11. März 2025

Buchkritik: „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ von Joachim Meyerhoff

„Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ von Joachim Meyerhoff

Es ist definitiv Großmutter Inge, die der absolute Star ist in Joachim Meyerhoffs Roman „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“. Die ältere Dame strotzt nur so voller Theatralik und Eleganz. Mit einem bedeutungsschwangeren „Mooooahhhhh“ kommentiert sie die belanglosesten Dinge – wie den Brie beim Abendessen. Die Aufmerksamkeit hat sie damit allemal. Einer ihrer Ticks ist es auch, bei „Oh Gott“ die beiden „tt“ deutlich auszusprechen.

“Sie sagte nicht ,Gott’, sondern ,Got-t“ (…) „Alles hatte Bedeutung und es gab einem das gute Gefühl, dabei sein zu dürfen, wenn sie redete.”

So ist es keine große Überraschung, als sich von Kapitel zu Kapitel deutlicher herausstellt, wer genau die Großmutter von Joachim Meyerhoff ist. Es ist Inge Birkmann, eine renommierte Schauspielerin, die an den großen Theatern Deutschlands auf der Bühne stand und auch im Fernsehen zu sehen war – unter anderem in „Derrick“ oder „Der Alte“.

Mit ihrem Mann Hermann Krings, einem emeritierten Professor der Philosophie, bewohnt die Diva eine prächtige Villa in der Nähe des Nymphenburger Parks. Dorthin zieht Joachim Meyerhoff nach dem Abitur, weil er zunächst seinen Zivildienst in München absolvieren will, dann aber kurzfristig eine Zusage für die Otto-Falckenberg-Schauspielschule in der bayerischen Stadt erhält.

Es ist ein Spagat zwischen zwei Welten: den freigeistigen Kreativen und den kultivierten, großbürgerlichen Senioren. Wie es ihm damals, Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre erging, daran erinnert sich Joachim Meyer in seinem autobiografisch geprägten Werk sehr amüsant und einfühlsam.

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4. März 2025

Kritik der Netflix-Serie „Valeria”

Netflix-Serie „Valeria“: Die vierte Staffel überzeugt nochmals

Eheprobleme, kein Geld, eine Schreibblockade: Bei Valeria (Diana Gómez) läuft es alles andere als rund. Nach sechs Jahren ist in ihrer Beziehung mit Adrián (Ibrahim Al Shami) der romantische Funke erloschen, es knirscht ständig zwischen ihnen. Beide kämpfen sie mit ihren kreativen Jobs, er als Fotograf und Kameramann, sie als Schriftstellerin. Als Valeria eines Abends ausgeht und von ihren Freundinnen versetzt wird, trifft sie auf Victor (Maxi Iglesias), der sie auf ganz neue Gedanken bringt – und ihr Leben auf den Kopf stellt.

Auf die spanische Serie „Valeria“ stieß ich zufällig bei Netflix. Basis dafür sind Romane der Autorin Elisabet Benavent. Noch nie hatte ich von „Valeria“ gelesen, noch niemand hatte mir von ihr erzählt. Doch schon nach fünf Minuten war mir klar: Diese Serie, die im pulsierenden Madrid spielt, mag ich, sie ist genau meins.

Insgesamt vier Staffeln gibt es von “Valeria” auf Netflix. Dabei sind die erste und die letzte Staffel am besten. Zwischendurch ist es ein wenig zäh. Am Ende bin ich aber sehr happy damit, wie sich die Figuren entwickeln und wie es ausgeht. Also, wer mit den Staffeln zwei und drei kämpft, nicht aufgeben. Bei „Valeria“ lohnt es sich, bis zum Schluss dranzubleiben.

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24. Februar 2025

Buchkritik: “Die Zeuginnen” von Margaret Atwood

"Die Zeuginnen" von Magaret Atwood

Buchkritik: “Die Zeuginnen” von Margaret Atwood: sehr unterhaltsam, aber ohne Überraschung

Wie stürzt man einen totalitären Staat? Diese Frage wurde der Autorin Margaret Atwood unzählige Male gestellt, nachdem sie 1985 ihren preisgekrönten Bestseller „Der Report der Magd“ veröffentlicht hatte. 2017 erhielt sie dafür den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Die Frage hat nichts von ihrer Brisanz verloren. Im Gegenteil: Die große Zeit der Demokratien scheint vorbei, autoritäre Herrscher beherrschen die Schlagzeilen.

In „Die Zeuginnen“ gibt Margaret Atwood nun eine Antwort darauf. Sie schreibt in einem Nachwort dazu:

„Totalitäre Staaten können von innen heraus anfangen zu bröckeln, wenn sie die Versprechen, die sie an die Macht gebracht haben, nicht halten. Oder sie werden von außen angegriffen. Oder beides.“

Wie das konkret aussehen kann, erzählt sie in „Die Zeuginnen“ anhand von drei Protagonistinnen, die ganz unterschiedliche Perspektiven auf den fiktiven Staat Gilead haben. Das ist immer noch spannend und unterhaltsam, aber nicht mehr ganz so revolutionär wie die Geschichte im Vorgängerbuch.

