14. Oktober 2024

Buchkritik: „Im Wasser sind wir schwerelos“ von Tomasz Jedrowski

„Im Wasser sind wir schwerelos“ von Tomasz Jedrowski

„Im Wasser sind wir schwerelos“ von Tomasz Jedrowski: eine gefühlvolle Liebesgeschichte mit Tiefgang

Schon nach einem Absatz weiß ich, dass ich „Im Wasser sind wir schwerelos“ von Tomasz Jedrowski lieben werde. Es steht da dieser eine Satz, den ich bestimmt fünfmal hintereinander lese, weil ich ihn so toll finde:

„Sicher weiß ich nur: Mein Körper ist ausgelaugt wie ein fremdes Land nach einem Krieg. Und dennoch kann ich nicht mehr einschlafen.“

Dieser Satz beschreibt so wunderbar treffend, wie ich im ersten Jahr mit Baby fühlte. Obwohl ich so kaputt von allem war, lag ich nachts gestresst oft stundenlang wach.

In dem Roman von Tomasz Jedrowski geht es zwar um etwas komplett anderes als das Mutterwerden, nämlich die erste große Liebe eines queeren Mannes Anfang der 1980er-Jahre in Polen, aber mir ist dadurch sofort klar, dass der Autor eine unglaublich beeindruckende Gabe hat, Gefühle poetisch auszudrücken. 

Mein erster Eindruck täuscht mich nicht. Innerhalb kürzester Zeit verschlinge ich den Roman und kann ihn kaum aus der Hand legen. Tomasz Jedrowsk ist es gelungen, eine mitreißende Liebesgeschichte in einer gefühlvollen, bilderreichen und wohltuenden Sprache zu schreiben. Noch Tage später geht mir die Geschichte von Ludwik und Janusz durch den Kopf. Der Guardian hat den Roman zu Recht unter die besten Bücher des Jahres gewählt. 

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10. Oktober 2024

Buchkritik: “Die Vegetarierin” von Han Kang

"Die Vegetarierin" von Han Kang

Buchkritik „Die Vegetarierin” von Han Kang: vom Wunsch, eine Pflanze zu werden

Es ist ein blutrünstiger Traum, der Yong-Hye zur Vegetarierin werden lässt. Als sie davon mitten in der Nacht aufwacht, steht sie auf, räumt in ihrem Nachthemd und mit abstehenden Haaren die Gefriertruhe aus. Schweinebauch, Rinderfilet, Tintenfisch. Einen Gefrierbeutel nach dem anderen wirft sie in den Müll. Als ihr Mann das bemerkt, ist er zutiefst irritiert.

„Bist du verrückt geworden?“, fragt er sie aufgebracht. Für ihn steht die Welt Kopf. Seine Frau, bisher an Durchschnittlichkeit kaum zu überbieten, stellt den gewohnten Alltag auf den Kopf. Statt Steaks gibt es nun Algensuppe zum Abendessen. Das kann er nicht akzeptieren.

Yong-Hyes Entscheidung, auf tierische Nahrungsmittel zu verzichten, ist der Beginn einer Reihe von Ereignissen, die an Dramatik kaum zu überbieten sind. Am Ende ist nichts mehr von ihrem alten Leben übrig.

Han Kang hat nun 2024 den Literatur-Nobelpreis erhalten. Nur ein Grund, warum es sich lohnt, „Die Vegetarierin” zu lesen.

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9. Oktober 2024

Kritik: “Nobody wants this”

Kritik der Netflix-Serie “Nobody wants this”: Die Welt braucht mehr Männer wie Noah

Es ist am Ende der sechsten Folge, als ich denke: Wow, „Nobody wants this“ hat etwas Außergewöhnliches geschafft. Endlich gibt es mal einen Mann, der empathisch ist, der sein Gegenüber wirklich wahrnimmt und deshalb in einer schwierigen Situation nicht toxisch, sondern genau richtig handelt. 

Denn Noah (Adam Brody) läuft nicht weg, als Joanne (Kristen Bell) wieder einmal Beziehungsangst hat. Er erkennt, warum sie verbal um sich schlägt, spricht es konkret an, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Dadurch realisiert Joanne selbst ihr destruktives Muster, ein Knoten platzt. Sie trennen sich nicht, sondern sind in ihrer Beziehung einen Schritt weiter. 

Was so selbstverständlich klingt, wurde in vielen großen Produktionen oft anders gelöst: Die hysterische Frau verhält sich irrational, dem Mann wird es zu viel.  

„Nobody wants this“ bricht damit, zeigt, warum Menschen unsicher und ängstlich sind – und bietet Lösungen. Der Netflix-Produktion gelingt damit ein Kunststück: So funktioniert eine mental gesunde Beziehung.  

Um es vielleicht ein wenig zu überspitzen: Hätte es diese Serie 15 Jahre früher gegeben, hätten sich vermutlich einige Menschen in meinem engeren und weiteren Freundeskreis schmerzhafte Dating-Erfahrungen erspart – mich eingeschlossen.

