5. Februar 2022

Karlsruhe: “Ein neues Zuhause für den Panorama e.V. & das P8”

Panoramaverein I P8 I Karlsruhe

Karlsruhe: Der Panorama-Verein und das P8 sind nun in der Schauenburgstraße 5

Dass ich gleich am Ziel angekommen bin, erkenne ich an dem großen Schild, das auf der Straße schon von Weitem zu erkennen ist. „Kein Mensch ist illegal“ steht in prägnanten weißen Buchstaben auf schwarzem Hintergrund. Grüne und rote Sprühfarbe umrahmt die Schrift.

Langsam bremse ich ab und fahre mit meinem Fahrrad auf das Gelände der Schauenburgstraße 5, wo der soziokulturelle Panoramaverein ein neues Zuhause gefunden hat. Mitten im Bulacher Industriegebiet – umgeben vom Diakonie-Secondhandladen, McDonalds und einer Esso-Tankstelle.

Der Panorama e.V. veranstaltet seit 2011 regelmäßig Konzerte, Lesungen und andere kulturelle Veranstaltungen in Karlsruhe. Außerdem bietet er Musiker*innen und Künstler*innen Räume zum Proben und Arbeiten an – zuerst in der „Halle 14“, zuletzt im „P8“.

An diesem grauen Januartag bin ich mit Bert verabredet. Er ist Gründungsmitglied des Panorama-Vereins und möchte mir mehr dazu erzählen, warum das P8 im vergangenen Herbst seine alten Räume in der Karlsruher Nordstadt auf dem C-Areal räumen musste und nun in die Hallen eines ehemaligen Elektro-Großhandels eingezogen ist.

Panoramaverein I P8 I Karlsruhe

Schauenburgstraße 5: eine riesige Baustelle

Es wummert und brummt auf dem riesigen Gelände der Schauenburgstraße 5. Ein wenig orientierungslos laufe ich auf ein geöffnetes Tor zu, aus dem Licht strahlt und männliche Stimmen zu hören sind. Ich wage mich hinein und muss kurz zweimal blinzeln. Wo bin ich hier gelandet?

Überall stehen alte Flipper, Computer und Videokonsolen. Es ist wie eine Zeitreise – zurück in die 1980er- und 1990er-Jahre. „Ich suche Bert“, rufe ich den Männern zu, die dort die alten bunten Geräte herumschieben und daran werkeln. Einer der Herren kommt zu mir und zeigt mir den Weg quer durch die Halle zu einer Verbindungstür, wo Bert zwischen neu errichteten Ateliers steht. „Du bist bei den Jungs von Retrogames gelandet“, erklärt er mir lachend. „Sie haben hier auf dem Gelände ebenfalls ein neues Zuhause gefunden.“

Panoramaverein I P8 I Karlsruhe

Ateliers, Proberäume, Café Noir

Es passiert gerade einiges in der Schauenburgstraße 5 – auf 2600 Quadratmetern Fläche im Inneren, verteilt auf zwei Etagen, und nochmals 2500 Quadratmeter draußen. Es gibt einen großen Veranstaltungsraum für das neue P8, wo bereits eine funkelnde Discokugel hängt.

Außerdem ist in dem Industriebau Platz für das Café Noir, für Theaterworkshops und -vorführungen. Damit nicht genug: Auch Ateliers, Probe- und Backstageräume für Bands sind vorhanden, erklärt mir Bert, als wir in seinem Büro auf der zweiten Etage angekommen sind.

Bert hat eine halbe bezahlte Stelle beim Panorama-Verein. Während er sich früher mit dem Veranstaltungsprogramm des P8 und anderen kreativen Aufgaben beschäftigen konnte, ist er in diesen Wochen vor allem mit Bürokratie beschäftigt.

Anfänge in der „Halle 14“

Gutachten, Genehmigungen, Geld organisieren. „Durch den Umzug auf das große Areal sind unsere Kosten quasi explodiert“, erzählt er mir. Die Einnahmen während der Umbauzeit: Null. „Wir benötigen dringend Spenden“, sagt er. Ein Zustand, der ihn wehmütig macht und auf die unkomplizierten Anfänge des Vereins zurückblicken lässt.

Gegründet haben ihn im Jahr 2011 Musiker*innen unter anderem aus dem Punk-, Rock- und Elektrobereich. „Wir hatten genug davon, immer Locations für Auftritte in Karlsruhe suchen zu müssen“, erinnert er sich. So schufen sie sich damals in der „Halle 14“ in der Nördlichen Uferstraße selbst einen Veranstaltungsraum. Auch ein Atelier, Proberäume und eine kleine Metallwerkstatt gab es bereits dort.

„Der DIY-Charakter war uns von Beginn an wichtig.“ Die „Antilopengang“ spielte in der „Halle 14“ und auch „Feine Sahne Fischfilet“. „Es war alles sehr klein, aber intensiv – eine tolle Zeit“, sagt Bert.

Temporäres Zuhause in der Nordstadt

2014 mussten sie raus aus den Räumen, weil laut Bebauungsplan Kultur im Gewerbegebiet nicht erlaubt ist. Nach längerer Suche wurden sie auf dem C-Areal in der Karlsruher Nordstadt fündig, in der Pennsylvaniastraße 8. Aus der „Halle 14“ wurde das „P8“. Dort fanden in den vergangenen Jahren unzählige Konzerte, Lesungen und andere Veranstaltungen statt – in einem Umfeld, das etwas Unbändiges, Freies hatte.