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9. Februar 2025

Buchkritik: “Book Lovers” von Emily Henry

Buchkritik: "Book Lovers" von Emily Henry

Rezension von “Book Lovers”: ein kurzweiliger Liebesroman mit (zu) viel Kitsch für graue Wintertage

Dass mich „Book Lovers – Die Liebe steckt zwischen den Zeilen“ an meine Kitschgrenze bringen würde, wusste ich schon, als ich das Buch in meiner Lieblingsbuchhandlung bestellte. Schließlich bewirbt der Verlag den Roman damit, dass eine „Enemies to Lovers“-Geschichte die Herzen der Leser*innen dahin schmelzen lässt. Wer zweifelt da noch daran, dass es sich um romantische Unterhaltungsliteratur für Frauen handelt?!

Eigentlich mache ich einen großen Bogen um solche Bücher. Trotzdem wollte ich Book Lovers” lesen – wegen des Hypes um die Autorin Emily Henry. Sie hat Kreatives Schreiben studiert und wird in den USA von vielen Frauen für ihre eingängigen Liebesromane gefeiert. Jedes Jahr bringt sie ein neues Werk heraus, die Nummer 1 der New York Times Bestsellerliste ist ihr stets damit sicher. Ich war neugierig. Warum ist sie so erfolgreich?

Ist es einfache Unterhaltung mit vorhersehbarer Handlung oder wird mich Emily Henry überraschen? Gespannt begann ich „Book Lovers“ zu lesen.

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27. Januar 2025

Japan-Reise: Konnichiwa, Tokyo

Shibuya - Tokyo

Drei Wochen Japan-Reise: Tokyo – Hiroshima – Kyoto

Bereits im Flugzeug wird mir klar, dass diese Reise nach Japan etwas Besonderes ist. Kaum sind wir sicher in der Luft, beginnen die Menschen um mich herum ihre Straßenschuhe auszuziehen und Hausschuhe aus ihrem Handgepäck zu nehmen. Verwundert blicke ich mich um.

„Siehst du, ich hab’s doch gesagt”, sagt mein Freund neben mir. Irritiert hatte ich ihn zu Hause noch angesehen, als er mit großem Ehrgeiz unsere grauen Pantoffeln in den kleinen, prall gefüllten Koffer stopfte und meinte: „Die brauchen wir im Flugzeug“.

Hausschuhe sind ein großes Thema, seit wir zusammen wohnen. Für ihn ist es undenkbar, unsere Wohnung mit seinen Sneakern zu betreten. Wenn seine japanischen Freund*innen zu Besuch kommen, ist es wichtig, dass wir für jeden Gast ein Paar Hausschuhe bereitstellen. Den Dreck von der Straße in die Wohnung zu tragen – das ist ein absolutes No-go. Deshalb haben wir jetzt mindestens fünf zusätzliche Hausschuhe daheim.

Dass mir diese japanische Sitte schon vor der Landung in Tokyo begegnet, kommt dann aber doch überraschend für mich. Es ist aber nicht das letzte Mal, dass ich in ungewöhnlichen Situationen die Schuhe ausziehe.

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15. Januar 2025

Serienkritik: “Doppelhaushälfte”

ZDFneo-Serie “Doppelhaushälfte”: heiter bis wolkig

Bei ZDFneo-Serien kann ich selten vorhersagen, ob ich mich nach fünf Minuten fremdschäme und umschalte oder ob ich denke: Ja, super, endlich mal eine deutsche Produktion, die unterhaltsam, modern und gut gemacht ist. Bei „Fett und Fett“ war ich beispielsweise begeistert, bei „I don’t work here“ überhaupt nicht. 

Auch die erste Staffel der ZDFneo-Serie „Doppelhaushälfte“, die im März 2022 während der Corona-Pandemie ausgestrahlt wurde, habe ich mir gerne angeschaut. Obwohl gleich in der ersten Folge derber Fäkalhumor zu sehen war, blieb ich dran. Warum? Es ist die Mischung aus tollen Schauspielenden und aktuellen gesellschaftlichen Themen wie Rassismus, Diversität oder Feminismus, die in der Serie locker und differenziert ihren Platz finden.

Von den ersten acht Folgen fand ich die meisten gut – auch wenn wie in der ersten Folge nicht jeder Witz zündete und noch Luft nach oben war. Vor allem die Cannabis-Folge musste ich abbrechen, weil sie mir zu schräg war.

Nun sind auch die zweite und dritte Staffel von „Doppelhaushälfte“ erschienen. Gespannt schaltete ich wieder ein – und bin nun sehr geteilter Meinung. Während einige Folgen wieder unterhaltsam sind, konnte ich beispielsweise die letzten drei Folgen der zweiten Staffel nicht ohne Vorspulen anschauen. Sie waren mir zu experimentell und abgedreht. Auch in der dritten Staffel gibt es wieder sehr schräge Folgen. Was ist da nur los?

