10. Oktober 2024

Buchkritik: “Die Vegetarierin” von Han Kang

"Die Vegetarierin" von Han Kang

Buchkritik „Die Vegetarierin” von Han Kang: vom Wunsch, eine Pflanze zu werden

Es ist ein blutrünstiger Traum, der Yong-Hye zur Vegetarierin werden lässt. Als sie davon mitten in der Nacht aufwacht, steht sie auf, räumt in ihrem Nachthemd und mit abstehenden Haaren die Gefriertruhe aus. Schweinebauch, Rinderfilet, Tintenfisch. Einen Gefrierbeutel nach dem anderen wirft sie in den Müll. Als ihr Mann das bemerkt, ist er zutiefst irritiert.

„Bist du verrückt geworden?“, fragt er sie aufgebracht. Für ihn steht die Welt Kopf. Seine Frau, bisher an Durchschnittlichkeit kaum zu überbieten, stellt den gewohnten Alltag auf den Kopf. Statt Steaks gibt es nun Algensuppe zum Abendessen. Das kann er nicht akzeptieren.

Yong-Hyes Entscheidung, auf tierische Nahrungsmittel zu verzichten, ist der Beginn einer Reihe von Ereignissen, die an Dramatik kaum zu überbieten sind. Am Ende ist nichts mehr von ihrem alten Leben übrig.

Han Kang hat nun 2024 den Literatur-Nobelpreis erhalten. Nur ein Grund, warum es sich lohnt, „Die Vegetarierin” zu lesen.

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3. Oktober 2024

Buchkritik: Die Möglichkeit von Glück” von Anne Rabe

Die Möglichkeit von Glück" von Anne Rabe

Rezension von “Die Möglichkeit von Glück”: so gehypt, so eine Enttäuschung

Meine Vorfreude ist groß, als ich „Die Möglichkeit von Glück“ zu lesen beginne. Schließlich habe ich schon so viel Gutes über den Roman von Anne Rabe gehört. Er stand unter anderem auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2023. Viele Kritiker*innen überschlugen sich mit Lob, beschrieben ihn als DEN Roman über die Menschen in Ostdeutschland. Deren Biografien würden dadurch verständlicher, meint etwa der Autor und Musiker Henrik Bolz. Es sei das Buch der Stunde, schrieb Ronald Düker in der „Zeit“.

Deshalb bin ich sehr gespannt, wie der Blick von Anne Rabe auf die DDR und Ostdeutschland ist. Doch je länger ich „Die Möglichkeit von Glück“ lese, desto enttäuschter werde ich. Ich verstehe den Hype um dieses Buch überhaupt nicht.

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30. September 2024

Buchkritik: “Allegro Pastell” von Leif Randt

"Allegro Pastell" von Leif Randt

Kritik von “Allegro Pastell” von Leif Randt: “Germany’s next Lovestory”!

Sie sind hip, erfolgreich und ihr Leben ist eine große Performance: Tanja Arnheim und Jerome Daimler führen eine Fernbeziehung zwischen Berlin und dem Maintal. Während Tanja als Autorin für ihren Debütroman große Aufmerksamkeit bekam und in der Hauptstadt nun an ihrem zweiten Buch arbeitet, ist Jerome als Webdesigner gefragt. Er erledigt vom Bungalow seiner Eltern aus seine zahlreichen und gutbezahlten Aufträge.

Ihre Beziehung: zunächst scheinbar makellos. Alles ist bis ins letzte Detail durchgeplant. Gefühle, Outfits, Partys: Sie analysieren sich und ihr Verhalten ständig. Was nicht stimmig ist, wird optimiert, bis zur absoluten Perfektion. Doch nach Tanjas 30. Geburtstag kippt die Stimmung. Wird „Germany’s next Lovestory“ trotzdem ein Happy End haben?

