18. Februar 2021

Schmöker: “Unorthodox” von Deborah Feldman

"Unorthodox" von Deborah Feldman

“Unorthodox: die Geschichte von Deborah Feldman – Buchkritik

Keine englischen Bücher, kein Fernseher, keine Jeans: Deborah Feldman wächst im New Yorker Stadtteil Williamsburg in einer chassidischen Satmarer-Gemeinde auf – einer der strengsten ultraorthodoxen jüdischen Gruppen überhaupt. Ihr Leben ist von religiösen Regeln durchzogen, Freiheiten gibt es keine. Das heißt: Frauen müssen sich strikt unterordnen, Bildung spielt keine Rolle, Ehen werden arrangiert. In „Unorthodox“ erzählt Deborah Feldman nun ihre persönliche Geschichte, von der Kindheit bis zu ihrer Flucht als Erwachsene aus der Gemeinde.

Ihre Autobiografie ist aber keineswegs eine wütende Abrechnung, sondern eine mitreißende Geschichte, die sehr präzise das Leben der chassidischen Menschen beschreibt. Deborah Feldman wertet nicht, vielmehr lässt sie die Fakten nüchtern für sich sprechen. Das genügt, um sich ein Bild zu machen, wie eng die Welt der Satmarer ist – und wie unfassbar mutig die Autorin war, ihre Koffer zu packen und auszubrechen.

Ultraorthodoxe Parallelwelt inmitten von Hipstern

„Unorthodox“ sorgte bei der Veröffentlichung für viel Trubel in den USA, stand wochenlang in den Bestseller-Listen weit oben. Es sind stellenweise auch unglaubliche Erzählungen aus einem Stadtviertel, das aufgrund der leerstehenden Industriehallen in den 1990er-Jahren auch viele Künstler für sich entdeckten. Eine ultraorthodoxe Parallelwelt inmitten von Hipstern.

Deborah Feldman wächst bei ihren Großeltern auf, Zeidi und Bubby. Ihre Mutter hat die Familie verlassen, ihr Vater ist nicht zurechnungsfähig. Es sind so äußerst schwere Rahmenbedingungen, in denen sich die Autorin in ihren ersten zwei Lebensjahrzehnten zurecht finden muss.

Schon als Kind ist Deborah aber neugierig, hinterfragt Dinge, will sich nicht mit dem eindimensionalen Leben zufrieden geben. Unter ihrer Matratze versteckt sie englische Bücher, flieht durch sie unter anderem in die Welt von Jane Austens „Stolz und Vorurteil“.

Eine spannende Emanzipationsgeschichte!

Chassidische Frauen haben einen vorgezeichneten Lebensweg, kaum volljährig, arrangiert die Gemeinschaft Ehen für sie, ihre primäre Daseinsberechtigung: Kinder gebären. Bildung spielt keine Rolle. Das Wort „Collage“ ist in den Textbüchern sogar zensiert. Deborah Feldman steckt trotzdem all ihre Energie in die kurze Schulzeit, die ihr bleibt. Saugt das Wissen auf, kämpft, resigniert nicht, will mehr als nur Ehefrau und Mutter sein.

„Unorthodox“ gewährt einen unfassbar spannenden Einblick in eine jüdische Gemeinschaft, von der ich zuvor selbst noch nie gehört hatte. Deborah Feldman erzählt von zahlreichen jüdischen Ritualen, der Mikwe, dem jüdischen Reinigungsbad, das letztlich auch Krankheiten mit sich bringt, den Ehevorbereitungskursen, und sie erzählt von den Herausforderungen, völlig unaufgeklärt in sexuelle Beziehungen zu treten.

Ihre Sprache ist sehr klar, durchdacht und klug. Dieses Buch zu lesen, ist unterhaltsam und informativ. Inzwischen lebt Deborah Feldman in Berlin. Eine mutige Frau.

Unorthodox – die Serie auf Netflix

Inzwischen gibt es auch eine Mini-Serie zum Buch auf Netflix. Sie behandelt die Geschichte von Deborah Feldman in Williamsburg, enthält aber auch einen fiktiven Teil in Berlin. Ich fand sie sehr sehenswert, empfehle aber auf jeden Fall, das Buch vor dem Schauen oder auch danach zu lesen, da die Geschichten dort aus Williamsburg detaillierter sind – und sie sind für mich das Besondere an “Unorthodox”.

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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