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11. Januar 2025

Buchkritik: „Fegefeuer” von Sofi Oksanen

„Fegefeuer" von Sofi Oksanen

Fegefeuer” von Sofi Oksanen: poetisch und spannend wie ein Krimi

Es war ein riesiger Bestseller in Skandinavien: Als „Fegefeuer“ 2008 erschien, entwickelte sich das Buch zum absoluten Verkaufsschlager. Die finnisch-estnische Autorin Sofi Oksanen erhielt dafür unter anderem den Nordischen Buchpreis. Mittlerweile wurde der Roman in 38 Sprachen übersetzt und auch als Theaterstück adaptiert.

Bei mir lag „Feuerfeuer“ trotzdem fast zehn Jahre zu Hause auf meinem Stapel ungelesener Bücher – und rutschte immer weiter nach unten. Vielleicht lag es an dem eher unappetitlichen Cover mit der großen Schmeißfliege oder an dem unpräzisen Text auf der Rückseite, aber irgendwie schienen mir andere Romane immer interessanter.

Dann kam mir die Autorin Sofi Oksanen wieder in den Sinn, als sie 2023 das Buch „Putins Krieg gegen die Frauen“ veröffentlichte und „Die Zeit“ groß darüber berichtete. Ich schob „Fegefeuer“ auf meinem Bücherstapel nach oben, las es endlich – und bin sehr positiv überrascht.

Der Roman ist spannend wie ein Krimi, sehr poetisch geschrieben und bringt den Leser*innen viel Wissenswertes über das Leben in Estland zwischen 1940 und 1993 näher.

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4. Januar 2025

Buchkritik: “Auf Erden sind wir kurz grandios” von Ocean Vuong

"Auf Erden sind wir kurz grandios" von Ocean Vuong

Kritik von “Auf Erden sind wir kurz grandios”: Ein Buch, das tiefe Spuren hinterlässt!

Poetische Sätze treffen auf gewaltvolle Erinnerungen: Es ist eine Achterbahn der Gefühle für mich, „Auf Erden sind wir kurz grandios“ von Ocean Vuong zu lesen. Der Roman ist ein Brief, den ein Sohn an seine Mutter schreibt – einer Analphabetin. Sie wird ihn nie lesen können.

Der Brief dient vielmehr als Selbstermächtigung für den Verfasser, es ist ein Aufarbeiten des Geschehenen, ein Erinnern, Verstehen und Reflektieren. Das Besondere: Der Brief ist voller Gegensätze: Während die Sprache liebevoll gewählt, an vielen Stellen sehr zart und fragil ist, erschüttert der harte Inhalt.

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2. Januar 2025

Buchkritik: “Ikigai” von Ken Mogi

"Ikigai" von Ken Mogi

Ken Mogi: „Ikigai. Die japanische Lebenskunst“ – ein inspirierendes Buch!

Als mein japanischer Mitbewohner und ich vor einiger Zeit mit unzähligen Kisten, Tüten und Möbeln in unsere gemeinsame Wohnung einzogen, waren elf Grünpflanzen dabei. Fünf von mir, sechs von ihm. Eine Grünlilie, ein Elefantenbaum, ein Bogenhanf und eine Orchidee unter anderem. Nichts Spektakuläres, ganz gewöhnliche Zimmerpflanzen.

Am Ende des Umzug-Wahnsinns schleppte mein Mitbewohner vorsichtig in einem Pappkarton kleine, mit Wasser gefüllte Becher in die Küche. Mit Zahnstochern durchbohrte Avocadokerne lagen oben auf den Plastikränden und berührten mit ihrer unteren Hälfte das Wasser. „Was ist das für ein Projekt?“, fragte ich ihn erstaunt. „Das werden Avocadobäume“, erklärte er mir optimistisch. Ich musste lachen, Avocadobäume züchten. Was für eine nette Idee!

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30. Dezember 2024

Buchkritik: „Demon Copperhead“ von Barbara Kingsolver

„Demon Copperhead“ von Barbara Kingsolver

„Demon Copperhead“ von Barbara Kingsolver: ein Diamant in Literaturform – eine Rezension

Es gibt Bücher, die sind wie die Nadel im Heuhaufen. Sie sind so schwer zu finden, aber wenn man sie endlich in der Hand hält, ist es ein unwahrscheinliches Glück. Nachdem ich etwa ein Drittel von „Demon Copperhead“ gelesen habe, bin ich mir absolut sicher, solch einen Diamanten in literarischer Form gefunden zu haben. Dieses besondere Gefühl hält sich hartnäckig bis zum Ende der rund 860 Seiten und verschwindet auch danach nicht.

Barbara Kingsolvers Roman schafft es, mich so zu berühren, dass ich beim Lesen emotional regelrecht durch die Höhen und Tiefen im Leben ihres Protagonisten Demon geschleudert werde. Doch egal, wie bedrückend die Geschichte gerade ist, ich kann das Buch nicht mehr aus der Hand legen. So sehr bin ich die Handlung hineingezogen, dass ich unbedingt wissen muss, wie es weitergeht. Ähnlich ging es mir zuletzt nur bei „Ein wenig Leben“. Völlig verständlich hat „Demon Copperhead“ 2023 den renommierten Pulitzer-Preis erhalten.

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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