7. März 2021

Buchkritik: “Bienensterben” von Lisa O’Donnell

"Bienensterben" von Lisa O'Donnell

Pechschwarzer Humor: “Bienensterben” von Lisa O’Donnell

Es ist eine schöne Bescherung: Ausgerechnet an Heiligabend müssen die 15-jährige Marnie und ihre kleine Schwester Nelly ihre Eltern im Garten begraben. Der Vater liegt tot im Bett, die Mutter erhängte sich in der Garage. Hilfe holen? Das ist keine Option für die beiden Mädchen. Sie haben keine Angehörigen und möchten nicht ins Heim. Also beschließen sie, die beiden Leichen zu verbuddeln. Gar nicht so einfach bei dem frostigen Boden. Es bleibt nicht das einzige Problem.

Lisa O’Donnell erzählt die unendlich traurige Geschichte von Marnie und Nelly so bitterböse und lakonisch, dass die Gefühle Achterbahn fahren. Lachen oder weinen? Es ist eine turbulente Fahrt, die durch das gesamte Buch kaum an Geschwindigkeit verliert. Nicht nur einmal blieb mir bei „Bienensterben“ das Lachen im Hals stecken. Die Frage nach einer Lösung treibt an. Weiterlesen »

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22. Februar 2021

Schmöker: “Tschick” von Wolfgang Herrndorf

"Tschick" von Wolfgang Herrndorf

“Tschick” von Wolfgang Herrndorf: auf in die Walachei!

Zwei 14-jährige Jungs, ein geklautes Auto und eine spannende Reise: Andrej Tschichatschow, alias Tschick, sitzt nach den Osterferien plötzlich in der Klasse von Maik Klingenberg. Die Jungs kommen aus unterschiedlichen Welten. Tschick ist mit seiner Familie aus Russland übergesiedelt und haust in einem der heruntergekommenen Hochhäuser in Hellersdorf.

Maik residiert mit seinen Eltern in einer Villa – Liebe und Aufmerksamkeit sind jedoch Mangelware. Da Tschick sich in den Sommerferien langweilt und Maik ohnehin allein zu Hause ist (Mutter auf Entzug, Vater mit seiner Geliebten auf Geschäftsreise), machen sich die beiden Jungs mit einem geklauten, klapprigen Lada auf den Weg. Ihr Ziel: die Walachei. Der Beginn eines abenteuerlichen Roadtrips. Weiterlesen »

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19. Februar 2021

Schmöker: “Die Wand” von Marlen Haushofer

Die Wand I Marlen Haushofer

“Die Wand” von Marken Haushofer:  Abseits der Zivilisation

Über Nacht ist sie plötzlich da: die Wand. Sie ist glatt, kalt, undurchsichtig und trennt eine Frau, die allein in einer Jagdhütte in den Bergen schläft, vom Rest der Welt. Warum ist die Wand da, was ist mit den anderen passiert? Es bleibt ein Rätsel. Nur mit einem Hund, einer Kuh, einem Stier und Katzen bestreitet die Frau von nun an ihr Leben. Fernab der Zivilisation, mitten in der Natur.
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18. Februar 2021

Schmöker: “Unorthodox” von Deborah Feldman

"Unorthodox" von Deborah Feldman

“Unorthodox: die Geschichte von Deborah Feldman – Buchkritik

Keine englischen Bücher, kein Fernseher, keine Jeans: Deborah Feldman wächst im New Yorker Stadtteil Williamsburg in einer chassidischen Satmarer-Gemeinde auf – einer der strengsten ultraorthodoxen jüdischen Gruppen überhaupt. Ihr Leben ist von religiösen Regeln durchzogen, Freiheiten gibt es keine. Das heißt: Frauen müssen sich strikt unterordnen, Bildung spielt keine Rolle, Ehen werden arrangiert. In „Unorthodox“ erzählt Deborah Feldman nun ihre persönliche Geschichte, von der Kindheit bis zu ihrer Flucht als Erwachsene aus der Gemeinde.

Ihre Autobiografie ist aber keineswegs eine wütende Abrechnung, sondern eine mitreißende Geschichte, die sehr präzise das Leben der chassidischen Menschen beschreibt. Deborah Feldman wertet nicht, vielmehr lässt sie die Fakten nüchtern für sich sprechen. Das genügt, um sich ein Bild zu machen, wie eng die Welt der Satmarer ist – und wie unfassbar mutig die Autorin war, ihre Koffer zu packen und auszubrechen.

