11. März 2025

Buchkritik: „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ von Joachim Meyerhoff

„Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ von Joachim Meyerhoff

Es ist definitiv Großmutter Inge, die der absolute Star ist in Joachim Meyerhoffs Roman „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“. Die ältere Dame strotzt nur so voller Theatralik und Eleganz. Mit einem bedeutungsschwangeren „Mooooahhhhh“ kommentiert sie die belanglosesten Dinge – wie den Brie beim Abendessen. Die Aufmerksamkeit hat sie damit allemal. Einer ihrer Ticks ist es auch, bei „Oh Gott“ die beiden „tt“ deutlich auszusprechen.

“Sie sagte nicht ,Gott’, sondern ,Got-t“ (…) „Alles hatte Bedeutung und es gab einem das gute Gefühl, dabei sein zu dürfen, wenn sie redete.”

So ist es keine große Überraschung, als sich von Kapitel zu Kapitel deutlicher herausstellt, wer genau die Großmutter von Joachim Meyerhoff ist. Es ist Inge Birkmann, eine renommierte Schauspielerin, die an den großen Theatern Deutschlands auf der Bühne stand und auch im Fernsehen zu sehen war – unter anderem in „Derrick“ oder „Der Alte“.

Mit ihrem Mann Hermann Krings, einem emeritierten Professor der Philosophie, bewohnt die Diva eine prächtige Villa in der Nähe des Nymphenburger Parks. Dorthin zieht Joachim Meyerhoff nach dem Abitur, weil er zunächst seinen Zivildienst in München absolvieren will, dann aber kurzfristig eine Zusage für die Otto-Falckenberg-Schauspielschule in der bayerischen Stadt erhält.

Es ist ein Spagat zwischen zwei Welten: den freigeistigen Kreativen und den kultivierten, großbürgerlichen Senioren. Wie es ihm damals, Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre erging, daran erinnert sich Joachim Meyer in seinem autobiografisch geprägten Werk sehr amüsant und einfühlsam.

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24. Februar 2025

Buchkritik: “Die Zeuginnen” von Margaret Atwood

"Die Zeuginnen" von Magaret Atwood

Buchkritik: “Die Zeuginnen” von Margaret Atwood: sehr unterhaltsam, aber ohne Überraschung

Wie stürzt man einen totalitären Staat? Diese Frage wurde der Autorin Margaret Atwood unzählige Male gestellt, nachdem sie 1985 ihren preisgekrönten Bestseller „Der Report der Magd“ veröffentlicht hatte. 2017 erhielt sie dafür den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Die Frage hat nichts von ihrer Brisanz verloren. Im Gegenteil: Die große Zeit der Demokratien scheint vorbei, autoritäre Herrscher beherrschen die Schlagzeilen.

In „Die Zeuginnen“ gibt Margaret Atwood nun eine Antwort darauf. Sie schreibt in einem Nachwort dazu:

„Totalitäre Staaten können von innen heraus anfangen zu bröckeln, wenn sie die Versprechen, die sie an die Macht gebracht haben, nicht halten. Oder sie werden von außen angegriffen. Oder beides.“

Wie das konkret aussehen kann, erzählt sie in „Die Zeuginnen“ anhand von drei Protagonistinnen, die ganz unterschiedliche Perspektiven auf den fiktiven Staat Gilead haben. Das ist immer noch spannend und unterhaltsam, aber nicht mehr ganz so revolutionär wie die Geschichte im Vorgängerbuch.

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9. Februar 2025

Buchkritik: “Book Lovers” von Emily Henry

Buchkritik: "Book Lovers" von Emily Henry

Rezension von “Book Lovers”: ein kurzweiliger Liebesroman mit (zu) viel Kitsch für graue Wintertage

Dass mich „Book Lovers – Die Liebe steckt zwischen den Zeilen“ an meine Kitschgrenze bringen würde, wusste ich schon, als ich das Buch in meiner Lieblingsbuchhandlung bestellte. Schließlich bewirbt der Verlag den Roman damit, dass eine „Enemies to Lovers“-Geschichte die Herzen der Leser*innen dahin schmelzen lässt. Wer zweifelt da noch daran, dass es sich um romantische Unterhaltungsliteratur für Frauen handelt?!

Eigentlich mache ich einen großen Bogen um solche Bücher. Trotzdem wollte ich Book Lovers” lesen – wegen des Hypes um die Autorin Emily Henry. Sie hat Kreatives Schreiben studiert und wird in den USA von vielen Frauen für ihre eingängigen Liebesromane gefeiert. Jedes Jahr bringt sie ein neues Werk heraus, die Nummer 1 der New York Times Bestsellerliste ist ihr stets damit sicher. Ich war neugierig. Warum ist sie so erfolgreich?

Ist es einfache Unterhaltung mit vorhersehbarer Handlung oder wird mich Emily Henry überraschen? Gespannt begann ich „Book Lovers“ zu lesen.

