15. Januar 2025

Serienkritik: “Doppelhaushälfte”

ZDFneo-Serie “Doppelhaushälfte”: heiter bis wolkig

Bei ZDFneo-Serien kann ich selten vorhersagen, ob ich mich nach fünf Minuten fremdschäme und umschalte oder ob ich denke: Ja, super, endlich mal eine deutsche Produktion, die unterhaltsam, modern und gut gemacht ist. Bei „Fett und Fett“ war ich beispielsweise begeistert, bei „I don’t work here“ überhaupt nicht. 

Auch die erste Staffel der ZDFneo-Serie „Doppelhaushälfte“, die im März 2022 während der Corona-Pandemie ausgestrahlt wurde, habe ich mir gerne angeschaut. Obwohl gleich in der ersten Folge derber Fäkalhumor zu sehen war, blieb ich dran. Warum? Es ist die Mischung aus tollen Schauspielenden und aktuellen gesellschaftlichen Themen wie Rassismus, Diversität oder Feminismus, die in der Serie locker und differenziert ihren Platz finden.

Von den ersten acht Folgen fand ich die meisten gut – auch wenn wie in der ersten Folge nicht jeder Witz zündete und noch Luft nach oben war. Vor allem die Cannabis-Folge musste ich abbrechen, weil sie mir zu schräg war.

Nun sind auch die zweite und dritte Staffel von „Doppelhaushälfte“ erschienen. Gespannt schaltete ich wieder ein – und bin nun sehr geteilter Meinung. Während einige Folgen wieder unterhaltsam sind, konnte ich beispielsweise die letzten drei Folgen der zweiten Staffel nicht ohne Vorspulen anschauen. Sie waren mir zu experimentell und abgedreht. Auch in der dritten Staffel gibt es wieder sehr schräge Folgen. Was ist da nur los?

Um was geht es in Doppelhaushälfte?

Im Mittelpunkt der Serie stehen zwei sehr unterschiedliche Familien, die sich in einem Dorf im Speckgürtel Berlins eine Doppelhaushälfte teilen. Das sind: 

  • Knuppes: Der pragmatische urdeutsche Andi (Milan Peschel) und seine vietnamesischstämmige Frau Tracy (Minh-Kai Phan-Thi) leben schon lange mit ihrem Sohn Rocco (Minh Hoang Ha) in ihrem Haus. Sie sind eine typische Arbeiterfamilie, die abends gerne auf der Ledercouch vor dem Fernseher sitzt – Feierabendbier inklusive. Tracy betreibt einen Schönheitssalon im Ort und Andy ist Immobilienmakler, nachdem er zuvor Polizist war. Von den Identitätsdebatten in der Hauptstadt bekommen sie nichts mit. Stattdessen schmücken sie ihren Garten mit einer Deutschlandfahne und Tracy spricht im schönsten Berliner Dialekt.
  • Sawadi/Kröger: Mari Sawadi (Mariam Zaree) und Theo Kröger (Benito Bause) verkörpern mit Maris Tochter Zoe (Helena Yousefi) eine moderne, gutbürgerliche Patchwork-Familie. Theo hat Vorfahren aus Ruanda, Mari ist iranischer Herkunft. Rassismus und Gleichberechtigung spielen in ihrer Beziehung eine große Rolle. Mari ist eine attraktive, toughe Geschäftsfrau, die in der Personalabteilung eines großen Unternehmens arbeitet. Theo ist eher der sanfte Typ und Musiklehrer. Sie ziehen in die andere Doppelhaushälfte, hängen Kunst an die Wände und stellen Designermöbel auf.

Die Unterschiede zwischen den beiden Familien könnten nicht größer sein. Aber nicht wegen der Migrationsgeschichte, sondern wegen der unterschiedlichen Mentalitäten von Großstädter*innen und Dorfbewohner*innen. Vor allem zwischen Mari und Andi kracht es immer wieder. Doch dann entstehen überraschende Situationen, die keine Kategorisierung in Gut und Böse zulassen und beide Gruppen auf die Schippe nehmen.

