Filmkritik: “Glaube”
Liebe – Glaube – Hoffnung: die Trilogie von Ulrich Seidl
Der österreichische Regisseur Ulrich Seidl hat mit seiner Paradies-Trilogie drei Filme geschaffen, die provokanter kaum sein könnten und das Maß des Erträglichen mehrmals überschreiten. Trotzdem sind sie sehr empfehlenswert.
Anstrengende Bilder über Sextourismus
Sex-Tourismus in Afrika: Mit dem ersten Teil „Liebe“ wurde ich im vergangenen Jahr in der Sneak Preview konfrontiert. Er handelt von einer in die Jahre gekommenen Österreicherin, die nach Kenia fliegt und dort mit jungen Männern schläft. Das wird so detailreich gezeigt, dass sich ein männliches Mitglied unserer Sneak-Gruppe schrecklich bedrängt fühlte und noch während des Films fluchtartig den Saal verließ.
Der Film ist in der Tat sehr anstrengend und aufwühlend, gleichwohl sehr interessant und zeigt einen erbarmungslosen Blick auf die Sexsafari weißer Frauen.
Immer mit der Marienstatue unterwegs
Nun befasste ich mich mit dem zweiten Teil der Trilogie: „Glaube“. Im Mittelpunkt steht die Röntgenassistentin Anna Maria, eine Frau, die sich dem Katholizismus verschrieben hat und einer sektenähnlichen Glaubensgemeinschaft angehört. Sie treibt es dabei so weit, dass sie sich mit einer Peitsche selbst geißelt und auf ihren Knien so lange über den Boden rutscht, bis sie blutet. Außerdem stellt sie nachts mit einem Kreuz kuriose Dinge unter der Decke an.
Tagsüber ist Anna Maria meist mit einer Marienstatue unterwegs und versucht Heiden zu bekehren. Dabei gibt sie alles, wirkt streckenweise so realitätsfern und in einem Wahn, dass ich sprachlos vor dem Fernseher saß. Besonders dann, als sie versucht, eine alkoholisierte und spärlich angezogene Frau aus der ehemaligen Sowjetunion zum Glauben zu bringen – das ist grotesk und tut fast schon weh.
Ein FIlm, der einen an die Grenzen bringt
Anna Marias Welt gerät völlig aus den Fugen, als ihr Mann plötzlich wieder bei ihr einzieht. Er ist Ägypter, Muslim und nach einem Unfall querschnittsgelähmt. Was genau in der Vergangenheit passierte, das wird nicht thematisiert. Deutlich wird nur, dass Anna Maria wenig darüber begeistert ist, dass er wieder da ist Sie lehnt körperliche Nähe komplett ab und zeigt sich ihm gegenüber kalt und unnahbar. Nächstenliebe – Fehlanzeige. Es entsteht zwischen dem Ehepaar ein Kleinkrieg, der in Handgreiflichkeiten und Bösartigkeiten endet.
„Glaube“ ist wie „Liebe“ ein Film, der einen als Zuschauer fordert und an die Grenzen treibt. Den ersten Teil fand ich dabei einen Ticken besser. „Hoffnung“ ist nun der letzte Teil der Trilogie. Die DVD liegt in den nächsten Tagen in meinem Briefkasten. Im Mittelpunkt steht ein übergewichtiger Teenager, der zum Abnehmen in ein Camp fährt. Ich bin gespannt, was mich da erwartet.
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