Buchkritik: “Der Report der Magd” von Margaret Atwood
Rezension “Der Report der Magd”: Willkommen in der religiösen Diktatur
Keine Jeans, kein Make-up, keine Partys: In Nordamerika haben religiöse Fundamentalisten die Macht übernommen und den totalitären Staat Gilead errichtet. Es herrscht dort ein Leben der Entbehrungen. Vor allem für Frauen, die nach einer Atom-Katastrophe zum größten Teil unfruchtbar sind. Die wenigen Damen, die noch Kinder auf die Welt bringen können, werden den verschiedenen Führungskräften zugeteilt. Ihre einzige Funktion: als Gebärmaschinen aktiv sein. Erfüllen sie ihre Aufgabe nicht, droht ihnen die Kolonie – ein Ort, wo sie verseuchten Müll sortieren müssen und nur noch auf den Tod warten können.
Desfred ist eine dieser sogenannten Mägde. Sie ist die Erzählerin des dystopischen Romans „Der Report der Magd“ von Margaret Atwood oder „The handmade’s tale“ wie er im Original heißt. Obwohl die Amerikanerin das Werk bereits in den 1980er-Jahren schrieb, hat es an Aktualität keineswegs eingebüßt. Im Gegenteil. Zu was ist der Mensch fähig? Die Autorin zeigt die dunkelsten Abgründe. George Orwell lässt grüßen.
2017 hat Margaret Atwood für ihr Kultbuch den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommen. Auch eine TV-Serie mit mehreren Staffeln gibt es inzwischen.
Um was geht es in “Der Report der Magd”?
Der Wandel beginnt schleichend. In Rückblenden erinnert sich Desfred immer wieder an die Zeit, in der sie noch in einer Demokratie lebte – auf Konzerte ging, studierte, mit ihrem Mann und ihrer Tochter zusammen war. Ihre Mutter: Eine engagierte Feministin, die in Latzhosen auf Demos Pappschilder in die Luft hielt. Das Leben, das Desfred in ihren ersten Jahrzehnten führt, ist eines in Freiheit, mit den gewöhnlichen Höhen und Tiefen.
Die Schlinge zieht sich langsam zusammen. Die Frauen verlieren zunächst alle ihren Arbeitsplatz, können kein Geld mehr abheben und sind ans Haus gebunden. Desfred erkennt früh die Gefahr, versucht mit ihrer Familie zu fliehen, der Versucht scheitert.
Hedonismus: Fehlanzeige!
Die christlich-religiöse Ausrichtung des Gilead-Regimes lässt keine Abweichungen und keinen Hedonismus zu. Die Mägde tragen schwere rote Gewänder, die alles an ihrem Körper bedecken. Sie wohnen in spärlich eingerichteten Zimmern und bekommen nur das Notwendigste zu essen.
Desfred landet als Zweitfrau im Haus eines Kommandanten und soll ihm ein Kind auf die Welt bringen. Außerdem ist sie für das Einkaufen zuständig. Dadurch kommt sie raus auf die Straße und sieht dabei öffentliche Hinrichtungen – wie beispielsweise von Ärzten, die erhängt werden, weil sie in ihrem früheren Leben Abtreibungen vornahmen.
Mit “Die Zeuginnen” ist eine Fortsetzung erschienen
Eindrücklich an „Der Report der Magd“ ist nicht nur die Konzeption des totalitären Staats, sondern auch die Erzählweise: Desfred berichtet sehr detailgetreu, aber in Bruchstücken und immer im Rückblick. Sie selbst erklärt das mit diesen Worten:
„Es tut mir leid, dass in dieser Geschichte soviel Schmerz ist. Es tut mir leid, dass sie aus Fragmenten besteht – wie ein Körper, der in einen Kugelhagel geraten ist oder gewaltsam niedergerissen wurde. Aber ich kann nichts daran ändern.“
Desfreds Hoffnung auf ein besseres Leben bleibt bis zur letzten Seite bestehen. Nach mehr als 30 Jahren hat Margaret Atwood nun eine Fortsetzung geschrieben. Sie heißt „Die Zeuginnen“. Ich bin gespannt, wie die Geschichte um die Magd weitergeht.
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