Buchkritik: „Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe“ von Ali Hazelwood
“Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe“: Groschenroman und Wissenschaft vereint
Es kommt ganz selten vor, dass ich zu Chick-Lit greife. Zu vorhersehbar und einfach gestrickt ist mir meistens die Handlung. Als der Aufbau-Verlag mir allerdings Newsletter mit Infos zu den romantischen Büchern von Ali Hazelwood schickte, wurde ich neugierig.
Ali Hazelwood ist ein Pseudonym. Wie Elena Ferrante möchte die Person ihre Identität geheim halten. Bekannt ist jedoch, dass Ali Hazelwood eine Frau ist, im Bereich der Kognitiven Neurowissenschaften promoviert hat und an der Uni lehrt. Außer Fachliteratur schreibt sie seit wenigen Jahren auch Liebesgeschichten, die in den USA riesigen Erfolg haben und stets lange Zeit auf Bestseller-Listen stehen.
Fake-Beziehung zu einem Professor
In ihrem ersten Roman „Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe“ bringt Ali Hazelwood Naturwissenschaften und Romantik zusammen. Ihre Protagonistin Olive ist Doktorandin in Stanford und kämpft dort nicht nur mit ihrem Forschungsthema zu Bauchspeicheldrüsenkrebs, sondern auch mit einer Fake-Beziehung, die sie mit einem aufstrebenden Professor hat.
Klingt interessant, dachte ich. Vielleicht eine Liebesgeschichte mit Anspruch? Gespannt begann ich zu lesen.
Sehr gelungene Unterhaltung
Ali Hazelwood schreibt sehr eingängig mit kurzen, klaren Sätzen. Es ist definitiv ein Buch, das gut unterhält und zum Entspannen geeignet ist. Auch nach einem anstrengenden Tag habe ich gerne zu dem Roman gegriffen.
Schon im Prolog wird klar, worauf alles hinausläuft. Olive lernt nach ihrem Vorstellungsgespräch auf der Toilette der Universität einen Mann kennen, den sie wegen ihrer kaputten Kontaktlinsen nur schemenhaft erkennen kann. Das Gespräch mit ihm hinterlässt einen tiefen Eindruck bei ihr, leider weiß sie danach nicht mehr, wie er heißt und wie er genau aussieht. Dass dieser Herr später eine wichtige Rolle in der Geschichte spielen wird, ist keine Überraschung.
Das erste Kapitel startet dann wenige Jahre später, als Olive bereits Doktorandin ist und an einem späten Abend spontan den jungen Professor Adam Carlsen auf dem Flur küsst.
Olive möchte auf diese Weise ihrer besten Freundin Anh zeigen, dass sie über ihren Ex-Freund Jeremy hinweg ist. Denn nun haben er und Anh sich ineinander verliebt. Anh möchte aber aus Rücksicht auf Olive nicht mit ihm zusammenkommen. Deshalb will Olive ihr durch die Kuss-Aktion zeigen, dass sie jemanden anderen gut findet.
Puh, schon bei dieser Konstellation musste ich den Kopf schütteln. Wie realistisch ist es, dass sich eine Doktorandin bei solch einem Problem ausgerechnet einen fremden Professor aussucht – auch wenn dieser mit Anfang 30 noch relativ jung ist. Gibt es an ihrer Fakultät keine Partys, wo andere Doktoranden abhängen und es einfacher wäre, jemanden zu küssen?
Absolut unrealistisch
Dass Olive außerdem im Prolog bei dem Bewerbungsgespräch abgelaufene Kontaktlinsen trägt und so den Mann auf der Toilette nicht sehen kann, ist bereits eine Situation, die völlig abwegig ist. Wer geht denn halbblind zu einem wichtigen Bewerbungsgespräch? Es gibt doch für wirklich sehr wenig Geld inzwischen Tageslinsen. Oder wie wäre es mit der Brille, die in der Regel fast jede Person hat, die Kontaktlinsen trägt.
Generell: Die gesamte Fake-Beziehung mit Adam ist absurd und könnte aus einem Groschenroman stammen. Der einzige Unterschied dazu ist, dass Ali Hazelwood ihre Geschichte in einen universitären Kontext stellt und die typischen Probleme aufzeigt: Leistungsdruck, Frauenfeindlichkeit, Sexismus.
Auch ein wenig Diversität ist enthalten: Olives bester Freund, Malcom, ist homosexuell. Ihre beste Freundin, Anh, stammt aus Asien. Das sind definitiv die Stärken des Romans.
Figuren wie aus den 1990ern
Schwach ist dagegen wiederum die Ausgestaltung der Figuren. Olive und Adam könnten aus einer Romcom der 1990er-Jahre stammen. An „Eine wie keine“ musste ich denken. Im Buch ist es so: Die unscheinbare Doktorandin, die sich ihrer Schönheit und Klugheit nicht bewusst ist vs. der gut aussehende Professor mit Sixpack, der unnahbar wirkt, aber letztlich doch eine gute Seele ist. Ich dachte, wir hätten solche Klischeepaare bereits überwunden.
Zwiegespaltenes Urteil
So bin ich am Ende sehr zwiegespalten, was „Die theretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe“ angeht. Dem Buch fehlt es völlig an Originalität und Überraschung. Aber es liest sich sehr gut. Die darin enthaltene Sexszene ist zwar etwas ausufernd und ich habe einige Absätze übersprungen, aber wer etwas ganz Leichtes zum Lesen sucht und sich gut unterhalten fühlen möchte, ist bei Ali Hazelwood genau richtig.
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