8. Juni 2025

Buchkritik: „Geordnete Verhältnisse” von Lana Lux

Buchkritik: „Geordnete Verhältnisse" von Lana Lux

Buchkritik: „Geordnete Verhältnisse” von Lana Lux: ein spannender Roman, der einen am Ende umhaut

Als ich „Geordnete Verhältnisse“ von Lana Lux zu lesen beginne, ahne ich nicht, was für ein bewegender Thriller dieser Roman ist. Zunächst gehe ich davon aus, dass es sich um eine toxische Freundschaft zwischen zwei instabilen jungen Menschen handelt. Doch der Roman ist weitaus mehr. Das große Thema an dieser Stelle zu verraten, würde aber das Ende spoilern. Deshalb gehe ich erst im letzten Absatz darauf ein.

Was ich hier aber schon sagen kann: „Geordnete Verhältnisse“ ist ein sehr feinfühliger und zeitgemäßer Roman. Lana Lux hat zwei Figuren geschaffen, denen das Leben nicht die einfachsten Startbedingungen beschert hat – die aber sehr unterschiedlich damit umgehen. Philipp ist voller Wut und Obsession. Faina hat eine bipolare Störung. Dass diese Freundschaft ungesund ist, wird schnell klar. Aber wohin sie führt, hat mich dann doch bedrückt.

Worum geht es in „Geordnete Verhältnisse“?

„Geordnete Verhältnisse” ist Lana Lux’ dritter Roman. Wie ihre Protagonistin Faina ist sie ukrainisch-jüdischer Herkunft. Im Roman ist Faina zehn Jahre alt, als sie mit ihrer Familie aus der Ukraine in eine deutsche Kleinstadt kommt. Sie landet in der Klasse von Philipp.

Für ihn ist sie die Rettung. Philipp kämpft mit Wutanfällen und nässt sich noch oft ein. Mit Freundschaften tut er sich schwer. Seine alleinerziehende Mutter ist unzuverlässig, alkoholkrank und er ist schon einmal in der dritten Klasse sitzen geblieben. Mit Faina findet er endlich eine Freundin. Er tut alles, um ihr das neue Leben in Deutschland zu erleichtern. Doch schon nach wenigen Seiten wird deutlich, dass sein Verhalten etwas Aggressives, Überhebliches und Übergriffiges hat:

„Von Anfang an habe ich für Faina und unsere Freundschaft alles gegeben. Echt alles. Vor allem muss mir zugutehalten gehalten werden, dass ich Faina Deutsch beigebracht habe. Unermüdlich habe ich damals ihre krummen Sätze und falschen Artikel korrigiert. Manchmal musste ich sie einzelne Wörter zehn-, fünfzehnmal wiederholen lassen, bis ihre Aussprache endlich richtig war.“

Misogyne Äußerungen von Philipp

Dass es während der Schulzeit bei einer platonischen Freundschaft zwischen Faina und Philipp bleibt, liegt vor allem an Philipp. Er spricht es zwar nie konkret aus, aber seine Gedanken zum Thema Sex lassen stark vermuten, dass er asexuell ist, sich dessen aber gar nicht bewusst ist. In seinen Äußerungen schwingt auch immer eine große Abneigung gegen Frauen mit:

„Philipp spürt, wie es ihn ekelt vor dieser Frau. Vor Frauen allgemein. Vor allem vor diesem Geschlechtsteil. Er muss an seine Ex-Freundin, wie nass sie da unten zwischen ihren Beinen wurde, wie sehr sie ihn anflehte, mit ihr zu ficken. Er schüttelt sich. Nur Faina ekelt ihn nicht. Nur sie nicht. Sie ist wie eine Erweiterung seiner selbst.“

Als Jugendliche schlafen Faina und Philipp einmal miteinander. Doch danach macht Philipp klar, dass er keinen Sex mehr will – dafür aber eine enge Freundschaft. Zwei Jahre nach dem Abitur kommt es zum Eklat. Philipp hat sich wieder übergriffig verhalten. Faina bricht den Kontakt ab. Für ihn ist das eine Katastrophe. Er leidet und stalkt sie über Social Media.

