14. Mai 2019

Kurioses: “Dates”

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Karlsruhe ist die Single-Hölle

Das Leben als Single ist in Karlsruhe nicht ganz so einfach. Es gibt Stimmen, die sagen: Karlsruhe ist die Single-Hölle. Ich widerspreche dem nie, ich nicke meist, minutenlang.

Als ich vor acht Jahren zum Arbeiten in die Fächerstadt zog, war ich zunächst nicht auf Männer-Suche. Deshalb fielen mir die Unterschiede zu Heidelberg erst gar nicht auf. Dort hatte ich studiert, Soziologie mit Politik und Psychologie. Ich muss sagen: Meine männlichen Kommilitonen waren nicht verkehrt. Freigeister, zu Diskussionen geneigt, weltoffen. Mit diesem Männerbild kam ich nach Karlsruhe – und wohnte in Wohngemeinschaften mit Maschinenbauern, Informatikern, Verfahrenstechnikern. Ich lernte dort schnell: Diese alleinstehenden Männer mögen Maultaschen und Pesto. Und sie ziehen Blockbuster Art-House-Filmen vor.

Quantität statt Qualität

Dass in Karlsruhe mit einigen Männern aber irgendwas komplett schräg ist, merkte ich, als ich irgendwann doch ins Dating-Geschäft einstieg. Meine Erkenntnis bereits nach wenigen Monaten: Quantität ist nicht Qualität. Hier gibt es Männer en Maß, aber mit ganz schön viel Knall. Wie? Zwei Beispiele!

Der Physiker

Ihn lernte ich vor einigen Jahren auf einer WG-Party in unserer Küche kennen. Rein optisch: adrett. Groß, sportlich, mit Bart. Dazu kam: Auf WG-Partys ist der Lärmpegel hoch, und nach dem dritten Bier hört man nicht mehr so kritisch hin, was der andere im Detail eigentlich sagt.

Eine Woche später trafen wir uns zum Weintrinken – es war das erste richtige Gespräch. Und es lief thematisch kreuz und quer. Wir redeten über unsere Heimat, wie wir aufwuchsen. Ich erzählte ihm vom Quasi-Bauernhof meiner Eltern und dass meine Mutter immer noch Gänse hat, um die sie sich kümmert. Ich erzählte das ruhig, ohne Witz, ohne Ironie. Der Physiker schaute interessiert, meinte dann: Ah, gut, Gänse. Die könne man ja auch schlachten und aus dem Hals einen Trichter bauen. Der Rest ließe sich dann gut essen. Ja, doch. Das sei eine hervorragende Idee, das Beste, was man mit Gänsen machen könne.

Ich schaute ihn an, wahrscheinlich wie ein Auto. Keine weiteren Details waren notwendig. Wir trafen uns kein zweites Mal.

Der Informatiker

Ihm begegnete ich, als ich noch Volontärin bei einer Tageszeitung war. Wir trafen uns zunächst, weil ich über ihn schreiben sollte. Danach suchte er mich über die sozialen Netzwerke, verfasste eine sehr nette Nachricht – bat um ein Wiedersehen, im privaten Rahmen. Ich sagte zu. Wir verabredeten uns an einem lauen Sommerabend. Ich wolle mich bei diesem Treffen nur unterhalten. Keine Abstürze, keine überschnellen Dinge.

Es war schon verdächtig, dass er mich bereits am Anfang fragte, ob er Ananas-Saft trinken soll. Meine Alarmglocken schrillten. Obacht, Interessenkonflikt. Danach redeten wir aber sehr nett, über den Presseclub, über Parteien, dann kamen wir auf Lieblingswörter. Ich erzählte ihm, dass das Lieblingswort vieles über die Persönlichkeit aussagt. Meines ist Fantasie, sagte ich ihm. Und wie seines ist, wollte ich dann wissen. Er schaute mich an, überlegte kurz und sagte dann: Blowjob. Eiskalt, ohne ein Schmunzeln. Damit war die Romantik futsch, komplett, kein Fünkchen übrig. Ich ging alleine nach Hause.

Seither nicke ich nur noch, wenn mir jemand sagt: Karlsruhe ist die Single-Hölle. Minutenlang.

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13 thoughts on “Kurioses: “Dates”

  1. Alice sagt:

    Interessanter Text, aber kann man das wirklich pauschalisieren?
    Ich kenne ich Karlsruhe nämlich auch nette Männer. Und Honks in Heidelberg.

    1. Miriam Steinbach sagt:

      Natürlich gibt es auch nette Männer in Karlsruhe. :)

    2. Axel sagt:

      Obwohl ja auch irgendwie traurig, eine sehr gute und sehr schön geschriebene Geschichte

  2. Marcello sagt:

    Ich lebe mein ganzes Leben schon in Karlsruhe und ich kann dir versichern das es einen erheblichen Mentalitätsunterschied zwischen Studenten und den Einheimischen gibt. Leider wird beides meist in einen Topf geschmissen und nicht separat gesehen.

  3. Sophie sagt:

    Ich nicke und lache :D. Minutenlang.

    Zuvor außerhalb Karlsruhes studierend im Bereich Mode/Design kann ich dir nur zustimmen, Es gibt hier tatsächlich einige obskure Exemplare und die hohe Männerdichte leistet überdies noch einen ungesunden Beitrag zum Sozialverhalten :D – das führt schon mal zum kompletten Kulturschock…

    Aber da ich darüber hinaus glücklich liiert bin mit einem Elektrotechniker, würde ich “Single-Hölle” vielleicht relativieren – es hat eher was von Bergbau hier, man findet ab und an Rohdiamanten ;)…

  4. Elias sagt:

    Autsch. Die waren wohl nervös :)

    Aber mal im Ernst, Maultaschen mit Pesto rockt!

