8. Januar 2020

Heimat: “Ein Mittag mit Maurice Moel”

Maurice Moel umreiste die Welt mit der Schreibmaschine

Maurice Moel lag gemütlich in einer Hängematte auf dem Schiffsdeck, als er den Amazonas überquerte. Tagelang tuckerte er mit dem Dampfer über das Wasser – umrahmt von einer dicht bewachsenen Dschungellandschaft. Moskitos schwirrten nachts um den Reisenden, fanden jedoch keinen Weg durch das Netz, das ihn sicher schützte.

Der Poet war zu diesem Zeitpunkt völlig frei. Kein Smartphone, mit dem er Kontakt zu seiner Familie nach Deutschland halten konnte, kein Bankkonto, auf dem sein Geld lag. Alles, was er besaß, hatte er bei sich, gut verstaut in einem großen Rucksack, auf den er immer gut aufpasste.

Fünf Jahre ist die Amazonasüberquerung nun her – es ist nur ein Ausschnitt aus Maurice Moels siebenjähriger Weltumrundung. „Es war eine faszinierende Erfahrung“, erzählt mir der heute 35-Jährige, als wir uns vor wenigen Tagen in einem Café in der Karlsruher Südweststadt treffen. Mit seinem schwarzen Hut sticht er sofort aus der Masse heraus, ein geflochtenes, buntes Band ziert seinen schmalen Arm, über sein blaues T-Shirt hat er eine locker sitzende Weste mit Kapuze gezogen. Maurice Moel ist ein Weltenbummler, der ein wenig zart sowie zerbrechlich aussieht – als hätte er viel erlebt.

Seit drei Monaten ist er nun zurück in der Fächerstadt, unter anderem um sein Buch zu promoten, das im Brot & Kunst Verlag erschienen ist. „typewrite the world: episode eins“ heißt es und ist eine Dokumentation seines Trips. Am 13. Januar liest Maurice Moel im Kulturraum Kohi in der Südstadt daraus vor. Einlass ist um 19.30 Uhr.

Gründer der Bento-Lesebühne

Brasilien, Kolumbien, Panama, Haiti, Kuba, Mexiko. Viele Jahre hat Maurice Moel in Lateinamerika verbracht. Los ging es aber in Lissabon, dorthin wanderte er 2012 aus – nur mit einem Rucksack und vielen Träumen. „Ich hatte zuletzt als Erzieher in Deutschland gearbeitet“, erzählt er mir. Schon damals liebte er es, Texte zu schreiben und sie bei Poetry Slams vorzutragen, in Deutschland, aber auch im deutschsprachigen Ausland. In Karlsruhe gründete er außerdem die Lesebühne, die damals noch im Bento Café stattfand.

Raus aus Karlsruhe, rein ins Abenteuer

Doch das geregelte Leben in Sicherheit und mit den vielen Routinen erdrückte ihn. „Ich wollte mehr von der Welt sehen, andere Kulturen kennenlernen, ein Leben in Freiheit führen“, erinnert er sich. Mit seinem Rucksack zog er deshalb los, landete in der portugiesischen Hauptstadt und fand dort einen Job an der Deutschen Schule. Als er eines Tages eine portugiesische Poetin auf der Straße kennenlernte, brachte sie ihn auf eine Idee: Warum nicht Gedichte für Touristen und Einheimische schreiben?

„Nach einem Jahr im Ausland konnte ich sowohl Englisch als auch Spanisch nahezu fließend und auch mein Portugiesisch wurde immer besser“, sagt er. Es war die perfekte Ausgangsbasis, um die verschiedensten Menschen zu erreichen.

Gedichte gegen ein Trinkgeld

Mit einer Schreibmaschine, die er auf einem Flohmarkt ergatterte, setzte er sich in der Lissabonner Altstadt auf Treppenstufen und stellte ein selbstgebastetelte Schild vor sich: „poem for a tip“ stand auf der braunen Pappe. „Das Interesse war groß“, erinnert sich Maurice Moel. Bis zu 25 Euro bekam er für seine spontan verfassten und individualisierten Gedichte. Seine Finger tanzten dazu immer wieder über das nostalgische Gerät. Klickklackklickklack. Auch in der U-Bahn oder auf einem Weltmusik-Festival ließ er die Tasten nach oben und unten flitzen.

Tschüss Lissabon, hallo Lateinamerika

Nach zwei Jahren in Lissabon war es genug, es zog ihn weiter. Über den Atlantik sollte es gehen – mit dem Segelschiff nach Trinidad und Tobago. An diesem Punkt beginnt auch sein Buch. Es ist Herbst 2014 und Maurice Moel hat die folgenden drei Jahre in „typewrite the world: episode eins“ auf verschiedenste Weise dokumentiert: mit Fotos, Reiserouten, Tagebuch-Einträgen, Konversationen mit Freunden und natürlich Gedichten. Alle Texte sind Original-Dokumente. „Ich habe sie damals auf der Schreibmaschine geschrieben und später eingescannt“, beschreibt Maurice Moel. Das Ergebnis: authentisch, roh, ohne Lektorat. Die Beiträge handeln von den Herausforderungen sowie Schwierigkeiten der Reise und von den guten Erfahrungen, die er mit den Einheimischen machte.

Grundvertrauen entwickelt

„Die sieben Jahre auf der Reise haben mir persönlich unwahrscheinlich viel gebracht“, fasst er zusammen. Vor allem Grundvertrauen und Zuversicht. „Ich habe gelernt, dass es im Leben immer wieder auf und ab geht“, resümiert der Poet. Und dass nach jedem Tief eben auch wieder ein Hoch kommt. Er erinnert sich beispielsweise an Tage, an denen er stundenlang in der Gluthitze an staubigen Straßen stand und auf ein Auto wartete, das ihn zum nächsten Ziel mitnimmt. “Ich hatte immer Glück, ich wartete nie umsonst und wurde oft mit tollen Gesprächen belohnt.”

Viel Kontakt mit Einheimischen

Auch die Arbeit auf Kaffee- oder Kakaoplantagen in Mexiko und Kolumbien bereicherten ihn. „Dadurch habe ich das ursprüngliche Leben und viele Einheimische kennengelernt“, erinnert er sich. Seine Wertschätzung für die kleinen Dinge im Leben ist dadurch ins Unermeßliche gestiegen. Was brauche ich tatsächlich zum Leben? „Ganz wenig“, fasst er zusammen.

Weitere Teile seines Reiseberichts folgen

Der erste Teil seines Buchs endet im Jahr 2017, als der Poet von der Karibik in Mittelamerika ankommt. „Es wird noch weitere Ausgaben geben“, erklärt er mir. Nun ist er aber erstmal zurück in Karlsruhe und möchte auch für einige Zeit bleiben. „Ein Grund für meine Rückkehr ist meine Familie“, betont er. Außerdem will er gemeinsam mit seinem Verlag sein Buch promoten und Lesungen geben.

Ob er nochmals losziehen möchte, frage ich ihn gegen Ende unseres Gespräch. „Auf jeden Fall“, sagt Maurice Moel. Wohin es dann gehen soll, wisse er gerade noch nicht. Für ihn ist aber grundsätzlich eines klar geworden: „Das Leben ist eine Reise, egal wo ich mich gerade befinde.“

Weitere Infos zu Maurice Moel gibt es auf seiner Webseite.

(Visited 515 time, 1 visit today)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

Newsletter abonnieren
Etwas verloren?
Vergangenes
Facebook
Instagram
Instagram@miriam_steinbach