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3. Oktober 2024

Buchkritik: Die Möglichkeit von Glück” von Anne Rabe

Die Möglichkeit von Glück" von Anne Rabe

Rezension von “Die Möglichkeit von Glück”: so gehypt, so eine Enttäuschung

Meine Vorfreude ist groß, als ich „Die Möglichkeit von Glück“ zu lesen beginne. Schließlich habe ich schon so viel Gutes über den Roman von Anne Rabe gehört. Er stand unter anderem auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2023. Viele Kritiker*innen überschlugen sich mit Lob, beschrieben ihn als DEN Roman über die Menschen in Ostdeutschland. Deren Biografien würden dadurch verständlicher, meint etwa der Autor und Musiker Henrik Bolz. Es sei das Buch der Stunde, schrieb Ronald Düker in der „Zeit“.

Deshalb bin ich sehr gespannt, wie der Blick von Anne Rabe auf die DDR und Ostdeutschland ist. Doch je länger ich „Die Möglichkeit von Glück“ lese, desto enttäuschter werde ich. Ich verstehe den Hype um dieses Buch überhaupt nicht.

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15. September 2024

Serienkritik: “Emily in Paris”

„Emily in Paris“: Die zweite Hälfte der vierten Staffel bringt wieder neuen Schwung – endlich!

Franzosen und Französinnen, die erst nach 10 Uhr zu arbeiten beginnen, mittags schon Weißwein trinken und die englische Sprache boykottieren: Die Netflix-Serie „Emily in Paris“ trieft regelrecht vor Klischees und Oberflächlichkeit. Auch die Bilder aus der französischen Hauptstadt wirken, als sei ein quietschbunter Instagram-Filter darüber gelegt worden. Paris leuchtet, blüht und sieht aus wie eine märchenhafte Version ihrer selbst. Die raue Realität: Fehlanzeige!

Halte ich zu viel Kitsch gewöhnlich nur sehr schwer aus, ging es mir bei der Serie um Hauptdarstellerin Lily Collins anders. Bereits die erste Folge zog mich wie ein Hurrikan in die Bubblegum-Welt.

„Emily in Paris“ ist Kitsch in Perfektion. Die Serie ist ein wahres Feuerwerk an ästhetisch geschmackvollen Szenen. Die Schauspieler*innen sind durchweg adrett, ihre Kleidung pure Fashion und die Geschichte ist so kurzweilig, dass ein Binge-Watching nur schwer zu verhindern ist – zumindest bei den ersten beiden Staffeln.

Nachdem die Spannung in der dritten und ersten Hälfte der vierten Staffel etwas nachgelassen hat, kommt in den letzten fünf Folgen wieder Abwechslung in Emilys Leben. Der smarte Italiener Marcello taucht auf und lädt Emily nach Rom ein, endlich wieder neue Gesichter und Geschichten. Das Drama um Gabriel und Camille nervte irgendwann nur noch.

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29. August 2024

Buchkritik: “22 Bahnen von Caroline Wahl”

Caroline Wahl I  22 Bahnen

Rezension von “22 Bahnen”: leise Liebesgeschichte, die auch sprachlich verzaubert

An einem verregneten Tag im Freibad sieht Tilda plötzlich Viktor wieder. Jahrelang war er aus der Kleinstadt verschwunden. Nun ist er wieder da. Warum nur?

„Unsere Blicke treffen sich, und wir starren uns an. Ich will eigentlich wegschauen, aber wenn er nicht wegschaut, dann darf ich ihn auch weiter anstarren. Erkennt er mich? Wir waren in derselben Schule, und er weiß bestimmt, dass ich mit seinem Bruder befreundet war. Zumindest hat er mich auf der Beerdigung gesehen. Da ist irgendwas in seinem Gesicht, das mich nicht loslässt. Vielleicht dieses überhebliche, belustigte Funkeln in seinen Augen und das kaum bemerkbare Zucken seines Mundwinkels, das ich nur erahnen kann.“

Viktor ist der große Bruder von Ivan, mit dem Tilda und ihre Freundin Marlene kurz nach dem Abitur einen Sommer lang Zeit verbracht haben. Viktors Auftauchen weckt nicht nur romantische Gefühle in ihr, sondern auch dunkle Erinnerungen.

Tilda ringt außerdem mit einer Entscheidung, die ihr ganzes Leben betrifft. Der Mathematik-Studentin wurde ein Promotionsstudium in Berlin angeboten. Die Aussicht auf ein selbstbestimmtes Leben in der Hauptstadt ist verlockend. Wären da nicht die Probleme mit ihrer Mutter und die Verantwortung für ihre kleine Schwester, die Tilda bisher an das Leben in der Kleinstadt fesseln.

Wie wird Tilda sich entscheiden? Darum geht es in „22 Bahnen“ von Caroline Wahl – ihrem ganz leisen, wunderbar geschriebenen Debütroman. Wochenlang stand er zu Recht auf Platz 1 der Bestsellerlisten. Ich habe das Buch in zwei Tagen verschlungen, so sehr hat mich die Geschichte von Tilda mitgerissen. Es ist eine gefühlvolle, aber ganz und gar unkitschige Liebesgeschichte, verbunden mit einer mutigen Selbstbefreiung.