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10. September 2024

Buchkritik: “Amerika” von Joachim Meyerhoff

"Amerika" von Joachim Meyerhoff

Teil 1 der tollen Reihe „Alle Toten fliegen hoch“: “Amerika”

Es ist ungewöhnlich, dass ich bei einer Romanreihe den zweiten Teil vor dem ersten lese. Bei Joachim Meyerhoffs sechsteiligem Zyklus „Alle Toten fliegen hoch“ habe ich das ganz bewusst getan – auf Empfehlung von Leuten, die schon mehrere Bücher des Schauspielers gelesen haben. 

Der Hintergrund für diese Entscheidung war: Nur so stimmt die Chronologie in der Entwicklung des Protagonisten: von Joachim Meyerhoff selbst. In seinen autobiografisch angehauchten Geschichten erzählt der Schauspieler und Autor nicht im ersten, sondern im zweiten Teil „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ von seiner Kindheit in den 1980er-Jahren in Schleswig-Holstein. Ein Roman, der mal lustig, mal gefühlvoll und an manchen Stellen auch traurig ist. Mehr dazu habe ich schon in der Rezension geschrieben. 

Der erste Teil des Zyklus, also “Amerika”, beschäftigt sich dagegen mit seiner Jugend und allem, was dazu gehört: erste Liebe, Partys und die typischen Unsicherheiten. Nun war ich gespannt, ob dieser Roman von Joachim Meyerhoff auch so unterhaltsam ist wie der zweite.

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29. August 2024

Buchkritik: “Unterleuten” von Juli Zeh

"Unterleuten" von Juli Zeh

Rezension von “Unterleuten”: Sozialromantik ade!

Natur, Ruhe und Zusammenhalt: Geplagte Städter sehnen sich oft ein Leben auf dem Land herbei. Raus aus dem Trubel, rein in die Idylle. Aber Vorsicht. Das Leben im Dorf kann trügerisch sein. Es wird getratscht, beobachtet, analysiert, intrigiert. Welches Auto parkt vor welchem Haus, wer saß bis zuletzt in der Kneipe, wer redete auf der Straße wie lange mit wem?

Juli Zeh gewährt in ihrem Gesellschaftsroman “Unterleuten” einen Blick in genau solch ein Szenario – aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Sie entwirft dadurch ein abwechslungsreiches Zusammenspiel von Alteingesessenen, Zugezogenen, jungen und alten Menschen. Das ist spannend, treffsicher und sehr unterhaltsam. Weiterlesen »

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22. August 2024

Buchkritik: “I love Dick” von Chris Kraus

i love dick - chris kraus

Rezension von “I love Dick”: einfach nur anstrengend

Schon nach fünf Seiten kamen mir Zweifel. Das soll das „wichtigste Buch über Frauen und Männer im 20. Jahrhundert“ (The Guardian) sein? Und „mitreißend schön“ (Der Spiegel)? Ich war irritiert. Denn von der ersten Seite an fehlte mir in „I love Dick“ jede Emotion. Im Gegenteil: Chris Kraus’ Roman liest sich konstruiert und schwerfällig.

Die Liebe in „I love Dick“ verkommt zur Performance. Jede Handlung der verkopften Protagonistin ist durchdacht. Die Sätze sind absolut nüchtern geschrieben, ich war an keiner Stelle berührt. Lesevergnügen? Fehlanzeige. Auf Seite 161 von 292 habe ich resigniert und den literarischen Kampf aufgegeben.

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1. August 2024

Buchkritik: “Gittersee” von Charlotte Gneuß

"Gittersee" von Charlotte Gneuß

Rezension von “Gittersee”: Den Stasi-Schrecken mit poetischer Sprache erzählt

„Lust auf ein Abenteuer?“

Pauls Frage klingt Karin noch lange in den Ohren, nachdem er mit seiner knatternden Schwalbe verschwunden ist. Er wolle zur Sommersonnenwende zu den Tschechen, hatte er Karin erzählt. Zusammen mit seinem Freund Rühle. Klar, Karin hat Lust auf Abenteuer, aber keine Zeit. Die Mutter ist nicht da, die kleine Schwester braucht sie, die Wäsche macht sich nicht von selbst.