  5. Bernd sagt:

    Schlimm, in Karlsruhe zu sein und nicht Single sein zu wollen. Männer haben’s noch schwerer. Frauen in Karlsruhe sind unglaubliche Aufmerksamkeit gewohnt, Männer rüsten entsprechend auf und schrecken “normale” Frauen ab.

    Es gibt aber genügend normale Männer, Frauen meckern da immer auf hohem Niveau.

  6. Patrick sagt:

    Na, ich hab mich mal in den ein oder anderen Singlegruppen umgesehen und festgestellt das selbst für die Generationen 30+ und 40+ ähnliche nicht ganz so ungehämmte, aber ähnliche Probleme vorherschen. Schaut man sich nun in der Karlsruher Frauenwelt um und versucht den ein oder anderen Kontakt zu knüpfen wird schnell klar, das einem ohne Proletentun, Fitness-Studio und in Verbinding ohne entsprechende Pillchen und Pülverchen ergänzt durch das Stilgetreuen Matcho Gehabe, wenig beachtung zuteil wird. Man landet sehr schnell in den Schubladen Bro or Bestfriend und darf sein Daseim von nunan mit dem bespaßen von Frauen fristen, denen es in Karlsruhe zu langweilig ist und denen es eine herzensangelegenheit zu sein scheint, dir von früh bis spät zu erzählen von welchen Männern und anderem Getier sie nun wieder in die Irre geführt wurden. Nun ohne den Focus zu sehr auf meine Person lenken zu wollen finde ich es aus Sicht eines Mannes ebenso schwierig mit einem gewissen Anspruch an die eigene Person erfolgreich auf der Suche zu sein ohne die “Geistreiche” Konkurenz zu bemerken welche sichtlich erfolgreicher zu sein scheint. QUANTITÄT STATT QUALITÄT halt. Ich verstehe wenn Frauen die Motivation verlieren Mehr in einem Mann zu suchen als auf den ersten Blick zu bemerken ist. Um das Ganze mal aus einer anderen Sicht zu beleuchten… Durch das Verhalten der angesprochenen Männlichen Individuen trennt sich auch schnell die Spräu vom Weizen und es Zeigt sich, wer mutig und geduldig genug ist weiter zu machen ohne die eigenen Wertevorstellungen und Ansprüche aufzugeben.

  7. C sagt:

    Karlsruhe war noch nie eine Stadt des kulturellen, des bunten oder auch nur gehobenen Socializings. Diese Stadt ist nicht Heidelberg, sie ist nicht Frankfurt und auch nicht Köln. Eventuell Bad Nauheim… aber BN hat mit Elvis Prestley und den Salzbädern doch schon ungeheuerlich viel Weltkultur.
    Nein. Karlsruhe ist eine Vertretung der Deutschen Gerichtsbarkeit, sie ist ein Brutkasten der Informatik sowie im Allgemeinen ein ungeheuerlicher Beamtenapparat. Es ist Wahnsinn wie gut das alles hierher passt.
    Und es ist kein Zufall das das Deutsche Top-Produkt der Unpersönlichkeit aus unserer eigenen Region kommt… in persona von Herrn Dr. Wolfgang Schäuble. Zumindest wird sein Lieblingswort wohl nicht “Blowjob” sein.

    Für kreative, spannende und tiefgründige Konversationen unserer Generation ist dies hier der falsche Menschenschlag.

    Karlsruhe ist notwendig für Deutschland, keine Frage, allerdings nunmal nicht für Romantiker, Freigeister, Künstler, Kreative… da geht es woanderst viel einfacher.

    Natürlich gibt es Rohdiamanten und Gold und Silber und Platin… nur genauso wie in einem Berkwerk gibt es eine limitierte Auswahl die du erstmal finden möchtest – du bist in Karlsruhe mit Sicherheit nicht der einzige Gräber. Und erst dann kommen die Hürden einer möglichen Beziehung, nämlich “obs passe tut”.

  8. Pitgiss sagt:

    Das Zwischenmenschliche ist in Karlsruhe ziemlich verkorkst. Ich habe als männlicher Student so ziemlich das gleiche mit Studentinnen erlebt.
    Szene eins: Fachschaftsparty bei den Architekten. Hübsche Studentin an der Bar. Smalltalk. Alles läuft ganz gut. Sie fragt mich irgendwann, was ich studiere. Ich sage Maschinenbau. Sie macht ein eingefrorenes Gesicht, dreht sich wortlos um und geht.
    Szene zwei: Ich wohne im Studentenheim. Die neuen Studentinnen, die gerade anfangen sind super nett und Smalltalk und flirten sind kein Problem. Alles nett und lustig. Nach spätestens zwei Wochen sind sie gestresst und extrem zickig und flirten geht gar nicht mehr.
    Szene drei: Ich bin nach einigen Jahren aus beruflichen Gründen nach Karlsruhe zurück gekommen. Alles immer noch beim alten. Obwohl der Männerüberschuss in dieser Altersklasse längst verschwunden sein sollte.
    Die verkorkste Interaktion scheint in KA wirklich intrinsisch zu sein.
    Jetzt bin ich mit 50 wieder Single und es läuft exakt genau so weiter.
    Single Hölle = 100% korrekt

  9. Julian sagt:

    Ich plädiere dafür, dass alle frustrierten Höllenbewohner noch heute Nacht einen Nightliner buchen und dieser interaktionsgestörten Stadt auf Lebewohl sagen!

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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