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22. August 2024

Buchkritik: “I love Dick” von Chris Kraus

i love dick - chris kraus

Rezension von “I love Dick”: einfach nur anstrengend

Schon nach fünf Seiten kamen mir Zweifel. Das soll das „wichtigste Buch über Frauen und Männer im 20. Jahrhundert“ (The Guardian) sein? Und „mitreißend schön“ (Der Spiegel)? Ich war irritiert. Denn von der ersten Seite an fehlte mir in „I love Dick“ jede Emotion. Im Gegenteil: Chris Kraus’ Roman liest sich konstruiert und schwerfällig.

Die Liebe in „I love Dick“ verkommt zur Performance. Jede Handlung der verkopften Protagonistin ist durchdacht. Die Sätze sind absolut nüchtern geschrieben, ich war an keiner Stelle berührt. Lesevergnügen? Fehlanzeige. Auf Seite 161 von 292 habe ich resigniert und den literarischen Kampf aufgegeben.

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18. August 2024

Serienkritik: “Big Little Lies”

“Big Little Lies” Staffel 1 + 2: tolle Besetzung, beeindruckende Bilder

Ein dunkles Geheimnis liegt über der kleinen Stadt Monterey. Bei einem Schulfest kam ein Mensch ums Leben. Das FBI ermittelt. War es ein Unfall oder Mord? Und wer ist überhaupt gestorben? Diese Fragen bleiben offen bis zum Ende der ersten Staffel von „Big Little Lies“.

Nur eines ist schnell klar: Fünf Mütter von Erstklässler*innen haben etwas damit zu tun. Vor allem Madeline Mackenzie (Reese Witherspoon), Celeste Wright (Nicole Kidman) und Jane Chapman (Shailene Woodley) stehen im Fokus der Ermittler*innen.

Die ersten sieben Episoden der ersten Staffel von „Big Little Lies“ zeigen in Rück- und Vorblenden, wie die verschiedenen Charaktere miteinander verbunden sind und warum es zu dem Tumult bei der Schulfeier kam. Das ist so spannend, dass ich die HBO-Serie von David E. Kelley in kürzester Zeit gesehen habe.

Die zweite Staffel knüpft an den Todesfall an und zeigt, wie die Frauen und ihre Familien danach weiterleben. Das ist immer noch interessant – aber im Vergleich zu den ersten sieben Folgen deutlich schwächer. Mir fehlten die Dynamik und eine Handlung, die mich wirklich mitreißt. Trotzdem habe ich auch die zweite Staffel noch gerne gesehen.

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1. August 2024

Buchkritik: “Gittersee” von Charlotte Gneuß

"Gittersee" von Charlotte Gneuß

Rezension von “Gittersee”: Den Stasi-Schrecken mit poetischer Sprache erzählt

„Lust auf ein Abenteuer?“

Pauls Frage klingt Karin noch lange in den Ohren, nachdem er mit seiner knatternden Schwalbe verschwunden ist. Er wolle zur Sommersonnenwende zu den Tschechen, hatte er Karin erzählt. Zusammen mit seinem Freund Rühle. Klar, Karin hat Lust auf Abenteuer, aber keine Zeit. Die Mutter ist nicht da, die kleine Schwester braucht sie, die Wäsche macht sich nicht von selbst.

Es ist das letzte Mal, dass die 16-Jährige ihren Freund sieht. Nur Rühle kommt vom Ausflug zurück. Paul ist im Westen, weit weg von ihr, ihrer Familie und Gittersee, dem tristen Dresdner Vorort in der DDR. Dafür tritt Wickwalz von der Stasi in Karins Leben – mit tiefer, warmer Stimme und melancholischem Blick. Er will mehr über Pauls Verschwinden erfahren. Wird Karin einlenken und helfen? Darum geht es in „Gittersee“, dem Roman von Charlotte Gneuß.

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31. Juli 2024

Serienkritik: Call my agent

Call my agent: Wann kommt die fünfte Staffel?

Sie betreuen die berühmtesten Schauspieler*innen Frankreichs: In der Serie „Call my agent“ dreht sich alles um eine fiktive Pariser Agentur, deren Mitarbeiter*innen versuchen, für Filmstars lukrative Angebote an Land zu ziehen. Zehn Prozent Provision bekommen die Agent*innen bei erfolgreich abgeschlossenen Verträgen. Deshalb heißt die Serie im Original auch „Dix pour cent“.

Dass von der Vertragsunterzeichnung bis zum letzten Drehtag alles klappt, ist bei den egozentrischen Schauspieler*innen aber oft eine Herausforderung. Eitelkeiten, Sturheit, alte Feindschaften. Die Agent*innen benötigen Nerven aus Drahtseil. Das ist herrlich anzuschauen, unterhaltsam und oft auch spannend.

Vier Staffeln gibt es von der tollen französischen Serie. Sie sind derzeit unter anderem über Netflix zu streamen. Seit 2021 sind außerdem eine fünfte Staffel und ein Fernsehfilm angekündigt. Doch derzeit gab es noch nichts davon zu sehen. Deshalb ist es für mich fraglich, ob diese Projekte überhaupt noch verwirklicht werden.

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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