3. Januar 2021

Filmkritik: “Wir sind jung. Wir sind stark.”




“Wir sind jung. Wir sind stark.”: Schwere Ausschreitung in Rostock-Lichtenhagen

Aus Schwarz-Weiß wird Farbe: Bis zur 82. Minute flimmern die Bilder von “Wir sind jung. Wir sind stark.” in nur zwei Farbtönen über die Leinwand, dann werden sie plötzlich farbig. Auslöser ist ein Fernsehinterview. Ein Reporter fragt eine Gruppe rechter Jugendlicher nach ihren Träumen. Schweigen. Dann die Antworten, langsam, stockend. “Eine Wohnung und eine Frau”, sagt einer. Ein anderer: “Dass sich hier was ändert. Das kann nicht das Endziel sein.”

Was er meint: die Situation rund um das Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen. Dort befindet sich die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber. Sie ist überfüllt, viele Sinti und Roma kampieren vor dem Haus. Auch ein Wohnheim für Vietnamesen befindet sich dort. Zwischen dem 22. und 26. August 1992 kommt es rund um das Sonnenblumenhaus zu den schwersten Ausschreitungen gegen Ausländer in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

“Wir sind jung. Wir sind stark.” mit Devid Striesow und Jonas Nay in den Hauptrollen beleuchtet den 24. August 1992 – vom frühen Morgen bis zu den schweren Ausschreitungen am Abend. Das ist erschütternd, erschreckend und brutal. Aber sehr sehenswert. Der Film erhielt auch das Prädikat “besonders wertvoll”.

Innenleben einer rechtsgesinnten Clique

Ich konnte den Film nur in zwei Etappen anschauen. Zu sehr hat mich das Geschehen beschäftigt, wohl auch, weil es keine Fiktion ist, sondern Realität. Und die Ereignisse wiederholen sich leider gerade jetzt.

Der Film von Regisseur Burana Qurbani gibt einen schonungslosen Einblick in das Innenleben einer rechten Clique im Osten, zeigt, wie sich Gruppendynamiken entwickeln, wie Mitläufer Bestätigung finden, wie brutal und unbarmherzig die Mitglieder auch untereinander sind. Sie würgen sich fast zu Tode, rasieren sich die Köpfe und ritzen sich Hakenkreuze ein. Dazu aggressive Musik.

Aus Menschen werden Monster

“Wir sind jung. Wir sind stark.” zeigt aber auch, wie hilflos die Eltern zuschauen, wie wenig Einfluss sie haben. Zum Beispiel bei Stefan. Sein Vater Martin ist Bürgermeister, SPD-Mitglied, ein Demokrat. Trotzdem rutscht sein Sohn in die rechte Szene ab, wirft Molotowcocktails, peitscht den Mob vor dem Sonnenblumenhaus auf. Martin kann nur fassungslos zusehen, wie das Haus in Flammen aufgeht. Menschen werden zu Monstern.

Aktueller denn je!

Was dem Film ein wenig fehlt, sind die Ursachen. Wie konnte es soweit kommen, dass sich dieser blinde Hass unter den Jugendlichen entwickeln konnte? Dennoch ist der Film spannend, interessant und gerade in diesen Tagen aktueller denn je.

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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