16. September 2021

Schmöker: „Das Nest“ von Cynthia D’Aprix Sweeney

„Das Nest“ von Cynthia D'Aprix Sweeney

Kritik „Das Nest“ von Cynthia D’Aprix Sweeney: Verdirbt Erben den Charakter?

Es war solch eine beruhigende Aussicht: Mehrere Hunderttausend Dollar sollten die vier Geschwister Melody, Jack, Beatrice und Leo erben – an Melodys 40. Geburtstag. Es sind nur noch wenige Monate, bis endlich das Geld aus dem „Nest“ fließt. Doch Lebemann Leo macht ihnen allen einen Strich durch die Rechnung.

Auf einer Hochzeit bandelt er betrunken und zugekokst mit der 19-jährigen Bedienung Matilda an, schleppt sie in seinen Flitzer, baut einen Unfall – und muss daraufhin eine immense Summe Schmerzensgeld an Matilda bezahlen.

Da Leo soviel Geld selbst nicht hat, öffnet die Mutter heimlich das „Nest“ und gibt ihrem ältesten Sohn einen großen Teil davon. Der Aufschrei in der restlichen Familie ist groß, als es ans Licht kommt. Geplante Projekte stehen auf der Kippe, Lebensentwürfe geraten durcheinander, die vier Geschwister stehen vor ganz neuen Herausforderungen.

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28. August 2021

Schmöker: “Alte weiße Männer” von Sophie Passmann

"Alte weiße Männer" von Sophie Passmann

Kritik von „Alte weiße Männer“: ein Buch, das neue Perspektiven liefert!

Sie saß mit Peter Tauber in einer quietschbunten Eisdiele, mit Kevin Kühnert in einem schäbigen Studentencafé und mit Marcel Reif am funkelnden Zürichsee: Einen Sommer lang fuhr Sophie Passmann kreuz und quer durch Deutschland und die Schweiz, um dem Phänomen des alten weißen Mannes näher zu kommen. Was genau steckt dahinter? Ist er wirklich an so vielen gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten schuld?

Dass es den Habitus des alten weißen Mannes wirklich gibt, bekam ich selbst zu spüren, als ich in meiner ersten beruflichen Festanstellung in einer wahren Hochburg landete. Konservative, dem Wandel abgeneigte Männer, die junge Frauen lieber ansahen und über sie redeten, als mit ihnen auf Augenhöhe diskutierten. Die entscheidenden Positionen teilten die Herren primär unter sich auf.

Seither weiß ich, wie schwer es ist, besonders als junge Frau in solch einem Milieu voranzukommen. Ich war deshalb gespannt, zu welchen Erkenntnissen Sophie Passmann in ihrem Buch „Alte weiße Männer – ein Schlichtungsversuch“ kommt.

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7. Juli 2021

Flimmerkasten: “Nomadland”

“Nomadland”: Es lebe die Freiheit!

Fern (Frances McDormand) fühlt sich nur frei, wenn sie mit ihrem weißen Van quer durch die USA fährt. Durch die karge Wüste und naturgewaltigen Nationalparks, entlang der felsigen Küste mit den tosenden Wellen.

„Vanguard“ hat Fern ihren treuen Gefährten mit den Rostflecken genannt. Mit ihm kommt sie nicht nur von einem Gelegenheitsjob zum nächsten. „Vanguard“ ist auch ihr Zuhause. In ihm schläft sie bei Eiseskälte, erledigt in einem Eimer ihre größeren und kleineren Bedürfnisse und hat in den Schränken ihre wichtigsten Andenken verstaut.

Fern ist eine moderne Nomadin und steht im Mittelpunkt von „Nomadland“, einem wunderschönen und eindrucksvollen Film.

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29. Juni 2021

Schmöker: “Swing Time” von Zadie Smith

 "Swing Time" von Zadie Smith

Kritik “Swing Time”: Toller Roman über eine Mädchen-Freundschaft

Es ist ein Samstag im Jahr 1982, als sich die beiden dunkelhäutigen Mädchen zum ersten Mal auf dem Weg zu einer Ballettstunde in einem Kirchhof begegnen. Sofort sind die Dinge sichtbar, die sie miteinander verbinden:

„Wir hatten beide den identischen Braunton, als hätte man ein Stück hellbraunen Stoff durchgeschnitten, um uns beide daraus zu machen, unsere Sommersprossen sammelten sich an der gleichen Stelle, wir waren gleich groß.”

