Heimat: “Jasmin: Ein Leben mit Kopftuch in Karlsruhe”
Lebensfreude pur!
Ich lerne Jasmin an einem grauen Januartag kennen. Es ist das zweite Mal, dass ich bei den Freedom Skaters dabei bin. Vor dem Tor der Notunterkunft Kriegsstraße 200 steht sie plötzlich vor mir, streckt mir ihre Hand entgegen, lächelt und sagt: „Hallo, ich bin Jasmin, schön, dass du auch mitkommst.“ Die Sympathie ist sofort da.
Jasmin ist Lebensfreude pur. Wenn sie redet, leuchten ihre großen, braunen Augen, ihre Energie scheint unendlich. Die Kinder lieben sie, sie liebt die Kinder, Serien, Hip-Hop und Mode. Nichts überlässt sie bei ihrer Kleidung dem Zufall, Farben, Muster, Formen, alles ist aufeinander abgestimmt. Die Nikes passen zur Jacke, das Tuch auf ihrem Kopf zum Oberteil.
Eine Entscheidung für das Tuch
Jasmin ist Muslima. Ihre Eltern stammen aus Marokko, aus einem ganz kleinen Bergdorf, wo es noch Brunnen gibt und die Menschen auf Eseln Distanzen überqueren. Die 22-Jährige ist in Deutschland aufgewachsen, die Nähe zum Heimatland ist trotzdem da – und die Religion.
Ob sie ein Kopftuch tragen möchte, war ihre freie Entscheidung, erzählt sie mir. Ihre Eltern legten ihr es nicht nahe. „Aber ich bin gerne gläubig und wollte es so“, sagt sie. Und keine Sekunde zweifle ich an dem, was sie sagt.
Partys gehen auch nüchtern
Muslima sein, das heißt auch: regelmäßig beten, kein Alkohol, keine Männer vor der Ehe. Für Jasmin ist das keine Einschränkung, sie genießt das Leben trotzdem, in vollen Zügen. Eben ein bisschen anders, aber keineswegs schlechter. Partys sind auch nüchtern möglich – und das Morgengebet um 5 Uhr ist dann eine logische Fortsetzung.
Als wir bei einer Bundespressefahrt in Berlin das Zimmer teilen, reden wir viel miteinander. Und umso mehr wir uns austauschen, desto klarer wird mir: Trotz Religion und Tuch gibt es kaum Unterschiede zwischen uns. Wir haben ähnliche Sorgen, Ansichten, die gleiche Vorstellung, wie die Welt eine bessere wäre. Und wir lieben es beide, in Berliner Hipster-Läden nach schönen Sachen zu stöbern.
Leben in zwei Welten
Jasmin lebt in beiden Welten, in der deutschen, in der arabischen. Sie studiert Physik und liest den Koran. Kein Widerspruch für sie. „Dass es die Erde gibt, ist für mich kein Zufall“, sagt sie mir. Gott ist für sie den Naturphänomenen übergeordnet.
Damit es auf der Welt friedlicher zugeht, müssten alle einen Schritt aufeinander zumachen, sagt sie. Auf jeder Seite gibt es Menschen, die sich abschotten, nur ihres als richtig ansehen. Das mache ein Zusammenleben aber schwierig. Mir ist nach vier Tagen in Berlin klar: Wären alle Menschen nur ein bisschen wie Jasmin, wäre die Welt eine schönere.
More from my site
Der Blog ist komplett ohne Werbung, ich schreibe völlig frei, falls du mich dabei mit einem Kaffee unterstützen möchtest, freu ich mich.