Heimat: Ein Abend im mold-Projektraum”
mold: ein Projektraum in der Karlsruher Südstadt
Eine Hundeskulptur steht mitten im mold-Projektraum. Ihr Kopf: ein Stapel aus Hemden, aus hell- und dunkelblauen, aus weißen und schwarzen. Egal wo ich hinschaue, es ist bunt in dem Atelier in der Augartenstraße 6. Farbdosen warten in Regalen auf ihren Einsatz, Kartons sind vollgestopft mit Pappe und Papier, großformatige Fotografien hängen gerahmt an der Wand. Von der letzten Ausstellung sind außerdem noch Halterungen zu entdecken, an denen Stoffbahnen befestigt waren, die die Wahrnehmung des Raums veränderten.
Als ich an diesem Herbstabend den Raum betrete, stehen die mold-Künstler gerade zusammen und tauschen sich aus – mit einer Chipstüte in der Hand, Johannisbeersaftschorle und Bier. „Schön, dass du da bist“, begrüßt mich Aleschija Seibt herzlich und stellt mich den anderen vor: Alexander Blum, Sebastian Wiemer und Verena Wippenbeck. Die fünfte Künstlerin des Kollektivs, Nina Laaf, hat an diesem Abend keine Zeit.
Ein wandelbarer Raum
Zuerst eine Druckerei, dann ein Lager für ein Altenheim, nun ein Ort, an dem Kunst auf unterschiedlichste Art entsteht: Der 140 Quadratmeter große, wandelbare Raum, der versteckt in einem Hinterhof liegt, war für die Absolventen der Kunstakademie Karlsruhe die perfekte Lösung, als sie im vergangenen Jahr auf der Suche nach einem Atelier waren.
„Es war sehr schwierig, etwas Passendes in Karlsruhe zu finden“, sagt Alexander Blum. Die Immobilien-Angebote, die damals auf dem Markt waren: größtenteils unmöglich. Unbeheizt, ohne Toilette, feuchte Kellerlöcher. „Wir waren erschrocken, wie hoch die Miete für solche Räume trotzdem noch ist“, erinnert sich Verena Wippenbeck.
Erste Ausstellung zum Galerierundgang
Als sie den Raum in der Augartenstraße 6 zum ersten Mal betraten, sahen die Künstler sofort das Potenzial. „Er liegt zentral, hat einen überdachten Außenbereich und im Gesamten stehen uns 200 Quadratmeter zur Verfügung“, fasst Aleschija Seibt zusammen. Seit Sommer 2017 arbeiten sie nun regelmäßig dort. Nach einem Jahr des gemeinsamen Austausches öffneten die Künstler anlässlich des Karlsruher Galerienrundgangs am 15. September 2018 nun auch einem breiten Publikum die Türen – und sagten mit einer Ausstellung Hallo.
Der Plan: Einmal im Jahr soll solch eine große Ausstellung im mold stattfinden, gerne auch mit Gästen, beispielsweise Musikern. „Wir möchten ein Ort sein, an dem Kunst entsteht und kulturelle sowie künstlerische Dialoge stattfinden“, sagt Sebastian Wiemer. Schließlich hat auch jeder mold-Künstler seine ganz eigenen Schwerpunkte.
Aleschija Seibt: Bewegungen im Raum
Ein Spiel mit Licht und Schatten, Buttermilch auf Fensterglas, Seile, die sich durch einen Raum bewegen: Aleschija Seibt arbeitet ortsbezogen und installativ. „Für mich hat Licht außerdem eine malerische Komponente“, sagt die Absolventin der Kunstakademie, die Meisterschülerin bei Professor Toon Verhoef war. Was ist sichtbar, was nicht?
Die 34-Jährige spielt gerne mit Wahrnehmungen. Für die erste Ausstellung im mold-Projektraum brachte sie beispielsweise ungebleichte Leinenstoff-Bahnen im Eingangsbereich an – und beobachtete die Bewegungen der Besucher. Wie schnell lässt sich ein Menschen lenken? Auf diese Frage sucht sie eine Antwort.
