Flimmerkasten: “Nachtzug nach Lissabon”
“Nachtzug nach Lissabon”: Raus aus dem tristen Alltag
Es ist eine Begegnung, die sein Leben verändert: Lateinlehrer Raimund Gregorius sieht an einem verregneten Morgen in seiner Heimatstadt Bern eine junge Frau auf einer Brücke stehen. Sie möchte sich scheinbar das Leben nehmen. Er spricht sie an und nimmt sie mit in die Schule. Doch während des Unterrichts verschwindet die Frau wieder und lässt nur ihren roten Mantel zurück. Darin findet Raimund ein dünnes, altes Buch von dem portugiesischen Arzt und Philosophen Almeida Prado. Außerdem stecken in einer Innentasche Zugtickets für den Nachtzug nach Lissabon.
Der Lateinlehrer fängt an, in dem Buch zu blättern und wird neugierig. „Wenn es so ist, dass wir nur einen kleinen Teil von dem leben können, was in uns ist – was geschieht mit dem Rest?“ steht darin. Spontan setzt sich Raimund in den Nachtzug, entfliehet seinem grauen Alltag und begibt sich in Lissabon auf die Spurensuche von Almeida Prado.
Fan vom Buch, nun also der Film
Den Film „Nachtzug nach Lissabon“ wollte ich unbedingt sehen, nachdem ich bereits vor Jahren die Romanvorlage von Pascal Mercier gelesen hatte – und für sehr gut befand. Ich war gespannt, wie dieses facettenreiche Werk von Regisseur Bille August filmisch umgesetzt wurde.
Es ist ein eher gemächlicher Film geworden, der an vielen Stellen vor sich hin plätschert – trotz der namhaften Schauspieler (Jeremy Irons, Mélanie Laurent, Martina Gedeck, Bruno Ganz, Charlotte Rampling oder Christopher Lee) und der tollen Bilder aus Lissabon.
Obwohl sich der Film sehr nahe an der Romanvorlage bewegt, reißt er nicht mit. Er entwickelt keine Sogwirkung, auch wenn die Geschichte um Prado, die portugiesische Diktatur und die Philosophie soviel Spannendes und Interessantes hergibt. Außerdem werden entscheidende Punkte der Romanvorlage nur oberflächlich behandelt. Sei es, dass Raimunds Brille zerbricht, er eine neue benötigt und sich dadurch seine Sicht auf die Welt verändert. Das wird im Film nur sehr rudimentär angeschnitten. Auch wird nie thematisiert, wie die Kommunikation der Akteure in Lissabon überhaupt funktionieren kann. Schließlich ist Raimund Schweizer, in welcher Sprache aber alle scheinbar so mühelos reden, das bleibt fraglich
Obwohl der Film keine Überlänge hat, zieht er sich. Es tut nicht weh, ihn zu sehen. Allein wegen der tollen Bilder aus Lissabon. Aber es ist eine weitaus größere Erfüllung, das Buch zu lesen.
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