„Uns war von Anfang an klar, dass es nur eine Zwischenlösung ist und das Gelände irgendwann abgerissen wird – aber mit der Geschwindigkeit hatten wir nicht gerechnet“, sagt Bert. Die GEM Ingenieursgesellschaft hatte das Gelände 2014 vom Bund abgekauft. Im Raum standen zunächst Pläne, dass der Abriss eventuell 2024 beginnen soll.

GEM Ingenieursgesellschaft stellt Kreative in Karlsruhe vor Herausforderungen

Nur kam es 2020 zu einer Veränderung. Die GEM ist seither regional für die CG Elementum tätig, die zum Immobilienkonzern Gröner Group gehört. Plötzlich war viel Geld da. „Und dann ging alles ganz schnell“, sagt Bert. Ein neues Wohnungviertel soll schnellstmöglich auf dem C-Areal entstehen – darunter wenige Sozialwohnungen, aber einige hochpreisige Eigentumswohnungen.

Die Gröner Group ist nicht nur an diesem Projekt in der Fächerstadt beteiligt. Zahlreiche Musiker*innen mussten in Karlsruhe in den vergangenen Monaten ihre Proberäume aufgeben, weil der Immobilienkonzern die Gebäude aufkaufte und den Bands kündigte. Hochwertige Gewerbeimmobilen sollen daraus werden.

Großer Mangel an Proberäumen in Karlsruhe

„Die elf Proberäume, die bei uns auf dem Gelände neu entstehen, waren deshalb innerhalb kürzester Zeit vergeben“, sagt Bert. Auch die 15 Ateliers sind blitzschnell besetzt gewesen. Der Bedarf ist weiter riesig. Etwa 100 Proberäume fehlen in der Fächerstadt, schätzt Bert.

Die Stadt unterstützt den Panorama e.V. mit 110.000 Euro Miet- und Betriebskostenzuschuss jährlich, damit er sich das neue Zuhause überhaupt leisten kann.

„Das ist natürlich schön“, sagt Bert. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind nun groß. Aber: „Der Druck ist hoch für uns“. Die Warmmiete für die Proberäume und Ateliers ist trotz Förderung in der Schauenburgstraße 5 deutlich gestiegen. Obwohl der Panoramaverein von seinen Untermieter*innen pro Quadratmeter weniger nimmt, als er selbst als Hauptmieter bezahlt. „Wir müssen nun zwingend mit großen Konzerten Geld einnehmen – ohne das geht es nicht mehr.“

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Große und kleinere Veranstaltungen im P8 geplant

Der neue Veranstaltungsraum des P8 bietet Platz für 600 Menschen. „Wir haben zum Glück die Möglichkeit, ihn einzuteilen, wenn wir kleinere Veranstaltungen machen möchten“, erklärt Bert. Denn der Ursprungsgedanke des Panorama-Vereins, Nachwuchs-Bands eine Plattform zu bieten, soll unbedingt weiter bestehen.

Derzeit herrscht noch eine große Baustelle auf dem Areal in Bulach. Riesige Wände wurden von einer Fachfirma bereits in der Halle hochgezogen. Am Tag meines Besuchs sind außerdem viele Ehrenamtliche da, die die Wände bunt streichen. Auch ein Kicker steht bereits im P8-Bereich. In einem großen Raum liegen Requisiten des Theaterkollektivs „Die Sippe“, das dort schon Aufführungen hatte.

Panoramaverein I P8 I Karlsruhe

„Für das gesamte Projekt in der Schauenburgstraße 5 wird es einen eigenständigen Namen geben – die Entscheidung für einen bestimmten ist aber noch nicht final gefallen“, sagt Bert. Der Veranstaltungsort für die Konzerte und Lesungen wird weiterhin den Namen „P8“ haben.

„Wir hoffen, dass wir bald eine Genehmigung bekommen, um zumindest kleine Veranstaltungen organisieren zu dürfen“, erzählt er weiter. Vielleicht ist es im März schon so weit.

Da aber auch noch eine Brandmeldeanlage installiert werden muss, wird die große, offizielle Eröffnung erst bei einem gemeinsamen Festival mit dem interdisziplinären Verein „Die Anstoß“ von 24. bis 26. Juni gefeiert – mit Konzerten, Lesungen und Workshops.

Panoramaverein I P8 I Karlsruhe

„Love Music, Hate Racism”

Am Ende unseres Treffens führt mich Bert nochmals durch den gesamten Industriebau. Zeigt mir den Backstagebereich, die große Gemeinschaftsküche und Ateliers, die an diesem Tag zugänglich sind.

„Uns ist es ein großes Anliegen, dass wir uns auch politisch verorten“, sagt er zum Schluss und zeigt auf das Schild, das mir bereits bei meiner Ankunft auffiel. Ein Künstler hat es auf den zwei Seiten unterschiedlich besprüht. „Love Music, Hate Racism“ ist vom Hof aus zu lesen. Es ist so das Letzte, was ich an diesem Tag auf dem Areal der Schauenburgstraße 5 sehe.

Ich freue mich auf ein Wiedersehen.

Spenden für das P8

Wer das P8 mit Spenden unterstützen möchte, kann unkompliziert über Paypal spenden an @P8Panorama.

Hier gibt es weitere Infos zum P8 und Spenden.

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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