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11. Januar 2025

Buchkritik: „Fegefeuer” von Sofi Oksanen

„Fegefeuer" von Sofi Oksanen

Fegefeuer” von Sofi Oksanen: poetisch und spannend wie ein Krimi

Es war ein riesiger Bestseller in Skandinavien: Als „Fegefeuer“ 2008 erschien, entwickelte sich das Buch zum absoluten Verkaufsschlager. Die finnisch-estnische Autorin Sofi Oksanen erhielt dafür unter anderem den Nordischen Buchpreis. Mittlerweile wurde der Roman in 38 Sprachen übersetzt und auch als Theaterstück adaptiert.

Bei mir lag „Feuerfeuer“ trotzdem fast zehn Jahre zu Hause auf meinem Stapel ungelesener Bücher – und rutschte immer weiter nach unten. Vielleicht lag es an dem eher unappetitlichen Cover mit der großen Schmeißfliege oder an dem unpräzisen Text auf der Rückseite, aber irgendwie schienen mir andere Romane immer interessanter.

Dann kam mir die Autorin Sofi Oksanen wieder in den Sinn, als sie 2023 das Buch „Putins Krieg gegen die Frauen“ veröffentlichte und „Die Zeit“ groß darüber berichtete. Ich schob „Fegefeuer“ auf meinem Bücherstapel nach oben, las es endlich – und bin sehr positiv überrascht.

Der Roman ist spannend wie ein Krimi, sehr poetisch geschrieben und bringt den Leser*innen viel Wissenswertes über das Leben in Estland zwischen 1940 und 1993 näher.

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4. Januar 2025

Buchkritik: “Auf Erden sind wir kurz grandios” von Ocean Vuong

"Auf Erden sind wir kurz grandios" von Ocean Vuong

Kritik von “Auf Erden sind wir kurz grandios”: Ein Buch, das tiefe Spuren hinterlässt!

Poetische Sätze treffen auf gewaltvolle Erinnerungen: Es ist eine Achterbahn der Gefühle für mich, „Auf Erden sind wir kurz grandios“ von Ocean Vuong zu lesen. Der Roman ist ein Brief, den ein Sohn an seine Mutter schreibt – einer Analphabetin. Sie wird ihn nie lesen können.

Der Brief dient vielmehr als Selbstermächtigung für den Verfasser, es ist ein Aufarbeiten des Geschehenen, ein Erinnern, Verstehen und Reflektieren. Das Besondere: Der Brief ist voller Gegensätze: Während die Sprache liebevoll gewählt, an vielen Stellen sehr zart und fragil ist, erschüttert der harte Inhalt.

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30. Dezember 2024

Buchkritik: „Demon Copperhead“ von Barbara Kingsolver

„Demon Copperhead“ von Barbara Kingsolver

„Demon Copperhead“ von Barbara Kingsolver: ein Diamant in Literaturform – eine Rezension

Es gibt Bücher, die sind wie die Nadel im Heuhaufen. Sie sind so schwer zu finden, aber wenn man sie endlich in der Hand hält, ist es ein unwahrscheinliches Glück. Nachdem ich etwa ein Drittel von „Demon Copperhead“ gelesen habe, bin ich mir absolut sicher, solch einen Diamanten in literarischer Form gefunden zu haben. Dieses besondere Gefühl hält sich hartnäckig bis zum Ende der rund 860 Seiten und verschwindet auch danach nicht.

Barbara Kingsolvers Roman schafft es, mich so zu berühren, dass ich beim Lesen emotional regelrecht durch die Höhen und Tiefen im Leben ihres Protagonisten Demon geschleudert werde. Doch egal, wie bedrückend die Geschichte gerade ist, ich kann das Buch nicht mehr aus der Hand legen. So sehr bin ich die Handlung hineingezogen, dass ich unbedingt wissen muss, wie es weitergeht. Ähnlich ging es mir zuletzt nur bei „Ein wenig Leben“. Völlig verständlich hat „Demon Copperhead“ 2023 den renommierten Pulitzer-Preis erhalten.

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21. Dezember 2024

Buchkritik: „Echtzeitalter“ von Tonio Schachinger

Buchkritik: „Echtzeitalter“ von Tonio Schachinger

Rezension von “Echtzeitalter”: sperrige Sätze gepaart mit viel Witz

Ein Coming-of-Age-Roman, der größtenteils in einem Wiener Internat spielt und dessen Protagonist seine Zeit lieber mit Computerspielen als mit Schulbüchern verbringt – das klingt grundsätzlich sympathisch und interessant. Ist es auch. Wäre da nur nicht die etwas sperrige Sprache, mit der Tonio Schachinger seinen Erfolgsroman „Echtzeitalter“ geschrieben hat. Dafür hat er 2023 den Deutschen Buchpreis erhalten. Allein den ersten Satz musste ich aber zweimal lesen, um ihn vollständig zu erfassen. Ein gelungener Einstieg sieht definitiv anders aus.

