Illustres Island – der Norden, Snæfellsnes & Reykjavik

Tungulending Guesthouse: mit Blick aufs Meer
Das Schöne ist oft nicht einfach zu finden. Versteckt im Niemandsland, abseits der Zivilisation und abgeschottet von der Ringstraße, liegt das „Tungulending Guesthouse“. Es ist die schönste Unterkunft während unserer gesamten Island-Reise. Um zu ihr zu kommen, müssen wir aber erneut eine Abenteuerfahrt auf einer Schotterpiste hinter uns bringen – zig Kilometer lang holpern wir in unserem kleinen Flitzer über die schwarzen Kieselsteine, die durch den Druck der Reifen aufwirbeln und wie wild gegen den Lack schlagen.
30 Kilometer pro Stunde ist das Limit. Ausgerenkte Körperteile finden durch das Schütteln und Rütteln wieder ihren Platz. Physiotherapie mal anders. In meinem Kopf tanzt nur ein Gedanke: ein Hoch auf unsere Gravel-Protection.
Dann, endlich. „Tungulending Guesthouse“, der Name unserer Unterkunft steht auf einem Gatter, das auf einem Feldweg links von der Straße auftaucht und zunächst noch verschlossen ist. Wir müssen anhalten, aussteigen, es öffnen und können dann über einen Pfad und eine relativ steile Steigung zum Haus kommen. All der Aufwand lohnt sich. Das Meer, die grünen Wiesen, die Gletscher. Die Aussicht ist unbeschreiblich – vor allem bei Sonnenuntergang. Es ist ein Traum, so nahe am Polarkreis zu sein.




Keine Kochmöglichkeiten, aber dafür leckere Gerichte
Für zwei Nächte wollen wir in dem Gästehaus im Norden Islands bleiben. Eine Kochmöglichkeit gibt es dort nicht – dafür aber jeden Abend ein Gericht, das mit etwa 20 Euro für isländische Verhältnisse noch erschwinglich ist. Wasser gibt es kostenlos dazu. Steht Fisch auf der Karte, ist er frisch geangelt – jeden Tag tuckert ein Boot vom Steg hinaus aufs Wasser. Auch Kaffee und frisch gebackene Kuchen sind immer im Angebot.
Ein deutscher Dokumentar-Filmer hat das „Tungulending Guesthouse“ gemeinsam mit seiner Frau aufgebaut. Es ist eine Unterkunft, bei der alles passt – das Frühstück ist lecker, die Zimmer sind liebevoll eingerichtet und alles ist sehr sauber. Wer sich im Norden Islands aufhält, sollte unbedingt dort vorbei.


Wundervolle Natur um den See Myvatn
Am nächsten Tag beginnt eine neue Erkundungstour durch den Norden Islands. Husavik, das etwa 13 Kilometer von unserer Unterkunft entfernt liegt, ist vor allem bei Wal-Fans beliebt. Verschiedene Arten schwimmen dort durch das Wasser. Husavik wird deshalb auch als Walbeobachtungs-Metrole Europas bezeichnet.
Wir verzichten auf Whale-Watching und fahren stattdessen zum Nationalpark rund um den Myvatn See. Er ist 37 Kilometer groß. Durch einen Vulkanausbruch vor etwa 2.000 Jahren entstanden um ihn herum die unterschiedlichsten Naturspektakel. Wir möchten an diesem Tag zur Schlucht Ásbyrgi und zum Wasserfall Dettifos.

Ásbyrgi-Schlucht: ein wunderbarer See mit Canyon
Welch Idylle: Ein hufeisenförmiger Canyon befindet sich in der Ásbyrgi-Schlucht. Wir stellen auf einem Parkplatz unser Auto ab, laufen eines der zahlreichen Wegchen entlang – und stehen plötzlich vor dem Botnstjörn, einem kleinen, smaragdgrün leuchtenden See, der von einer Gebirgsformation umrundet ist. Wunderschön. Rund um die Ásbyrgi-Schlucht warten noch weitere sehenswerte Naturschauspiele, wir ziehen aber weiter, der Dettifoss wartet.

