14. März 2020

Heimat: “Ein Abend mit CEON”

Das ist CEON. (Foto: Sebastian Heck)

CEON am Rheinhafen Karlsruhe

Es dauert nicht mehr lange, bis die Sonne an diesem Sommerabend untergeht, aber noch wirft sie ihre Strahlen auf das Wasser am Rheinhafen, lässt es glitzern und funkeln. René, aka CEON, und ich sitzen mit dieser Aussicht auf einer Bank und sehen den Ruderern zu, die vor uns vorbei gleiten. All das ist jedoch nur Kulisse, im Mittelpunkt stehen die Worte des 33-jährigen Graffiti-Künstlers, die sich Satz für Satz in eine bewegende Geschichte verwandeln. Das Gespräch mit CEON ist eines, das lange in meinem Kopf nachhallt.

Foto: CEON

Ein bekanntes Gesicht!

CEON und ich kennen uns seit 18 Jahren. Wir gingen in derselben Kleinstadt zur Schule und begegneten uns täglich am Bahnsteig. Er fiel auf – nicht nur wegen der markanten roten Haare, er war damals schon größer als alle anderen, seine Stimme lauter und seine Geschichten unterhielten alle, die am „Schulzentrum“ sehnsüchtig auf die Stadtbahn nach Hause warteten. Das Sprühen von bunten Schriftzügen: schon zu dieser Zeit untrennbar mit ihm verbunden. CEON war bekannt in Bretten, setzte sich bereits mit 15 Jahren beim Gemeinderat dafür ein, dass die Wände der Sporthalle legal verschönert werden dürfen.

Farbe in den grauen Alltag

„Mit dem Zeichnen habe ich als Kind viel Zeit verbracht – vor allem wenn ich Hausarrest hatte“, erzählt er mir dann und muss grinsen. Was damals oft der Fall war: „Bei mir war es ein bisschen wie bei Michel aus Lönneberga, der nach Streichen immer im Schuppen Holzfiguren schnitzte“, fügt er hinzu und lacht dann erneut. Kein einfaches Kind war er, räumt der 33-Jährige ein und beginnt zu erzählen, selbstreflektiert von Dingen, die in seiner Kindheit und Jugend drunter und drüber gingen, die ihn aber stark prägten und letztlich seinen Weg als Graffiti-Künstler mitbestimmten.

CEON beim Happiness-Festival. (Foto: Sebastian Heck)

Viel zu tun

Bei allem auf und ab: Mit seiner Arbeit lief es von Anfang an gut, sein Weg war gradlinig, ging kontinuierlich nach vorne. Die Konsequenz: Sein Terminkalender ist heute voll. Jüngst tobte er sich mit seinen Dosen in der Straßburger Innenstadt aus, war beim Uni-Fest auf dem KIT-Gelände oder beim Happiness-Festival nahe Pforzheim. Er brachte bunte Formen und Linien in Einklang mit der Umgebung, achtete auf Symmetrie und Farbharmonie, stets mit Fokus auf winzige Details.

Soziale Arbeit mit jungen Menschen

„Das freie Sprühen ist eins von drei Standbeinen, die ich derzeit habe“, erläutert er mir dann. Einen weiteren Teil seiner Arbeitszeit verbringt er mit sozialer Arbeit an Schulen, Jugendhäusern oder an einem Bildungscampus in Heilbronn als freier Dozent. So leitete er beispielsweise zehn Jahre lang an einer weiterführenden Schule eine Graffiti AG. „Eine tolle Erfahrung“. resümiert er.

Foto: CEON

Mathe!

Und dann gibt es noch das dritte Standbein, das CEON selbst als seinen „industriellen Ansatz“ bezeichnet. Damit meint er seine Auftragsarbeiten und Live-Performances für Unternehmen und Institutionen – wie für Mercedes, BMW oder Siemens. „Damit kann ich mir meinen Lebensunterhalt finanzieren und Freiräume für künstlerische Projekte schaffen“, sagt der 33-Jährige. Ein Vorteil der Projekt-Vielfalt: “Während in der Schule Mathe nie mein Ding war, hat mich die Selbstständigkeit dazu gezwungen, mich mit Zahlen und BWL auseinander zu setzen”, sagt er und lacht wieder.

Fotos (3): Sebastian Heck

Arbeiten im alten Bahnhof

Seine Basis hat CEON in Weingarten. Dort stieß er vor zehn Jahren zufällig auf das alte Bahnhofs-Gebäude, erkannte das Potenzial, nahm Kontakt zur Deutschen Bahn auf – und bekam den Zuschlag. Dort hat er nun genug Platz, um von zu Hause aus zu arbeiten und Dinge vorzubereiten. „Ich muss nicht mitten in der Stadt wohnen“, betont er. Die Ruhe in Weingarten tut ihm gut, ein Kiosk hat er direkt vor der Tür, einen Supermarkt nebenan und die Bahnhaltestelle ist nur wenige Meter entfernt. „Das reicht, mehr brauche ich nicht“, sagt er.

Foto: CEON

Mit Tiefgang!

CEON steht für Chamäleon, für Anpassung. „Ich möchte, dass sich meine Arbeiten harmonisch in die Umgebung einfügen“, erklärt er. Auch René tut das inzwischen. Während er in seiner Jugend noch überall auffiel, ist er heute zwar immer noch groß und eine Erscheinung, seine Worte sprudeln außerdem nach wie vor aus ihm heraus – aber sie sind leiser, tiefgründiger und voller Wärme.

Es dauert nicht mehr lange, bis die Sonne an diesem Sommerabend untergeht, aber noch wirft sie ihre Strahlen auf das Wasser am Rheinhafen, lässt es glitzern und funkeln.

Mehr Informationen zu

CEON: instagram.com/ceon_jpp/ und ceon-art.com
Sebastian Hecksebastianheck.com
facebook.com/SebastianHeckPhotography/?fref=ts

Foto: CEON

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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