Karlsruhe: “Ein Abend mit Patrick und Adrian im Rudolf Fünf”
“Rudolf Fünf”: mehr Raum für Kreativität in Karlsruhe!
Es riecht nach Terpentin, als ich im Innenhof der Rudolfstraße 5 in Karlsruhe stehe. Es ist stockdunkel, drei Gebäudeteile in U-Form umgeben mich, aus einem Zimmer im Erdgeschoss des linken Trakts schimmert Licht, auch der beißende Geruch des Lösungsmittels kommt von dort. Neugierig trete ich näher, öffne vorsichtig die nur angelehnte Tür – und treffe auf einen Herrn, der dort gerade in seinem Atelier werkelt. „Ich bin John, kann ich dir helfen?“, fragt er mich. Ich nicke.
Zwei Architekten, ein Projekt
An diesem Abend bin ich auf der Suche nach Patrick Häussermann und Adrian Stadler, zwei Architekten, die am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) studiert, sich inzwischen selbstständig gemacht haben und in der Rudolfstraße 5 ein großes Projekt planen – mit Co-Working-Spaces, Ateliers, Urban-Farming, einem Cafe und temporären Übernachtungsmöglichkeiten. Nun wollen sie mehr darüber erzählen. Ich bin gespannt.
Umbau der Rudolfstraße 5
„Komm mit, ich bringe dich zu ihnen“, sagt John zu mir und läuft mit mir nach draußen. Gemeinsam überqueren wir den Innenhof, gehen ins gegenüberliegende Gebäude, wo im ersten Stock die beiden Architekten in einem modernen Büro sitzen. Ein Ofen sorgt für eine gemütliche Atmosphäre, Tee und Obst stehen auf einem Tisch.
„Wir sind gerade mitten im Umbau der Rudolfstraße 5“, sagt Patrick und zeigt auf die Pläne, die auf dem Schreibtisch ausgebreitet liegen. Auch ein weißes Modell steht darauf. Es spiegelt in Miniatur-Form wider, wo es in den nächsten Monaten mit den drei Gebäudeteilen hingehen soll. Ein Teil ist bereits realisiert, einige Dinge aber noch unerledigt. Patrick und Adrian haben viel vor mit dem Projekt, das zentral in der Karlsruher Oststadt liegt.
Zero-Waste und Nachhaltigkeit
Vor etwas mehr als einem Jahr ist die große Vision geboren. „Wir suchten ein Objekt, mit dem wir in Karlsruhe einen Raum schaffen können, in dem Kreativität entstehen kann“, sagt Patrick. Das heißt: Selbstständige, Studenten und Künstler aus den verschiedensten Bereichen sollen in der Rudolfstraße 5 einen Ort zum Arbeiten und zum Austausch finden – umgeben vom Sharing-Gedanken, einem ressourcenschonenden sowie Zero-Waste- und Selbstversorger-Prinzip.
Karlsruhe. Die beiden Architekten haben sich für die Umsetzung ihrer Ideen bewusst für die Fächerstadt entschieden – obwohl es Patrick nach dem Studium am KIT zunächst in Richtung Stuttgart verschlagen hat und Adrian nach München. Als es aber darum ging, einen Ort zu finden, wo sie ihr Projekt gemeinsam realisieren können, war schnell klar, dass es wieder Karlsruhe sein soll. Die überschaubaren Distanzen, die Natur, die Fahrradwege.
„Wir fühlten uns während unseres Studiums wohl hier“, sagt Adrian. Ein weiterer Vorteil für ihr Projekt: In der Fächerstadt ist der Bedarf an Co-Working-Spaces und kreativen Entfaltungsmöglichkeiten noch groß – im Gegensatz zu München oder Berlin beispielsweise.
Co-Working-Spaces und Werkstätten
Die Umbau-Arbeiten laufen seit Monaten auf Hochtouren: Im Untergeschoss des südlichen Flügels gibt es bereits eine Holzwerkstatt und Produktionsstätten für Architekten, Produktdesigner und Tüftlerinnen. Das Obergeschoss dient als Arbeitsraum mit Co-Working-Plätzen, Büros und Werkstätten. In einem großen Multifunktionsraum sollen außerdem bald regelmäßig Veranstaltungen stattfinden. Im Dezember war dort bereits der inoffizielle Tag der offenen Tür – mit DJs und einem gegenseitigen Kennenlernen, der bereits ansässigen Künstlern.