Das erzählt die namenlose Ich-Erzählerin gleich zu Beginn von „Swing Time“. Sie und Tracey leben in tristen Hochhausanlagen in London. Ihre große Leidenschaft: das Tanzen und Musicals. Die zufällige Begegnung bei den Ballettstunden ist der Beginn einer tiefen Freundschaft, die in den nächsten Jahrzehnten jedoch immer wieder großen Herausforderungen ausgesetzt ist.

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6. Mai 2021

Schmöker: „Der Wal und das Ende der Welt“ von John Ironmonger

"Der Wal und das Ende der Welt"

Eine große Enttäuschung: „Der Wal und das Ende der Welt“

In Großbritannien droht eine Epidemie. Eine besonders aggressive Form der Grippe ist im Anmarsch. Der Analytiker Joe Haak sieht die Gefahr durch ein Computerprogramm früh kommen. Was wird passieren? Werden sich die Menschen kooperativ oder egoistisch verhalten?

Joe Haak beschließt, kein Risiko einzugehen und das kleine Dorf St. Pieran rechtzeitig zu beschützen. Ein Wal hatte ihn dorthin getragen, nachdem er aus London geflohen war und sich in Cornwall ins Wasser stürzte. Die Arbeit für eine raffgierige Bank hatte ihn seelisch kaputt gemacht.

Mit einem Transporter fährt Joe Haak nun unzählige Male in den Supermarkt und macht Hamsterkäufe deluxe. Gelingt es ihm tatsächlich durch eine Abschottung des Dorfs, die Grippe fern zu halten und das Leben der Einwohner*innen zu retten? Das ist das Szenario, um das sich „Der Wal und das Ende der Welt“ dreht. Leider klingt das alles spannender, als es ist.

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31. März 2021

Buchkritik: “Die Geschichte der Bienen” von Maja Lunde

Die Geschichte der Bienen" I Maja Lunde

“Die Geschichte der Bienen”: Kein Buch für mich!

„Die Geschichte der Bienen“ kam zur Weihnachtszeit in meinen Briefkasten geflattert – ein sehr nett gemeintes Geschenk. Selbst hätte ich mir den norwegischen Bestseller von Maja Lunde wohl aber nicht gekauft, weder das Cover noch die Inhaltsangabe hatten mich beim Stöbern in Buchhandlungen überzeugt. „Drei Familien, getrennt durch Jahrhunderte, unauflöslich verbunden mit der Geschichte der Bienen“. Klang nach typischer Unterhaltungsliteratur, die nicht zu sehr am Fundament kratzt. Die beste Drehbuch-Grundlage für einen Blockbuster im Popcorn-Kino.

Doch als ich meinen Koffer für Israel packte, zu dem Bündel meiner bislang ungelesenen „Zeit“-Dossiers noch ein unkompliziertes Buch suchte, fiel mir „Die Geschichte der Bienen“ wieder ins Blickfeld. Ach, warum, nicht?! Vielleicht tue ich dem Roman auch Unrecht. Schließlich fielen die Kritiken fast durchgehend äußerst positiv aus. Eingepackt.

302 der 508 Seiten habe ich mir nun angetan, dann habe ich das Buch weggelegt.  Weiterlesen »

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28. März 2021

Schmöker: „Ministerium der Träume“ von Hengameh Yaghoobifarah

Ministerium der Träume“ von Hengameh Yaghoobifarah

„Ministerium der Träume“: ein Roman, der Bilder erzeugt und Töne erklingen lässt

TRAUM(A)FABRIK. Es braucht nur einen einzigen Buchstaben, um einen Traum platzen zu lassen. Protagonistin Nasrin entdeckt das zusätzliche „a“ im Graffito auf dem Gebäude gegenüber ihres Balkons nur wenige Stunden nachdem ihre Schwester Nushin bei einem Autounfall starb. War es Schicksal, ein Selbstmord oder ein Mord? Es ist zunächst unklar.

Nushin war alleinerziehende Mutter. Ihr letzter Wille im Testament: Ihre Schwester Nasrin soll sich um die pubertierende Parvin kümmern, die Vormundschaft für sie übernehmen. Nasrin sagt ja, packt ihre Koffer und zieht in die Wohnung zu ihrer Nichte. Nach und nach entdeckt sie dort Hinweise, dass mit dem Unfall ihrer Schwester irgendetwas nicht stimmt. Nasrin begibt sich auf Spurensuche. Was ist mit Nushin passiert?