Dettifoss – die isländische Version des Grand Canyon
Energie pur: Nur 3,5 Kilometer von Ásbyrgi entfernt, ist der unglaublich mächtige Wasserfall Dettifoss. Mit enormer Kraft stürzt bei ihm das Wasser 44 Meter in die Tiefe. Die Erde um hin herum bebt. Dampfwolken steigen hoch. Dettifoss bedeutet übersetzt „stürzender Wasserfall“. Wir stehen an diesem Nachmittag staunend da und sehen sprachlos zu, welch Naturgewalt von ihm ausgeht.

Sölvanes: ein Bauernhof im Hochland
Nachdem wir am nächsten Morgen noch bei strahlendem Sonnenschein den herrlichen Ausblick auf der Terrasse genossen haben, heißt es erneut: Koffer packen. Es geht nun weiter in den Nordwesten Islands. Unsere nächste Unterkunft ist ein Farm-Stay. Wir werden die nächsten zwei Tage inmitten der Natur auf dem Bauernhof „Sölvanes“ wohnen.
Als wir die Route dorthin checken, fällt uns nur auf: Sölvanes liegt im Hochland, wo es oft keine geteerten Straßen mehr gibt. Herrje. Mit unserem kleinen Auto dürfen wir gar nicht ins Hochland. Es ist ein kurzer Schock-Moment. Panik macht sich breit. Was nun? In meinem Kopf sehe ich uns bereits bei acht Grad ohne Decken im Auto übernachten.
Wir schreiben den Bauernhof-Besitzern eine Email, fragen um Rat. Bange Minuten vergehen, bis die Antwort aufblinkt. Die Erlösung. Bis Sölvanes dürfen wir mit unserem Wagen fahren, es sind bis dahin noch feste Straßen vorhanden. Puuh.
Wer wie wir nach Island möchte und keinen Geländewagen hat, sollte bei der Wahl der Unterkünfte deshalb darauf schauen, dass sie mit einem gewöhnlichen Auto erreichbar sind – und nicht irgendwo im Hochland liegen.





Eine Enttäuschung: Akureyri
Auf dem Weg nach Sölvanes legen wir noch einen Stopp in Akureyri ein. Es ist die viertgrößte Stadt Islands. 18.000 Menschen leben dort, auch eine Universität ist vorhanden. Ich bin aber ziemlich enttäuscht, Akureyri ist unser unnötigster Stopp. Wir laufen durch die Fußgängerzone, schlendern durch den Botanischen Garten und essen noch ein Stücken Kuchen in einem Café. Dann ist es genug, wir wollen wieder in die Natur.
Weiter geht es mit unserem Flitzer, der Bauernhof wartet.



Sölvanes: eine Unterkunft im Hochland
Sölvanes liegt abgeschnitten von jeglicher Infrastruktur mitten in der Natur. Ein Ehepaar betreibt den isländischen Hof. Als wir dort am frühen Abend ankommen, empfangen uns Pferde auf ihrer riesigen Weide. Wir sind in der Nähe von ihnen in einem umgebauten Stall untergebracht – in ihm gibt es neben unserem noch drei weitere Zimmer. Badezimmer und Küche teilen wir uns deshalb mit anderen Gästen.
Frühstück gibt es jeden Morgen im Esszimmer des Ehepaars. Es ist eine sehr gastfreundliche Stimmung. Die Frau backt uns herzhafte Waffeln, plauderte mit uns und hat viele Tipps für Ausflüge parat. Insgesamt ist der Farm-Stay jedoch durch die veralte Ausstattung im Stall eher rustikal.


Wie in Bullerbü: Hofsós
Nach dem Frühstück machen wir uns auf nach Hofsós, einem minikleinen Fischerdörfchen. Es leben dort nur wenige Menschen, aber es gibt eine traumhafte Aussicht aufs Wasser. Außerdem besteht Hofsós aus wunderschönen farbigen Häuschen, die sich lose verteilen. Ich muss an Bullerbü denken – an das Fantasie-Dorf, das Astrid Lindgren erschuf.