Es ist das letzte Mal, dass die 16-Jährige ihren Freund sieht. Nur Rühle kommt vom Ausflug zurück. Paul ist im Westen, weit weg von ihr, ihrer Familie und Gittersee, dem tristen Dresdner Vorort in der DDR. Dafür tritt Wickwalz von der Stasi in Karins Leben – mit tiefer, warmer Stimme und melancholischem Blick. Er will mehr über Pauls Verschwinden erfahren. Wird Karin einlenken und helfen? Darum geht es in „Gittersee“, dem Roman von Charlotte Gneuß.

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29. Juli 2024

Buchkritik: „Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe“ von Ali Hazelwood

Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe - Ali Hazelwood

“Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe“: Groschenroman und Wissenschaft vereint

Es kommt ganz selten vor, dass ich zu Chick-Lit greife. Zu vorhersehbar und einfach gestrickt ist mir meistens die Handlung. Als der Aufbau-Verlag mir allerdings Newsletter mit Infos zu den romantischen Büchern von Ali Hazelwood schickte, wurde ich neugierig. 

Ali Hazelwood ist ein Pseudonym. Wie Elena Ferrante möchte die Person ihre Identität geheim halten. Bekannt ist jedoch, dass Ali Hazelwood eine Frau ist, im Bereich der Kognitiven Neurowissenschaften promoviert hat und an der Uni lehrt. Außer Fachliteratur schreibt sie seit wenigen Jahren auch Liebesgeschichten, die in den USA riesigen Erfolg haben und stets lange Zeit auf Bestseller-Listen stehen.

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9. Juli 2024

Buchkritik: „Ich, Eleanor Oliphant“ von Gail Honeyman

Buchkritik: „Ich, Eleanor Oliphant“ von Gail Honeyman

„Ich, Eleanor Oliphant“: was für ein einfühlsames und tolles Buch!

Dass im Leben von Eleanor Oliphant etwas nicht stimmt, wird mir bereits nach wenigen Seiten klar, als sie von ihren kuriosen Wochenend-Routinen erzählt.

„Freitags nehme ich nach der Arbeit nicht sofort den Bus, sondern gehe in den Supermarkt gleich um die Ecke von der Agentur, kaufe mir eine Pizza Margherita, einen Chianti und zwei Flaschen Wodka. Zu Hause esse ich dann die Pizza und trinke den Wein, danach noch ein bisschen Wodka (…) Meistens wache ich dann so gegen drei Uhr morgens auf dem Sofa auf und schleppe mich ins Bett. Den Rest des Wodkas trinke ich regelmäßig über das Wochenende verteilt, sodass ich nie ganz nüchtern, aber auch nicht betrunken bin. Bis Montag ist es lange hin.“

Quelle: „Ich, Eleanor Oliphant“
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2. Juni 2024

Buchkritik: “Altes Land” von Dörte Hansen

"Altes Land" von Dörte Hansen

Rezension von “Altes Land”: Mehr als ein Frauenroman!

Annes Welt gerät gehörig ins Wanken, als ihr Mann sie betrügt – mit der hübschen Lektorin mit den blutroten Fußnägeln und den langen schwarzen Haaren. Christoph liebt Carola. Die Gewissheit haut Anne um. Die junge Mutter will nur noch weg. Raus aus Hamburg-Ottensen. Sie packt ihre Habseligkeiten zusammen, setzt ihren kleinen Sohn Leon in einen Sprinter und fährt zu ihrer kranteligen Tante Vera, die auf einem heruntergekommenen Hof auf dem “Alten Land” lebt – seit 60 Jahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg landete sie als kleines Mädchen in dem ächzenden Haus mit Reetdach – ausgehungert und durchgefroren nach dem langen Marsch aus Ostpreußen.

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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