihren Preis. Mae gerät schnell in eine Maschinerie, in der es primär darum geht, sich konform zu verhalten. Sie steht unter dem ständigen Stress, das „Richtige“ zu tun. Die Überwachung hat eine neue, moderne Form angenommen. Doch wie in einer Sekte gefangen, merkt Mae gar nicht, was da gerade mit ihr passiert. So rennt sie immer weiter der Tragödie entgegen, verliert all ihre Freiheiten. Sie ist gefangen in einer Diktatur der Daten.

Keine hohe Literatur, aber trotzdem sehr lesenswert!

„The Circle“ ist kein literarisches Meisterwerk. Aber der Roman ist trotzdem sehr lesenswert und regt zum Nachdenken an. Dave Eggers überspitzt an so mancher Stelle, aber vielleicht ist gerade das auch notwendig, um zu warnen: Wollt ihr wirklich, dass das mit unserer Gesellschaft passiert?

Ich las vor Jahren ein Interview mit Mark Zuckerberg, an das ich in diesen Tagen wieder ständig denken muss. Er meinte damals, dass durch die Transparenz das menschliche Verhalten optimiert wird. Niemand würde mehr betrügen, wenn er wüsste, dass es ans Tageslicht kommt.

Auch in „The Circle“ gibt es solch eine Situation. Mae „borgt“ sich nachts ein Kajak und wird dabei von einer Überwachungskamera gefilmt. Als sie später gefragt wird, ob sie es auch getan hätte, wenn sie gewusst hätte, dass man sie sieht, sagt sie: nein. Das bewegt sie letztlich dazu, dass sie ihr Leben selbst 24 Stunden am Tag filmen und transparent machen möchte. Und genau das, ist nun rein theoretisch auch mit Facebook möglich.

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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