Auch die Beziehung zwischen dem nerdigen Rocco und der coolen Zoe ist wirklich gut gelungen Rocco verbringt viel Zeit vor dem Computer, ist wortkarg und hat Schwierigkeiten mit sozialen Kontakten. Zoe himmelt er an. Aber sie nimmt ihn gar nicht als potentiellen Freund wahr – sie geht mit den coolen Menschen aus. Doch Rocco ist nicht zu unterschätzen, vor allem, wenn es um technische Fähigkeiten geht, wie die Episode rund um ASMR zeigt. Minh Hoang Ha spielt seine Rolle großartig. Für mich ist er definitiv einer der Höhepunkte der Serie.

Zweite Staffel mit zu vielen Experimenten

„Doppelhaushälfte“ lebt vor allem von seinen sehr nahbaren Charakteren und den aktuellen Themen. Daran knüpfen auch die ersten Folgen der zweiten Staffel an. Mari und Theo haben inzwischen eine gemeinsame Tochter, Frida. Sie teilen sich den Erziehungsurlaub. Als Theo an der Reihe ist, Frida aber immer wieder quengelt, bekommt er Hilfe von Andi – die zwar nicht aus dem Lehrbuch kommt, aber sehr effektiv ist.

Die letzten drei Episoden haben mich allerdings enttäuscht. Eine davon spielt fast komplett in einer virtuellen Welt. Mari, Tracey & Co. sind allesamt Avatare und werden zur Vernissage von Maris Bruder eingeladen, der in diesem Meta-Universum NFTs ausstellt. Als zehnminütige Abwechslung wäre das ganz witzig gewesen, aber als komplette Episode hat es mich doch sehr ermüdet.

Dasselbe gilt für die Doppelfolge über den Werwolf-Spieleabend. Theo hat für Freund*innen ein umfangreiches Rollenspiel vorbereitet, mit dem ich aber überhaupt nichts anfangen konnte. Vor allem, weil es ewig dauert. Wer Zugang zu solchen Spielen hat, wird sich vielleicht gut unterhalten fühlen, aber ich bin nach 15 Minuten ausgestiegen und habe mir die letzte Folge nur noch bruchstückhaft angeschaut – es war ein enttäuschender Ausstieg aus der zweiten Staffel.

Grundsätzlich finde ich es toll, wenn Produzenten aktuelle Trends wie NFTs, virtuelle Welten und Rollenspiele in Serien aufgreifen – aber in diesem Fall ist der Bogen überspannt und zu spleenig.

Auch die dritte Staffel von “Doppelhaushälfte” ist nur bedingt überzeugend

Inzwischen gibt es auch eine dritte Staffel von “Doppelhaushälfte”. Auch in diesen acht Folgen gibt es wieder Höhen und Tiefen. Die fünfte Folge “Immer Ärger mit Oma Thuy” fand ich so schräg, dass ich sie nach ein paar Minuten abgebrochen habe. Auch die letzte Folge “Der Traum ist aus”, ein Rückblick, wie sich die beiden Paare kennengelernt haben, fand ich wirklich schlecht.

Die ersten beiden Folgen “Gender Pay Gap” und “Die Zone” haben mich dagegen gut unterhalten. Auch “Hausaufgaben” und “Väter” waren in Ordnung. So bleibt das Fazit, das ich schon seit der ersten Staffel von “Doppelhaushälfte” habe: Die ZDFneo-Serie schwankt zwischen heiter und wolkig. Trotzdem werde ich mir auch die vierte Staffel anschauen. Es ist eben jedes Mal spannend, ob eine Folge funktioniert –oder nicht.

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3 thoughts on “Serienkritik: “Doppelhaushälfte”

  1. Beatrix sagt:

    Ich habe die Folgen jetzt in der Mediathek geschaut und kann mich hier komplett anschließen!

  2. Harald sagt:

    Erste Staffel super, zweite Staffel sehr mäßig und die letzten beiden Folgen haben wir vorzeitig abgestellt.
    Viel zu abgedreht und hatten mit Der ursprünglichen nichts mehr zu tun

  3. Andrea Streeck sagt:

    Ich habe die erste Staffel sooo gefeiert !!! Von der 2. Staffel haben mir ebenfalls die letzten 3 Folgen nicht gefallen… Sorry… Geschichten aus dem Alltag fand ich auch viel amüsanter ! Macht die Story nicht so kompliziert und abgedreht! … dann gerne eine 3. Staffel!

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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