Neugierig? Hier kommt er:

„Sieht man diesen Ort zum ersten Mal, das Schloss mit schönbrunnergelben Fassade und der abbröckelnden graugelben Rückseite, den Park mit seinen Wiesen und Sportplätzen, seinem bewaldeten Hügel und seiner Grotte, dann ist die Mauer, die ihn umgibt und deren Höhe je nach Steigung der Argentinier- und Favoritenstraße zwischen zwei und vier Metern schwankt, wahrscheinlich das Letzte, was einem auffällt.“

Ich stöhnte also schon auf der ersten Seite, legte das Buch aber trotzdem nicht weg. Und eins sei jetzt schon verraten: Es bleibt sprachlich anstrengend, aber: Tonio Schachinger erzählt seine Geschichte mit so viel Witz und Esprit, dass ich das Buch trotzdem zu Ende las und dabei auch noch Spaß hatte.

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16. November 2024

Buchkritik: „Lügen über meine Mutter“ von Daniela Dröscher

„Lügen über meine Mutter“ von Daniela Dröscher

Rezension: „Lügen über meine Mutter“ – über die typische Unterdrückung einer Frau in den 1980er-Jahren

Noch während ich „Lügen über meine Mutter“ von Daniela Dröscher lese, hämmert vor allem ein Gedanke immer wieder in meinem Kopf: „Zum Glück ist es für Frauen in den vergangenen 40 Jahren so viel leichter geworden, ein emanzipiertes Leben zu führen – was für ein Privileg hat meine Generation“.

Auch die Autorin schreibt:

„Immer wieder muss ich mir klarmachen, wie ungewohnt es für Frauen damals noch gewesen sein muss, ein eigenes Konto zu sitzen. Ebenso neu war es, einen Beruf wählen zu können, einen, der nicht von den Eltern ausgesucht, oder eine Stelle anzutreten, die nicht einfach vom Ehemann gekündigt werden konnte. Erst seit 1977, dem Jahr meiner Geburt, erhielten Frauen dieses Recht auf Selbstbestimmung.“

Daniela Dröscher blickt in ihrem Roman zurück auf ihre eigene Kindheit in einem typischen westdeutschen Dorf in den 1980er-Jahren. Was sie erzählt, kommt mir so bekannt vor, dass ich beim Lesen kaum stoppen kann. Ich verschlinge das Buch innerhalb weniger Tage, weil ich das Geschriebene so treffend und spannend finde.

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15. November 2024

Buchkritik: „Mädchen, Frau, etc.“ von Bernadine Evaristo

„Mädchen, Frau, etc.“ von Bernadine Evaristo

Rezension: Eines der wichtigsten Bücher der Gegenwart ist „Mädchen, Frau, etc.“

Es ist der Tag der großen Premiere: Amma ist auf dem Weg zum „National Theatre“ in London, wo am Abend ihr Stück „Die letzte Amazone von Dahomey“ zum ersten Mal aufgeführt wird. Es ist ein Meilenstein im Leben der Regisseurin. In ihren 50ern ist sie nun, Jahrzehnte des Kämpfens liegen hinter ihr.

Homosexuell, dunkelhäutig, allerziehend, weiblich: Amma verkörpert gleich mehrere Eigenschaften, die für eine Karriere in der Upperclass wenig förderlich sind. Ihr Weg zum angesehenen Theater: keineswegs gradlinig.

Vom Traum, selbst Schauspielerin zu werden, verabschiedet sie sich in den 1980er-Jahren, als sie bemerkt, wie wenig Rollen sie als Frau mit nicht-weißer Hautfarbe überhaupt spielen darf.

Resigniert davon, wechselt sie die Seiten, schreibt eigene Stücke, baut mit ihrer Freundin Dominique eine Theatertruppe auf, mit der sie viele Jahre durch England touren, in Bibliotheken und Stadtteilzentren auftreten. Später macht Amma sich alleine selbstständig.

Nun ist also die große Premiere am „National Theatre“, sieben Kaffee hat sie bereits getrunken, die Aufregung ist groß. Wird alles gut gehen?

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11. November 2024

Buchkritik: “Wellness” von Nathan Hill

Buchkritik: "Wellness" von Nathan Hill

Rezension von “Wellness”: ein toller Roman über die Themen unserer Zeit

Als ich zum ersten Mal von „Wellness“ hörte, wusste ich sofort: Dieses Buch muss ich haben. Ein Gesellschaftsroman à la Jonathan Franzen, der verschiedene Jahrzehnte erfasst und anhand seiner Protagonist*innen die wichtigen Fragen unserer Zeit verhandelt.

Konkret: Wie bleibt die Liebe nach vielen Jahren lebendig, wenn die erste Romantik verflogen ist, die Frau beruflich erfolgreicher ist als der Mann und ein Kind enorme Energien bindet? Helfen dann polyamore Abenteuer und Achtsamkeitsseminare? Und sind Tracking-Armbänder wirklich eine gute Idee, um sein Leben im Griff zu behalten?

All das bringt der amerikanische Autor Nathan Hill in seinem Werk „Wellness“ auf unglaublich unterhaltsame und kluge Weise zusammen. Obwohl der Roman fast 800 Seiten umfasst, habe ich mich keine Sekunde gelangweilt und hätte gerne noch ein paar Kapitel weitergelesen. Die stolzen 28 Euro für die Hardcover-Ausgabe habe ich keine Sekunde bereut.

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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