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7. Februar 2021

Buchkritik: “Schilf” von Juli Zeh

"Schilf" von Juli Zeh

“Schilf” von Juli Zeh: Lebt Kennedy noch in einem Paralleluniversum?

„Alles was möglich sei, könne auch gesehen.“ Bis ich den Krimiroman „Schilf“ von Juli Zeh in den Händen hielt, hatte ich mir noch nie Gedanken über die Vielewelten-Theorie gemacht. Ich hatte ehrlicherweise nicht einmal davon gehört. Als ich dann aber durch die beiden “Schilf”-Protagonisten Oskar und Sebastian, zwei Physiker, damit konfrontiert wurde, kam Neugier auf. Was verbirgt sich hinter der Annahme, dass es eine unendliche Anzahl an Universen gibt, in denen unter anderem unsere Doppelgänger leben – und beispielsweise Kennedy nicht erschossen wurde?

Verrückte Fantasie oder reale Theorie aus der Physik? Ich war verwirrt – und begann im Netz zu stöbern. Dabei stieß ich auf einen Artikel aus der „Welt“, der das ganze theoretische Gerüst zu Juli Zehs Werk erklärt.  Weiterlesen »

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27. Januar 2021

Filmkritik: “Capernaum – Stadt der Hoffnung”

Herzreißend und voller Wucht: Capernaum – Stadt der Hoffnung

Es ist der schräge Kakerlakenmann aus dem Vergnügungspark, der in „Capernaum – Stadt der Hoffnung“ für einen kurzen Moment für Humor sorgt. Der ältere Herr im rosa Ganzkörperanzug setzt sich im Bus zu dem zwölfjährigen Zain, der verzweifelt und planlos aus Beirut weg will. Mutterseelenallein.

Nur einen blauen Müllsack hat er bei sich, in den er seine Habseligkeiten gestopft hat. Etwas zum Anziehen, ein paar Geldscheine, mehr nicht. Seine Eltern haben ihn aus dem Haus geprügelt, als er seine jüngere Schwester beschützen wollte. Der Kakerlakenmann interessiert sich für Zain, fragt ihn, wohin er gehe, erklärt ihm scherzhaft, dass er der Cousin von Spider-Man sei. Zain spürt die Wärme und folgt dem Mann in den Vergnügungspark voller bunter Lichter und Fahrgeschäfte.

Diese Leichtigkeit ist eine kostbare Rarität in dem libanesischen Film, der für den Oscar 2019 als bester nicht-englischsprachiger Film nominiert ist. Ansonsten ist das Werk der Regisseurin Nadine Labaki tieftraurig. Denn auch im quirligen Vergnügungspark trifft Zain schnell auf Menschen, die vom Schicksal schwer gebeutelt wurden. „Das Leben ist die Hölle“, sagt er gegen Ende des Films. Und da kann man ihm nach allem, was vorher passiert ist, nur zustimmen.

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19. Januar 2021

Filmkritik: “Roma”

Ein wunderbarer Film: “Roma”

Wie eine Meereswelle, die am Ende ihrer Reise auf den Strand trifft, schwappt das Putzwasser über den Plattenboden in der Hofeinfahrt. Mit Schwung und Dynamik plätschert es hin und her, der Schaum schlägt kleine und große Blasen. In der Spiegelung des klaren Wassers taucht plötzlich ein Flugzeug auf, das am Horizont seine Bahnen zieht.

Schon die ersten Minuten von „Roma“ sind voller Ästhetik. In Schwarzweißbildern erzählt der mexikanische Regisseur Alfonso Cuarón, der bereits für „Gravity“ einen Oscar erhielt, die Geschichte des Kindermädchens, bei dem er aufwuchs – in Roma, einem Stadtteil von Mexiko-Stadt in den 1970er Jahren. „Für Libo“ heißt es im Abspann, im Film heißt die mutige und liebevolle Frau Cleo.

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13. Januar 2021

Filmkritik: “La Mélodie – Der Klang von Paris”

 

“La Mélodie – Der Klang von Paris”: Sozialprojekt mit Geigen

Der Ton untereinander ist rau, die Stimmung explosiv. Als der Musiker Simon Daoud in eine Pariser Brennpunktschule kommt, um einer Klasse Geigenunterricht zu geben, stößt er schnell an seine Grenzen. Statt zuzuhören, kommentieren die Schüler alles desinteressiert, beschimpfen sich gegenseitig – und auch Simon Daoud bekommt die Häme zu spüren, so dass er sich schon nach wenigen Unterrichtsstunden verliert. Das Ziel, ein Konzert in der Pariser Philharmonie zu geben, scheint unerreichbar.