Alle Schreibtische waren schnell vergeben
Denn obwohl noch einige Gebäudeteile brach liegen, ist in der Rudolf 5 innerhalb kürzester Zeit buntes Leben eingekehrt. “Das Interesse war enorm, als wir vor wenigen Monaten über Ebay-Kleinanzeigen veröffentlichten, dass wir Arbeitsplätze bei uns anbieten,“, erläutert Patrick. Schnell waren mehr als 30 Schreibtische vergeben, inzwischen gibt es eine Warteliste.
Dass so ein buntes Treiben in der denkmalgeschützten Immobilie herrscht, liegt auch den Künstlern, Schreinern, Studenten und Tüftlern, die sich für das Projekt engagieren, betonen die beiden Architekten. Ein Freund von ihnen, Joachim Stieger, ist beispielsweise Bauingenieur und hilft mit der Statik. Mathias Bolza-Schünemann, ein ehemaliger Mitbewohner von Patrick, kommt extra von Lissabon nach Karlsruhe zurück, um sich am Projekt zu beteiligen und schreibt seine Masterarbeit über ein innovatives Energiekonzept für das Ensemble.
“Mit Mathias und Joachim hatten wir außerdem ein ausgiebiges Brainstorming zum Thema Nachhaltigkeit”, erinnert sich Patrick. Für ihn ist es eine große Stärke des Projekts, dass Fachbereiche ganz nah zusammenarbeiten und im Austausch stehen.
Urban-Farming auf dem Dach
Im Mittelbau der Rudolfstraße 5 wird im Laufe des Jahres noch ein Café entstehen, das Treffpunkt für die Kreativen sein soll und auch für alle anderen Interessierten offen ist. „Wir werden dort dann die Produkte verarbeiten, die wir durch unser Urban-Farming-Projekt gewinnen“, sagt Patrick. Dahinter steckt ihre Idee, die Dachflächen der Rudolstraße 5 zu begrünen, zu entsiegeln und zu Beete umzuwandeln. Auch Hühner können dort bald herumspazieren.
Um außerdem Kreativen, die projektbasiert nach Karlsruhe kommen, günstigen Wohnraum bieten zu können, entsteht im Mittelbau ein sogenanntes Borderhaus. „Dort richten wir Zimmer nach dem Minimalismusprinzip ein“, sagt Patrick. Das heißt: Leben mit dem Notwendigsten, also mit Bett und Schrank, aber ohne weiteren Schnickschnack und Krimskrams. Außerdem finden die Kreativen in diesem Gebäudeteil einen Arbeitsplatz.
Aus alt wird neu
Minimalismus und Nachhaltigkeit: Diese beiden Schlagwörter fallen bei unserem Gespräch immer wieder. „Uns ist es sehr wichtig, ressourcenschonend zu arbeiten“, sagt Adrian. Beim Umbau achten die Architekten deshalb genau darauf, was im Müll landet oder nochmals verwendet werden kann. Die alten Dachpfannen werden beispielsweise geschrotet und als Drainageschicht für die Dachterrassen verwendet. Regenwasser sammeln sie und verwenden es, um die Grünflächen an trockenen Tagen zu bewässern.
Bei der Stromversorgung fragen sie sich: Wie viele und welche Leistungen sind überhaupt nötig? „Wir möchten unsere Erfahrungen, die wir mit der Rudolfstraße 5 machen, gerne zukünftig mit anderen teilen“, sagt Patrick. Open-source, das nächste Stichwort, das so fällt.
Was nun noch fehlt, ist ein Verein, der sich um die Organisation des Hofes kümmert. Und ein Name für das gesamte Projekt. Rudolfstraße 5 dient derzeit lediglich als Arbeitstitel, verraten mir die beiden Architekten. “Wer Lust hat, sich bei uns einzubringen, ist herzlich willkommen”, betont Adrian.
Bis bald!
Je länger ich den beiden Architekten zuhöre, desto mehr bin ich angetan von ihrem Projekt. Als ich an diesem Abend die Tür zu ihrem Büro schließe, die Treppen Richtung Innenhof hinuntergehe, weiß ich: Es ist ein kurzer Abschied. Ich komme bald wieder, spätestens zur Eröffnungsfeier, die derzeit für Mai geplant ist.
Info:
Wer Kontakt zu Adrian und Patrick haben möchte, kann ihnen schreiben: info@malo-architektur.de
Instagram:
https://www.instagram.com/maloarchitektur/
https://www.instagram.com/rudolf_fuenf/
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