Hot Pot, der zweite
Heiße Entspannung zwischen Moos und Steinen: An diesem verregneten und grauen Tag machen wir noch einen Halt bei Sveitarfélagið Skagafjörður. Dort sind mitten in der Natur zwei Hot Pots, in denen nur wenige Menschen sind. Auch wenn es eine riesige Überwindung ist, sich bei Temperaturen unter 15 Grad und Nieselregen im Freien auszuziehen, entschädigen bereits wenige Sekunden in dem heißem Wasser.

Hi, Reykjavik
Es ist der letzte Ausflug mit unserem kleinen Flitzer. Am nächsten Tag geht es zurück nach Reykjavik. In der isländischen Hauptstadt werden wir die letzten Tage ohne Mietwagen verbringen.
Alles geht gut bei der Zurückgabe – trotz der Bombardierung durch die Kieselsteine, erhalten wir unsere Kaution komplett zurück. Zum Glück. Wir sind an diesem Punkt der Reise schon weit mehr als 2.000 Euro pro Person los – trotz nahezu ausschließlicher Selbstverpflegung, günstigem Flug und nur kleinem Auto. Nun können wir aber unsere Unterkunft in Reykjavik genauer inspizieren.

Airbnb in der schlechtesten Version
Wir haben uns ein wenig außerhalb des Stadtzentrums bei Emma über Airbnb eingemietet – für unter 100 Euro die Nacht, quasi ein Schnäppchen in der Hauptstadt. Im Vergleich: Ein 8er-Zimmer im Hostel wäre teurer gewesen.
Aber leider ist dieses Airbnb-Angebot eine Zumutung. Ob Emma überhaupt noch in dem Haus wohnt, bleibt uns ein Rätsel. Die Schränke sind zwar vollgestopft mit Küchen-Utensilien und persönlichem Krimskrams. Aber während unserers Aufenthalts kommt sie nur einmal kurz mit ihrer Tochter und einem Hund vorbei, ansonsten teilen wir uns die drei Stockwerke, Küche und Bad mit unzähligen anderen Airbnb-Gästen.
Es fühlt sich ein wenig an, als wären wir in einem internationalen Studien-Austausch-Programm gelandet. Vor allem in der Küche entstehen Warteschlangen bei den Gästen. Denn Essengehen in Reykjavik ist teuer. Unter 25 Euro gibt es nicht mal Pizza oder Burger. Ein kleines Bier kostet 10 Euro. Aber nicht nur die Küche ist ein Problem: Auch zwei Bäder für so viele Menschen sind nur bedingt ausreichend.




Secondhand-Shops und Flohmarkt in Reykjavik
Reykjavik ist Europas nördlichste Hauptstadt. Mit knapp 130.000 Einwohnern ist sie jedoch nur etwa so groß wie Heidelberg – und ist ähnlich wie die deutsche Stadt von Touristen überflutet. Vor allem in der Innenstadt sind unschöne Auswirkungen davon zu sehen. Es gibt unzählige Souvenir-Shops, die fast alle den gleichen Krempel im Angebot haben.
Wir haben nun noch einen Abend und drei Tage vor uns, bevor der Rückflug geht. Für einen Tag haben wir uns bereits im Vorfeld einen Tagesausflug mit dem Bus auf die Halbinsel Snæfellsnes gebucht. Sie soll auf kleinster Fläche alle Attraktionen Islands nochmals vereinen.
Nur, schnell stellen wir fest: 2,5 Tage in Reykjavik sind sehr lange – vor allem da es an einem Tag komplett durchregnet, wir schon voll mit Eindrücken sind und nach der Zeit in der Natur von Menschenmassen überfordert sind.
In der Fußgängerzone gibt es zum Glück einige Secondhand-Läden, die wunderschöne Woll-Sachen verkaufen. Neue Pullis werden meins. Hätte ich mehr Platz in meinem Koffer gehabt, wären darin wohl noch mehr flauschige Kleidungsstücke gelandet. Am Hafen entdecken wir in einer großen Markhalle außerdem noch einen riesigen Flohmarkt, bei dem es ebenfalls tolle Sachen gibt: Lavasalz Bücher und andere kleine Schönheiten.






