Schmöker: “8 1/2 Millionen” von Tom McCarthy
Philosophie trifft Thriller: “8 1/2 Millionen” von Tom McCarthy
Der Brite Tom McCarthy hat mit 8 ½ Millionen ein sehr außergewöhnliches und spannendes Buch geschaffen: einen Thriller mit philosophischem Hintergrund. Verfilmt wurde das literarische Werk nun mit Tom Sturridge. Titel des Films: „Remainder“.
Um was geht es in “8 1/2 Millionen”?
„Etwas fiel vom Himmel. Technologie. Teile, Bruchstücke.“ Sie befördern den Protagonisten ins Koma. Was danach bleibt, ist „eine Leerstelle. Ein weißes Blatt, ein schwarzes Loch“. Im Krankenhaus und in der Reha muss er jede Bewegung neu erlernen. 8 ½ Millionen Pfund bekommt der Londoner als Schmerzensgeld dafür zugesprochen. Das ist die Ausgangssituation.
Erinnerungen tauchen auf
Das große Problem des nur schemenhaft beschriebenen Helden: Jede Bewegung fühlt sich von nun an unecht an, wie „second hand“. Das ganze Leben scheint falsch. Bis er auf einer Party plötzlich ein besonderes Erlebnis hat, Erinnerungsfetzen tauchen auf. An ein mehrstöckiges Hochhaus mit einem Riss in der Wand. Ein Pianist übt dort auf seinem Klavier, eine Frau brät in der Küche eine Leber, auf dem Dach schleichen Katzen umher.
Der namenlose Protagonist beschließt, mit seinem Geld diese Situation nachzustellen. Getrieben von seinem Wunsch nach Authentizität, engagiert er Agenten, lässt ein passendes Haus kaufen und Schauspieler einstellen. Der Wahnsinn nimmt seinen Lauf.
Fragen bleiben unbeantwortet
Das Buch ist sehr klar geschrieben. Die Handlung stringent. Von der ersten Seite an, entwickelt sich eine starke Dynamik. Was passiert da gerade und wohin führt das alles? Ein Lesesog entsteht. Aber am Ende bleiben Fragen offen. Das ist Stärke und Schwäche zugleich. Tom McCarthy lässt Raum für Interpretationen, aber das befriedigt nicht ganz. Was will mir der Autor eigentlich sagen? Dieser Frage ging ich nach dem furiosen Finale zunächst etwas ratlos nach.
Dann stieß ich auf einen interessanten Artikel auf “Zeit online”. Dort wird das Werk mit dem Philosophen Jean Baudrillard in Verbindung gebracht. Seine These: “Wir sind in eine Phase der Geschichte eingetreten, in der es nur noch wiederholte, recycelte Ereignisse gibt. Alles ist Simulation, nichts ist real”. Die Fragezeichen sind mit dem Artikel verschwunden. Aber Vorsicht: Den “Zeit”-Artikel nicht vor dem Buch lesen, er verrät die ganze Handlung.
Ein Drehbuch im Buch
Tom McCarthys Werk ist letztlich wie eine Regieanweisung. „Keine Sorge, ich werde uns nicht sterben lassen“, sagt der Protagonist gegen Ende. „Ich will nur in dieser Sequenz bleiben.“ Ein Drehbuch im Buch sozusagen. Ich bin gespannt auf den Film.
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