Drei Jahre später steht Faina plötzlich wieder vor seiner Tür. Sie ist schwanger und völlig verloren. Der Vater des Kindes lebt in Israel. Sie hat Schulden und ihr Studium abgebrochen. Ihre konservativen Eltern wollen, dass sie das Kind abtreibt.

Faina zieht aus Mangel an Alternativen in Philipps Eigentumswohnung und merkt viel zu spät, dass er immer aggressiver und unberechenbarer wird. Schafft sie den Ausstieg noch rechtzeitig?

Zwei Perspektiven erzählen „Geordnete Verhältnisse“

Lana Lux erzählt die spannende Geschichte abwechselnd aus der Sicht von Philipp und Faina – jeweils in der Ich-Form. Dabei passt sie die Sprache an. Philipps Kapitel sind gespickt mit misogynen und sexistischen Äußerungen. Auch Rassismus kommt vor.

„Ich kannte keinen normalen Menschen, der sowas machte. Aus einem Fenster rausbrüllen, meine ich. Das war so ein Ausländerdinge. Die Ausländer nahmen sich immer heraus lauter zu sein als wir. So was ärgerte die Leute. (…) Ich hatte mir vorgenommen, Faina zu bewahren, sich zu blamieren oder unbeliebt zu machen. Also versuchte ich, sie auf alles aufmerksam zu machen, was sie falsch machte.“

In Fainas Erzählungen dagegen herrscht Chaos. Ihre Eltern kommen in Deutschland nie richtig an. Sie selbst ist bisexuell und wird in Berlin von ihrer Partnerin vor die Tür gesetzt, als diese von ihrer Schwangerschaft erfährt. Es fällt ihr schwer, ein geregeltes Leben zu führen. Im Laufe der Geschichte stellt sich heraus, dass sie an einer bipolaren Störung leidet. Viel zu lange hat sie Philipps Verhalten toleriert.

Die Sprache von Lana Lux ist immer eingängig, unglaublich leicht zu lesen und sehr bildhaft. Außerdem vermittelt sie ein gutes Zeitgefühl für die 1990er- und 2000er- Jahre, in denen die Geschichte spielt.

Fazit zu „Geordnete Verhältnisse“

„Geordnete Verhältnisse” hat mich so gefesselt, dass ich das Buch von Lana Lux innerhalb weniger Tage durchgelesen habe. Ich wollte unbedingt wissen, ob es Faina gelingt, sich von Philipp zu lösen und ein eigenständiges Leben aufzubauen.

Interessant fand ich auch den Einblick in die unterschiedlichen Gedankenwelten. Ich habe selten Bücher gelesen, in denen sich männliche Figuren so frauenfeindlich und aggressiv äußern.

„Geordnete Verhältnisse“ kann ich daher sehr empfehlen. Es ist gut geschrieben, spannend und auch gesellschaftlich sehr wertvoll. Warum? Dazu mehr im letzten Absatz. Wer das Buch noch lesen möchte, sollte hier besser aufhören.

Spoilerabsatz: Über das Ende von „Geordnete Verhältnisse”

Nach etwa der Hälfte des Buches ist mir klar, dass die Geschichte kein gutes Ende nehmen wird. Dass Philipp Faina am Ende tatsächlich umbringt, hat mich dann aber doch erschüttert. In „Geordnete Verhältnisse“ dreht sich also alles um die Geschichte eines Femizids.

Der Mord an Frauen ist ein Thema, das in Deutschland immer noch viel zu wenig Beachtung findet. Denn jeden dritten Tag tötet hierzulande ein Mann seine (Ex-)Partnerin. Meist wird nur groß über Ehrenmorde durch islamische Männer berichtet. Dabei ist übergriffiges Verhalten nicht auf eine Nationalität beschränkt. Es ist ein Problem, das Männer aus allen Schichten und Kulturen betreffen kann. Das zeigt auch die erfolgreiche Netflix-Serie „Adolscene“. Deshalb finde ich das Buch von Lana Lux so wichtig.

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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