„La Mélodie – Der Klang von Paris“ erzählt auf sehr realistische und einfühlsame Weise von einem Projekt an einer Schule in einem Vorort der französischen Hauptstadt. Die Geschichte des Regisseurs Rachid Hami ist fiktiv, wirkt aber wohl deshalb so authentisch, weil es ein solches Projekt in Paris tatsächlich gibt. Und: Die 12- bis 13-jährigen Schüler sind keine Schauspielenden, sondern wurden eigens für den Film in Pariser Schulen ausgewählt.

Vor allem Alfred Renely, der den begabten und sensiblen Arnold spielt, sticht hervor. Allein ihm zuzusehen, wie er mit Geduld, Konzentration und Ausdauer über den Dächern von Paris das Geigenspiel erlernt, ist es wert, sich diesen Film anzusehen.

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8. Januar 2021

Buchkritik: “The Girls” von Emma Cline

"The Girls" von Emma Cline

“The Girls”: Mehr als ein Psychothriller

Suzanne trägt ein schmutziges und sehr kurzes Kittelkleid, als Evi sie zum ersten Mal im Park sieht. Die Faszination ist sofort da. Als sich ihre Blicke treffen, die dunkelhaarige Suzanne lächelt, fängt Evis Herz an zu hüpfen, die Luft fängt an sich zu bewegen. Es ist der Beginn einer Affäre, die Evis eintöniges Leben in einen Strudel aus Sex, Drogen und Gewalt reißt.

„The Girls“ spielt im Kalifornien des Jahres 1969. Im Mittelpunkt steht die 14-jährige Evi, die durch die wilde Suzanne in eine Hippie-Kommune gerät, deren Anführer Russell an Charles Manson erinnert. Er setzt minderjährige Mädchen unter Drogen und stiftet sie zu Morden an.

Diese Beschreibung allein hätte mich nicht dazu gebracht, „The Girls“ von Emma Cline zu lesen. Doch der Debütroman der Amerikanerin ist alles andere als ein stupider Psychothriller. Vielmehr ist es ein Psychogramm, das zeigt, was einen scheinbar gewöhnlichen Teenager dazu bringt, freiwillig die Nähe einer solchen Sekte zu suchen – und dort zu bleiben. Zudem ist „The Girls“ sprachlich beeindruckend.

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27. Dezember 2020

Schmöker: “Untenrum frei” von Margarete Stokowski

"Untenrum frei" von Margarete Stokowski

Ein wichtiges Buch nicht nur für Frauen: “Untenrum frei” von Margarete Stokowski

Wer dachte, dass es in diesem Jahrtausend keine verstaubten Sextipps für Frauen mehr gibt, irrt gewaltig. In ihrem Buch „Untenrum frei“ zitiert Autorin Margarete Stokowski einen Liebesratgeber aus den 00er-Jahren, der bekloppter kaum sein könnte. Darin steht unter anderem:

Sie haben jederzeit die Freiheit, nein zum Sex zu sagen, aber bedenken Sie dabei auch, dass es zur Liebe gehört, füreinander da zu sein, auch wenn man manchmal am liebsten ganz woanders sein möchte.“

Äh, ernsthaft?

Damit aber noch nicht genug. Auch fürs Flirten bietet dieser Liebesratgeber groteske Tipps.

Wenn Sie beim nächsten Mal in der Gegenwart eines Mannes etwas trinken, stecken Sie die Zunge ein winziges Stückchen heraus und halten sie an den Rand des Glases oder der Tasse. Ich garantiere, dass er darauf reagieren wird.“

Der Ratgeber zeichnet ein Frauenbild aus der Hölle. Aber auch die Männer kommen dabei keineswegs gut weg. Was macht das nur mit Menschen, wenn sie solche Tipps lesen, sie für normal halten? Das fragt sich Margarete Stokowski zurecht.

Das Fatale: Nicht nur dieser Ratgeber, sondern auch Magazine für Frauen und die “Bravo” geben die unmöglichsten Tipps, wenn es um Sex und den Körper geht. „Last Minute Tipps für den perfekten Strandbauch“ – wie oft tauchen solche Zeilen im Sommer auf!

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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