1. Juni 2025

Buchkritik: „Dunkelgrün fast schwarz“ von Mareike Fallwickl

„Dunkelgrün fast schwarz“ von Mareike Fallwickl

„Dunkelgrün fast schwarz“: Spannender Plot trifft auf wunderbare Sprache

Coming-of-Age, Freundschaft, Liebe und Verrat: „Dunkelgrün fast schwarz“ hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Die spannende Dreiecksgeschichte um Moritz, Raffael und Johanna ist jedoch kein klassischer Krimi oder ein Thriller. Vielmehr ist es ein Roman, der durch das interessante zwischenmenschliche Zusammenspiel eine unglaubliche Dynamik entwickelt – und das ganz ohne Blut, Mord oder andere Gräueltaten. Es ist der perfekte Plot mit tiefgründigen Figuren, der mich über die knapp 500 Seiten durchweg begeistert.

Worum geht es in „Dunkelgrün fast schwarz“?

„Dunkelgrün fast schwarz“ dreht sich vor allem um die Freundschaft von Raffael (Raff) und Moritz (Motz) – über einen Zeitraum von 35 Jahren. Die Geschichte beginnt 1982, als die Jungs drei Jahre alt sind, und endet 2017. Da setzt auch die Handlung ein. Moritz wohnt mit seiner schwangeren Freundin in einer schönen Wohnung im beschaulichen Hallein bei Salzburg – übrigens Mareike Fallwickls Geburtsort. In Moritz’ Leben ist zu diesem Zeitpunkt alles in Ordnung. Er freut sich auf das Baby, hat einen guten Job und ist glücklich mit seiner Freundin. Doch dann klingelt es. Raff steht vor der Tür. Völlig überraschend.

Die beiden haben sich 16 Jahre lang nicht gesehen. Kurz nach dem Schulabschluss war Raff einfach spurlos verschwunden, obwohl sie die besten Freunde waren und unzertrennlich schienen. Er möchte nun ein paar Tage bei Moritz schlafen und bringt unheilvolle Geister aus der Vergangenheit mit.

„Dunkelgrün fast schwarz“: Die Geschichte wird aus drei Perspektiven erzählt.

Mareike Fallwickl erzählt nun, was genau damals passierte und warum Raff nun plötzlich wieder da ist, aus drei unterschiedlichen Perspektiven: aus der von Moritz, seiner Mutter Marie und aus der Sicht von Johanna. Letztere war Moritz’ erste große Liebe und stand Raffael damals viel näher, als Moritz je wahrhaben wollte.

Die Geschichte schreitet dabei nicht chronologisch voran. Die Kapitel springen in der Zeit hin und her. Dadurch entwickelt sich aber eine große Spannung mit vielen offenen Enden, die die Autorin letztlich alle schlüssig zusammenführt.

Diese Konzeption ermöglicht es, dass der Roman thematisch unglaublich facettenreich ist. Denn jede einzelne Figur bringt ganz neue Perspektiven mit sich:

