4. August 2021

Flimmerkasten: “Fabian oder Der Gang vor die Hunde”

Ein außergewöhnlicher Film: „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“

Es flirrt, wackelt und die Szenen wechseln brüchig ineinander. Die ersten 30 Minuten von „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ sind anstrengend. Hätte ich das wundervolle Buch von Erich Kästner nicht gelesen, wäre es mir wohl schwer gefallen, einen Zugang zu finden. Mit solch einem experimentellen Einstieg hatte ich nicht gerechnet.

Aber: Die ungewöhnlichen Szenen faszinieren mich auch von der ersten Sekunde an. Die abwechslungsreiche Kameraführung, die schnellen Schnitte: „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ sprüht vor Kreativität und Liebe zum Detail. Regisseur Dominik Graf und Kameramann Hanno Lentz haben einen besonderen Film geschaffen, der lange nachwirkt.

Die aufwühlenden letzten Jahre der Weimarer Republik

„Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ spielt im Jahr 1931 und erzählt von Jakob Fabian (Tom Schilling), einem promovierten Germanisten, dessen Herz für die Literatur schlägt. Sein Geld muss er aber als Werbetexter für einen Zigarettenhersteller verdienen – eher leidenschafts- und erfolglos.

Gemeinsam mit seinem Freund Alexander Labude (Albrecht Schuch) erkundet er in der aufwühlenden Zeit zwischen zwei Weltkriegen das pulsierende Berlin – landet in zwielichtigen Etablissements, verliebt sich hoffnungslos, erlebt das Aufkommen der Nationalsozialisten und spürt, wie Arbeitslosigkeit und Armut die Menschen immer mehr zermürben, empfänglich machen für die hetzerischen Parolen.

In Berlin wird einem nix geschenkt, wer haben will, muss geben.

Novelle Vague lässt grüßen

Es ist vor allem die Kameraführung, die mich zunächst irritiert, dann fasziniert. Zu sehen sind historische schwarz-weiß-Aufnahmen, körnige Super-8-Sequenzen und verwackelte Bilder einer Handkamera. „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ wirkt an vielen Stellen wie außerhalb eines professionellen Filmstudios gedreht. Dadurch erhält er etwas Nahbares, Realistisches, Eindringliches.

Nach etwa 30 Minuten, als sich Fabian verliebt, verlangsamen sich die Brüche. Es kehrt Ruhe ein, immer wieder verhaftet die Kamera an einzelnen Motiven. Dies macht es mir deutlich einfacher, dem Geschehen zu folgen.

Fabian hat sein Herz an Cornelia von Battenberg (Saskia Rosendahl) verloren. Sie arbeitet als Referentin für eine große Filmproduktionsfirma in Berlin – mit dem Hintergedanken, selbst Schauspielerin zu werden.

Es ist der Beginn einer Romanze, die jedoch in den aufwühlenden Zeiten der Weimarer Republik vor viele Herausforderungen gestellt wird.

Berlin: ein großes Moloch

Gewalt gegen Frauen, Drogen, Schlägereien. Was Fabian selbst im verdorbenen Berlin nicht abhandenkommt, ist seine Moral. Er ist grundanständig, hadert mehr mit sich als mit anderen, sieht zwar immer wieder die verwerflichsten Dinge, lässt sich aber nicht vom geraden Weg abbringen.

Wie dem Buch gelingt es auch dem Film, einen eindringlichen Einblick in die schwierige Zeit Anfang der 1930er-Jahre zu geben. Berlin gleicht einem Moloch, wo sich menschliche Abgründe auftun. Viele Männer sind körperlich und seelisch nachhaltig vom Ersten Weltkrieg traumatisiert, die immer größer werdende Armut und die Hoffnungslosigkeit zermürben die Gesellschaft.

Diese Stimmung transportiert der Film unfassbar gut. Zwei Erzähler*innen, ein Mann, eine Frau, kommentieren immer wieder das Geschehen. Sie zitieren Sätze aus dem Buch.

„In allen Himmelrichtungen wohnt der Untergang. Und was kommt nach dem Untergang: „Die Dummheit.“

Perfekte Wahl der Schauspieler*innen

Auch die Schauspieler*innen sind perfekt gewählt. Wer könnte Fabian besser spielen als Tom Schilling, der bereits in „Oh Boy“ durch Berlin stromerte und mit Ende 30 immer noch eine jugendliche Unbekümmertheit ausstrahlt.

Auch Albrecht Schuch glänzt als Alexander Labude, Sohn eines erfolgreichen Anwalts, der betrogen von seiner Verlobten und von Selbstzweifeln gequält, weitaus schwermütiger als Fabian durch die Straßen der Hauptstadt zieht.

Keine einfache Unterhaltung

„Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ ist ein Film, der nicht zur einfachen Unterhaltung dient. Fast drei Stunden ist er lang und die Zeit vergeht keineswegs wie im Flug. Es ist an manchen Stellen hart, herausfordernd und ungemütlich.

Aber: Es lohnt sich trotzdem. Der Film ist ein wahres Kunstwerk, bringt einen auf solch vielschichtige Weise die damalige Zeit näher und nimmt subtil das Grauen vorweg: Ganz nebenbei laufen die Protagonisten in den 1930er-Jahre über Stolpersteine.

Erich Kästner hat bereits früh das Unheil vorhergesehen. Der Film bringt dieses düstere Gefühl perfekt auf die Leinwand. Am Ende des Films lodern Bücher im Feuer. So erging es auch dem Buch von Erich Kästner. „Fabian“ wurde von den Nationalsozialisten verbrannt.

Buchkritik zum Film

Hier gibt es die Buchkritik zum Nachlesen: „Fabian oder Der Gang vor die Hunde

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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