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18. Februar 2021

Schmöker: “Unorthodox” von Deborah Feldman

"Unorthodox" von Deborah Feldman

“Unorthodox: die Geschichte von Deborah Feldman – Buchkritik

Keine englischen Bücher, kein Fernseher, keine Jeans: Deborah Feldman wächst im New Yorker Stadtteil Williamsburg in einer chassidischen Satmarer-Gemeinde auf – einer der strengsten ultraorthodoxen jüdischen Gruppen überhaupt. Ihr Leben ist von religiösen Regeln durchzogen, Freiheiten gibt es keine. Das heißt: Frauen müssen sich strikt unterordnen, Bildung spielt keine Rolle, Ehen werden arrangiert. In „Unorthodox“ erzählt Deborah Feldman nun ihre persönliche Geschichte, von der Kindheit bis zu ihrer Flucht als Erwachsene aus der Gemeinde.

Ihre Autobiografie ist aber keineswegs eine wütende Abrechnung, sondern eine mitreißende Geschichte, die sehr präzise das Leben der chassidischen Menschen beschreibt. Deborah Feldman wertet nicht, vielmehr lässt sie die Fakten nüchtern für sich sprechen. Das genügt, um sich ein Bild zu machen, wie eng die Welt der Satmarer ist – und wie unfassbar mutig die Autorin war, ihre Koffer zu packen und auszubrechen.

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27. Dezember 2020

Schmöker: “Untenrum frei” von Margarete Stokowski

"Untenrum frei" von Margarete Stokowski

Ein wichtiges Buch nicht nur für Frauen: “Untenrum frei” von Margarete Stokowski

Wer dachte, dass es in diesem Jahrtausend keine verstaubten Sextipps für Frauen mehr gibt, irrt gewaltig. In ihrem Buch „Untenrum frei“ zitiert Autorin Margarete Stokowski einen Liebesratgeber aus den 00er-Jahren, der bekloppter kaum sein könnte. Darin steht unter anderem:

Sie haben jederzeit die Freiheit, nein zum Sex zu sagen, aber bedenken Sie dabei auch, dass es zur Liebe gehört, füreinander da zu sein, auch wenn man manchmal am liebsten ganz woanders sein möchte.“

Äh, ernsthaft?

Damit aber noch nicht genug. Auch fürs Flirten bietet dieser Liebesratgeber groteske Tipps.

Wenn Sie beim nächsten Mal in der Gegenwart eines Mannes etwas trinken, stecken Sie die Zunge ein winziges Stückchen heraus und halten sie an den Rand des Glases oder der Tasse. Ich garantiere, dass er darauf reagieren wird.“

Der Ratgeber zeichnet ein Frauenbild aus der Hölle. Aber auch die Männer kommen dabei keineswegs gut weg. Was macht das nur mit Menschen, wenn sie solche Tipps lesen, sie für normal halten? Das fragt sich Margarete Stokowski zurecht.

Das Fatale: Nicht nur dieser Ratgeber, sondern auch Magazine für Frauen und die “Bravo” geben die unmöglichsten Tipps, wenn es um Sex und den Körper geht. „Last Minute Tipps für den perfekten Strandbauch“ – wie oft tauchen solche Zeilen im Sommer auf!

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27. November 2020

Schmöker: “Ein wenig Leben” von Hanya Yanagihara

“Ein wenig Leben”: eine emotionale Wucht!

Ich hoffte, litt und bangte – und am Ende war ich emotional komplett am Ende. „Ein wenig Leben“ hat mich in einen gewaltigen Gefühlsstrudel gerissen. So sehr, dass ich Autorin Hanya Yanagihara auf einigen Seiten dafür verfluchte, wie sie mir nur solch eine traurige Geschichte zumuten kann.

Aber auf den meisten der knapp 1.000 Seiten war ich ihr zutiefst dankbar, dass sie dieses wunderbare Buch geschrieben hat – einen literarischen Orkan, der zwar erstmal alles platt macht, in die schlimmsten menschlichen Abgründe führt, mir schrecklich oft die Tränen in die Augen trieb, aber gleichzeitig soviel Weisheit und Klugheit offenbart. Die Wortwahl, die Anordnung der Sätze, die Handlungsstruktur: „Ein wenig Leben“ ist ein Roman, der mich unglaublich bereicherte und mich sehr zum Nachdenken brachte. Er ist für mich ein Meisterwerk. Weiterlesen »

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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