17. April 2024

Buchkritik: “Zuleika” von Bernardine Evaristo

"Zuleika" von Bernadine Evaristo

“Zuleika” von Bernardine Evaristo: Latein trifft auf Jugendsprache

„Ist das ‘ne Göre? Ein Gespenst? Ein Glamour-Girl?
Eine Grande Dame? Nope, das ist Zuky, meine BFF!

„Wie geht’s denn immer, Darlin?“ Venus ließ ihren
drolligen Akt erschallen, über die leeren Tische

ihrer schummrigen Bar hinweg, Mount Venus, direkt an
der Kreuzung Ludgate Hill und St. Paul’s Churchyard.

Quelle: „Zuleika“ von Bernardine Evaristo

Oha! Etwas überrascht schlage ich „Zuleika“ von Bernardine Evaristo auf und sehe, dass die Geschichte in Versform geschrieben ist. Die britische Autorin hat bereits ihren Bestseller „Mädchen, Frau etc.“ in einer Mischung aus Prosa und Versen verfasst. Es war ein großes Vergnügen, ihn zu lesen. Aber „Zuleika“ ist sprachlich definitiv radikaler.

Der Roman, der im Jahr 211 nach Christus in London (Londinium) spielt, ist bereits 2012 in Großbritannien erschienen. Erst jetzt wurde er aber ins Deutsche übersetzt.

Es dauert einige Seiten, bis ich einen Zugang zu den Versen gefunden habe. Zunächst irritiert mich, dass sich in der deutschen Übersetzung fast nie etwas rhythmisch liest. Wie das im englischen Original ist, weiß ich leider nicht.

Ein Sprachfeuerwerk!

Bernardine Evaristo hat aber ein wahres Sprachfeuerwerk geschaffen. Sowohl Zuleika als auch der Text pulsieren, funkeln und reißen mich mit.

Die Autorin kombiniert zum Beispiel lateinische Ausdrücke mit Pidgin. An manchen Stellen klingt der Roman wie ein alter Klassiker, an anderen taucht hippe Jugendsprache auf. Es macht Spaß, diese bunten Sätze zu lesen.

Als Felix mich dann wollte, war Dad selig.
Lucius Aurelius Felix höchstselbst zum Schwiegersohn!

Im Bad von Cheapside hat er mich entdeckt,
noch kaum erblüht, mein Schicksal schon besiegelt

durch einen Mann, dreimal so alt und breit wie ich,
und ich erst zarte elf – schon da fand Dad,

ich würde langsam ranzig.
Ich kam dann zu Clarissa, einer arroganten

Römer-Bitch, die mir Benimmstunden erteilte,
ich lernte reden, essen, furzen,

mein amo amas amat runterbeten und mein
Plebejer-Kreolisch in die Tonne treten.

Quelle: „Zuleika“ von Bernardine Evaristo

Um was geht es in “Zuleika”?

Zuleika und ihre Familie sind nubische Einwanderer, die im geschäftigen London ein gutes Leben führen. Ihr Vater hat sich als Kaufmann etabliert, und als ein älterer reicher Patrizier um die Hand seiner Tochter anhält, erhofft er sich davon einen gesellschaftlichen Aufstieg. Für die elfjährige Zuleika bedeutet dies das jähe Ende ihrer bis dahin weitgehend unbeschwerten Kindheit.

Affäre mit dem Kaiser

Zuleika lebt von nun an in einem goldenen Käfig und richtet sich dort ein. Sie hat zwei Dienerinnen und bekommt Poesie-Unterricht. Ab und zu geht sie ihre Freundin Alba besuchen. Auch bei der transsexuellen Venus schaut sie gerne vorbei. Sie besitzt eine erotische Bar in London und hat immer ein offenes Ohr für Liebesprobleme.

Für Zuleika ist der Sex mit Felix wenig befriedigend. Sie sehnt sich nach Romantik und echten Gefühlen – und die spürt sie, als sie Kaiser Severus bei einer Show entdeckt. Auch er sieht sie, ist verzaubert und die beiden beginnen eine leidenschaftliche Affäre – und das Drama nimmt seinen Lauf.

Anstrengend, aber etwas ganz Besonderes

Je mehr ich von „Zuleika“ lese, desto beeindruckter bin ich von Bernardine Evaristos Werk. Wie gut recherchiert die Geschichte ist, wie kreativ die Sprache. Allerdings muss ich gestehen, dass mir nach zwei Dritteln des Buches die Puste ausgeht.

Es ist auf Dauer ein wenig anstrengend, den Roman zu lesen. „Zuleika“ ist definitiv kein Buch, mit dem ich abends entspannen kann. Es ist unmöglich, den Inhalt schnell aufzunehmen. Ich muss mich bei jeder Zeile konzentrieren, vor allem dann, wenn ein Satz nicht an deren Ende, sondern mittendrin endet.

Trotzdem, ich bleibe dran und es lohnt sich: Es ist ein besonderes Leseabenteuer mit dem Schwarzen Mädchen Zuleika durch das quirlige London des Römischen Reiches zu hüpfen – und etwas ganz Außergewöhnliches!

Am Ende gibt es nochmals einen großen Knall und ich bin froh, dass ich mich von den Versen nicht habe abschrecken lassen. Aber ich bin auch erleichtert, dass Bernardine Evaristo ihre neueren Werke – wie das großartige Mr. Loverman – in Prosa verfasst hat.

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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