  • Marie ist Anfang 20, als sie den Vater von Moritz auf einer Party kennenlernt und direkt schwanger wird. Die Heirat ist die logische Folge. Während Moritz’ Vater sein Medizinstudium in Wien beendet, muss Marie mit Moritz in das alte Haus seiner Großeltern in Hallein ziehen. Dort kennt sie niemanden und lernt in dem verschlossenen Ort auch nur schwer neue Leute kennen. Von ihrer Einsamkeit als Mutter und ihrer großen Abneigung gegenüber Raff handeln die Kapitel. Denn sie bemerkt schnell, dass er anderen Kindern gegenüber aggressiv ist und über Moritz bestimmt. Doch sie kann nichts gegen die Freundschaft tun. Außerdem hat sie ein sehr besonderes Verhältnis zu Raffs Vater.
  • Moritz ist ein sensibler Junge, der Farben um Menschen herum wahrnehmen kann. Diese schweben wie Auren um sie herum. Raff ist sein einziger Freund. Obwohl Moritz weiß, dass Raff ihm oft wehtut und schadet, will er unbedingt mit ihm befreundet sein und tut alles für ihn. Es ist eine toxische Beziehung, die sie miteinander haben. Als er Johanna kennenlernt, verliebt er sich in sie und ändert sogar seine Studienpläne. Dass sie ihn hintergeht, will er nicht sehen.
  • Johanna kommt im Alter von 17 Jahren an die Schule von Moritz und Raffael. Ihre Eltern sind kurz zuvor bei einem Autounfall gestorben. Bis zum Schulabschluss muss sie nun bei ihrer Tante wohnen, die sich kaum um sie kümmert. Johanna ist traumatisiert, möchte aber unbedingt mit den beiden Jungs befreundet sein. Schon zu Beginn der Erzählung wird klar, dass sie auch 2017 noch ohne festes Fundament ist, eine sehr komplizierte Beziehung mit Raffael führt und zuletzt mit ihm in Italien lebte.

„Dunkelgrün fast schwarz“: Die Sprache ist wunderbar bildhaft und eingängig

Mareike Fallwickl schafft es, ihren Figuren mit ihrer wunderbaren Sprache Tiefe zu verleihen. Es macht großen Spaß, das Buch zu lesen, weil sie immer wieder fantasievolle Bilder erzeugt – im Positiven wie im Negativen. Wie beispielsweise hier bei Johanna:

„Johanna gab sich nicht unnahbar, sie war es. Das Gesicht blank, frei von Emotion. Und was hätte sie noch empfinden sollen? Der Unfall hatte diese Fähigkeit ausgelöscht. Wie wenn eine Bombe in deinem Herzen hochgeht, ein atomarer Blitz, ein Rauchpilz, und zurück bleibt verbranntes Ödland, auf dem nie mehr auch nur ein einziger Grashalm wachsen wird, und denk jetzt nicht an eine Blume. Du bist pathetisch mit siebzehn, seltsam angeknackst, aus der Form der Kindheit geflossen, und du ahnst schon, dass du nie wieder stabil sein wirst. Aber wie schlimm es wirklich wird, das ahnst du nicht.“

Oder wenn Moritz die Farben um die Menschen herum sieht:

“Nachts waren die Farben flüssig, sie bewegten sich langsamer, wie Lavaströme, wie Züge, die an einem Bahnhof ankommen. (…) Jo war gelb, ein Ananasgelb, ein Sternengelb, es einnerte ihn an Rapsfelder und den alten Postbus, eine schöne Farbe. Er mochte sie, wie alles an ihr. Sie war die Einzige, die Ihre Farbe nicht direkt am Körper trug, ihre Präsenz war verschoben, von ihr abgetrennt. Einem Schatten gleich, der zwei, drei Sekunden zu spät kam. Das faszinierte Motz so sehr, dass er es sich stundenlang ansehen konnte.”

Fazit zu „Dunkelgrün fast schwarz“

„Dunkelgrün fast schwarz“ ist bereits 2018 erschienen und gefällt mir sogar einen Ticken besser als Mareike Fallwickls beliebter und erfolgreicher Bestseller „Die Wut, die bleibt“. Denn während ich bei Letzterem das Ende zu utopisch finde, ist in ihrem Debüt alles stimmig. Selbst wenn die dubiosen Machenschaften von Raffael manchmal ein wenig übertrieben klingen, stört mich das wenig.

Besonders fasziniert hat mich das teuflische Zusammenspiel zwischen Moritz und Raffael. Es regt zum Nachdenken an, warum es manchmal so schwer ist, sich aus ungesunden Beziehungen zu lösen – und warum bestimmte Menschen solch eine Anziehungskraft auf andere haben.

Wer also Lust hat, ein sprachlich tolles Buch zu lesen, das eine unvorhersehbare und unfassbar spannende Geschichte erzählt, sollte sich unbedingt „Dunkelgrün fast schwarz“ besorgen.

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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