Aleschija Seibt
Alexander Blum: Worte werden zu Bilder
Während einer mehrmonatigen Reise ließ Alexander Blum seinen Gedanken freien Lauf, hielt sie mit Tinte auf Papier fest und brachte die geschriebenen Worte später im mold-Projektraum mit Beton in Kontakt. Das Ergebnis: Massive Werke, die aber immernoch etwas Filigranes, Zartes haben. „Mein Schwerpunkt ist die Bildhauerei, tangiert von Malerei und Fotografie“, erklärt er mir. Eindimensionalität gibt es bei ihm nicht. An der Kunstakademie Karlsruhe studierte Alexander Blum bei Professor Meuser und Professor Henning Strassburger.
Sebastian Wiemer: Malen ohne Pinsel
An einem schönen Sommertag stellte Sebastian Wiemer in seinem Garten eine gelbe Leinwand auf und berührte sie durch einen Handstand immer wieder mit seinen Füßen, an denen sich Farbe befand. Mit jeder Bewegung veränderte sich das Bild. „Ich möchte lebendige Arbeiten schaffen“, sagt Sebastian Wiemer, der bei Professor Toon Verhoef, Professorin Leni Hofmann und Professor Axel Heil an der Kunstakademie Karlsruhe studierte. Oft bestimmt bei ihm der Zufall die finale Gestalt.
„Ich lasse dem Scheitern und der Spontanität gerne viel Raum“, erklärt Sebastian Wiemer. Bei der ersten mold-Ausstellung zeigte er großformatige Fotografien aus Malta. Vom Innenraum einer Kirche und einem Erker aus dem 15. Jahrhundert. Das Besondere an ihnen: Sebastian Wiemer fand die Situation keineswegs so vor, wie sie auf den Bildern festgehalten ist. Er veränderte das Arrangement mit Fundstücken. Was genau er veränderte – darüber darf der Betrachter gerne rätseln.
Sebastian Wiemer
Verena Wippenbeck – Veränderungen per Video
Sie riss Wände ein, hob Türen aus den Angeln und ließ die Motorsäge kreischen. Verena Wippenbeck zerstörte einen kleinen Raum in einem Fachwerkhaus – und baute ihn wieder neu auf. Dieser Prozess ist festgehalten in ihrem fünfminütigem Video „Ein Abend am Sonntagmorgen“, das bei der mold-Ausstellung zu sehen war. „Ich interessiere mich für Momente, Handlungen und Gleichzeitigkeiten“, erzählt sie. Gerne verbindet sie visuelle Elemente mit Haptik.
Bei der Ausstellung setzte sie deshalb ihre Videoarbeit mit Gegenständen aus dem Fachwerkhaus in Szene – unter anderem mit gelben und lila Brettern. Der Titel des Videos ist angelehnt an Karl Valentin. „Ich lasse mich gerne von den verschiedensten Dingen inspirieren, es darf auch skurril sein“, sagt Verena Wippenbeck, die an der Kunstakademie bei Professor John Bock studierte.
Verena Wippenbeck
Nina Laaf – Grenzen in verschiedenen Formen
Die Hundeskulptur mit dem Hemdenkopf hat Nina Laaf geschaffen. „Ich arbeite oft modular und kombiniere gerne verschiedene Materialien“, schreibt sie mir, da wir ja an diesem Abend nicht persönlich reden können. Beim Einsatz von Medien möchte sie sich nicht festlegen. „Durch hybride Zusammenführungen können Verschmelzungen und Entgrenzungen entstehen, die auch die Ambivalenz des Arbeitsprozesses widerspiegeln.“
Die Künstlerin, die an der Kunstakademie Karlsruhe bei Professor John Bock und Professor Harald Klingelhöller studierte, interessiert sich für Systeme im weitesten Sinn. Außerdem geht es ihr um das Austesten von Grenzen des Materials und das Ausloten körperlicher Leistung. Mit ihren Skulpturen bespielt sie gerne Räume – und geht auf deren Besonderheiten ein.
Nina Laaf
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