Netflix-Serie: “Ginny & Georgia”
Kritik von „Ginny & Georgia“: kaputter als die “Gilmore Girls” – Staffel 1 und 2
„Wir sind wie die Gilmore Girls, nur mit größeren Brüsten“, sagt Georgia (Brianne Howey) in der ersten Folge von „Ginny & Georgia“ zu ihrer Tochter Ginny (Antonia Gentry). Für mich ist das nicht der einzige Unterschied: Sie sind rauer, kaputter und dadurch so viel interessanter als Lorelai und Rory.
Während die „Gilmore Girls“ bei ihrer TV-Strahlung Anfang der 2000er-Jahre komplett an mir vorbeirauschten, gab ich ihnen vor zwei Jahren auf Netflix nochmals eine Chance. Die erste Staffel fand ich zwar ganz nett, in der zweiten flog ich aber raus. Der Spannungsbogen um das Kleinstadtleben in Stars Hollow war mir auf Dauer zu schwach.
Ganz anders ergeht es mir mit „Ginny & Georgia“ und ihren Geschichten aus Wellsbury. Schon nach fünf Minuten der ersten Staffel wusste ich: Diese Serie mag ich, diese Charaktere sind facettenreich und spannend. Nun ist die zweite Staffel erschienen.
Das schönste Teenie-Liebespaar seit Claire Danes und Jared Leto
Sowohl die erste als auch zweite Staffel habe ich innerhalb weniger Tage auf Netflix geschaut, saß wie festgeklebt auf der Couch vor dem Fernseher, weil ich unbedingt wissen wollte, was mit Ginny und Marcus passiert . Mit dem für mich schönsten Teenie-Liebespaar seit Claire Danes und Jared Leto in „Willkommen in Leben“.
Neuanfang in Wellsbury
Im Mittelpunkt von „Ginny & Georgia“ steht die 30-jährige allerziehende Mutter Georgia mit ihren beiden Kindern Ginny und Austin (Diesel La Torraca). Während Ginnys Vater der afroamerikanische Fotograf Zion (Nathan Michell) ist, stammt Austin von dem weißen Gil (Aaron Ashmore), der zunächst im Gefängnis sitzt.
Nach dem Tod ihres letzten Ehemanns Kenny steigt Georgia in ihren Cabrio und düst mit ihren Kindern in das kleine beschauliche Städtchen Wellsbury, in dem viele reiche Familien leben. Es ist ein Neuanfang.
Doch so einfach ist das neue Leben in Wellsbury nicht. Georgia wickelt zwar schnell den beliebtesten Junggesellen der Stadt, den Bürgermeister, um den Finger, hat aber eine düstere Vergangenheit, die sie wieder einholt.
Auch Ginny hat es nicht leicht. Zwar gründet sie mit Maxine (Sara Waisglass), Abby (Katie Douglas) und Nora (Chelsea Clark) die Mädchen-Crew MANG. Doch kämpft sie mit ihrem rassistischen Englischlehrer und ihren Gefühlen. Denn Ginny steht in der ersten Staffel zwischen zwei Jungs: zwischen Maxines zunächst unnahbar erscheinendem Zwillingsbruder Marcus (Felix Mallard) und ihrem netten Klassenkameraden Hunter (Mason Temple).
Tiefgründige Figuren
Was ich an „Ginny & Georgia“ so gerne mag? Es ist vor allem die Tiefgründigkeit der Figuren. Sie sind weder nur gut oder nur böse, sondern haben alle ihre Stärken und Schwächen. Manchmal sind sie liebenswert und stark, dann wieder schwach und selbstsüchtig, an anderen Stellen verletzlich. Dadurch spiegeln sie realistisch wider, wie kompliziert das Miteinander im echten Leben oft ist.
Diverse und zeitgemäße Serie
„Ginny & Georgia“ ist außerdem so zeitgemäß, wie eine Serie derzeit nur sein kann. Die Schauspieler*innen sind divers. Ginnys Vater ist dunkelhäutig und Hunters Vater kommt aus Taiwan. Es gibt immer wieder Szenen, in denen Alltagsrassismus deutlich wird. Maxines und Marcus Vater ist taub – die Familie kommuniziert deshalb in Gebärdensprache miteinander.
Außerdem zeigt die Serie durch Ginny und Hunter auf interessante Weise, wie schwierig es für Heranwachsende bei ihrer Suche nach Identität ist, mixed zu sein – und wie unterschiedlich sie damit umgehen.
Vor allem in der zweiten Staffel spielt Ginnys Schwarze Familie eine größere Rolle. Dabei werden aber keine Stereotypen bedient. Es sind ihre Schwarzen Großeltern, die sehr gebildet sind, und ihre weiße Familie, die von Armut und Gewalt betroffen ist.
Wie eine Zeitreise!
Besonders berührt hat mich das soziale Leben von Ginny. Es erinnerte mich so sehr an meine eigene Jugend und es überraschte mich, wie viele Dinge heute noch so sind, wie Ende der 1990er- und Anfang der 2000er.
Auch ich hatte damals eine Mädchen-Crew, die einen eigenen Name hatte, wir verbrachten unwahrscheinlich viele Abende auf Partys, hatten Liebeskummer, standen uns bei. Dieses Gefühls-Wirrwarr der Jugendzeit bringt „Ginny & Georgia“ unglaublich gut rüber. Es ist für mich wie eine Zeitreise.
Viele mentale Probleme
Aber auch Georgias Geschichte ist spannend, je mehr Bruchstücke aus ihrer Vergangenheit aufblitzen, desto mehr fügt sich ein Bild von dem zusammen, was die Mutter alles tut, um ihre Kinder zu beschützen.
Jedoch zeigt sich vor allem in der zweiten Staffel, wie sehr ihre Kinder unter Georgias Verhalten leiden. Generell sind die neuen Folgen düsterer und schwerer geworden – besonders was die mentale Gesundheit betrifft. Ginnys selbstverletzendes Verhalten wird noch stärker thematisiert als in der ersten Staffel. Dazu spielen Panikattacken, Essstörungen und Depressionen eine Rolle.
Indem Ginny aber eine Therapie beginnt, werden auch Hilfestellungen aufgezeigt – was “Ginny & Georgia” eventuell wertvoll macht für Menschen, die selbst psychische Probleme haben.
Viele popkulturelle Referenzen auch in Staffel 2
Besonders durch die zweite Staffel lässt sich für mich die Serie aber in kein Genre mehr einordnen. Das Drama um Georgia und ihr Verhalten ist ein Handlungsstrang, der für mich unvergleichbar mit anderen Serien ist.
Im Gesamten finde ich auch die zweite Staffel gelungen – trotz der Schwere. Vor allem die vier letzten Folgen sind spannend. Unbedingt wollte ich wissen, was passiert und wurde nicht enttäuscht. Die Staffel endet mit einem Knall.
Außerdem sind die Dialoge wieder witzig und viele Pop-Stars sowie andere Serien werden auf die Schippe genommen. Es macht Spaß, zuzuhören. Und die Serie geht sehr sensibel mit ihren Figuren um, zeigt starke und unabhängige Frauen, die für ihr Glück kämpfen, dabei hinfallen, Fehler machen, wieder aufstehen.
Dritte Staffel von “Ginny & Georgia”
Ob es eine dritte Staffel von “Ginny & Georgia” geben wird, ist derzeit noch nicht bestätigt. Aber das dramatische Ende der letzten Folge schreit förmlich danach. Was wird vor allem mit Georgia passieren? Wie steckt Austin das ganze Drama weg? Und wie geht es mit Ginny und Marcus weiter? Es gibt so viele Fragen, die auf Antworten warten.
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Den Knall am Ende der Staffel 2 finde ich zu knallig. Es müsste ja so sein, dass in der extrem kurzen Zeit in welcher der Privatdetektiv seinem Freund alles über Georgia erzählt hat und dem Eintreffen der Polizei 100%, Beweise für Morde sicher sind. Ansonsten würde niemals ein Bürgermeister so behandelt werden. Also alles in den 20 Folgen fand ich realitätsübertrieben aber realitätsmöglich oder auch absolut realiststisch und wirklich geil. Aber nicht den Schluss der 2. Staffel.
Ja, ich verstehe, was du meinst. Für mich hatte die Serie auch schon in der ersten Staffel Logikfehler. Aber ich finde die Handlung trotzdem spannend, sehe über diese Fehler gerne hinweg, weil ich die Serie im Gesamten sehr mag.