Wunderschön: das Konzerthaus Harpa
Es glitzert in der Abendsonne: Besonders beeindruckend am Hafen ist das Harpa. In dem Konzerthaus und Kongresscenter direkt am Wasser finden regelmäßig hochkarätige Aufführungen statt. Um es genauer zu inspizieren, können Besucher an den 45-minütige Führungen teilnehmen. Da unser Budget aber schon sehr ausgereizt ist, verzichten wir darauf. Wir schauen uns das tolle Gebäude von außen an und werfen auch einen kurzen Blick hinein.





Die Hallgrímskirkja – eine minimalistische Kirche
Futuristisch und minimalistisch: Die Hallgrímskirkja ist eine Kirche, die perfekt zu Island passt. Kein Kitsch, keine besonderen Schnörkel, sondern einfach und klar, aber trotzdem imposant. Das Besondere an ihr: Sie ist nach einem Dichter benannt.

Natur in der Stadt: Seltjarnarnes
Ein kleiner Ausflug mit dem Bus: Seltjarnarnes grenzt im Westen an Reykjavík. Ich möchte unbedingt dorthin, weil es dort einen Leuchtturm gibt – und wir bis zu diesem Zeitpunkt noch keinen in Island gesehen haben. Es lohnt sich sehr. Dort ist trotz Hauptstadtflair nochmals etwas von der wunderschönen Natur Islands spürbar.




Island in Miniatur: Snæfellsnes
Unseren vorletzten Tag in Island verbringen wir auf der Halbinsel Snæfellsnes. Wasserfälle, Vulkane, Krater, ein schwarzer Strand: Sie verbindet nochmals alle Sehenswürdigkeiten auf kleinstem Raum. Wer nur ein paar Tage nach Island fliegen möchte, kann deshalb mit einer Golden-Circle-Tour und einem Snæfellsnes-Besuch einen guten Überblick bekommen.

Snæfellsnes bedeutet übersetzt Schneeberghalbinsel. Die Straßen Nummer 54 und 56 führen an den interessantesten Naturschauspielen vorbei, unter anderem am Snæfellsjökull-Nationalpark. Dort ist eine der größten Attraktionen der Gletscher Snæfellsjökull. Jules Verne wählte ihn in seinem Klassiker Reise zum Mittelpunkt der Erde als Eingang zum Inneren der Erde. Außerdem diente Snæfellsnes bereits für mehrere Filme und Serien als Kulisse: unter anderem für Das erstaunliche Leben des Walter Mitty und für Game of Thrones.
Wir haben uns entschieden, bei einem der zahlreichen Reiseanbieter eine Tagestour zu buchen und bezahlen 90 Euro dafür. Das ist noch sehr günstig. Die meisten Angebote kosten weit mehr als 100 Euro. Das Programm ist eng getaktet.



Arnarstapi im Snæfellsjökull-Nationalpark
Unser erster Stopp ist in Arnarstapi. Es ist an diesem Tag so windig, dass es uns fast umhaut, Kieselsteine fliegen mir ständig ins Gesicht. Es ist ungemütlich, aber sehr schön. Die Meeresblicke sind beeindruckt und es sind faszinierende Felsen in der Brandung zu entdecken. Außerdem steht dort eine Skulptur des Künstlers Ragnar Kjartansson. In der Nähe ist der Gatklettur, auch Lochfelsen genannt, zu entdecken.



Tolle Ausblicke in Hellnar
Am südlichen Rand von Snæfellsnes liegt das Dorf Hellbar. Es ist für seine Küste, die Klippen und Ausblicke auf den Gletscher bekannt. Dort gibt es auch ein kleines Café, wo wir eine kurze Pause machen.





Der schwarze Strand Djúpalónssandur
Bis zu meinem Island-Urlaub hatte ich noch nie einen Black Beach gesehen. Nun durfte ich nach unserem Stopp in Vik im Südosten Islands noch ein zweites Mal staunen: Schwarzer Sand. schwarze Steine und funkelndes Wasser bietet Djúpalónssandur.





Der Berg Kirkjufell: bekannt aus Game of Thrones
Er ist geformt wie eine Pfeilspitze: Der Berg Kirkjufell ist ein bekanntes Markenzeichen von Island – auch dank der Fernsehserie Game of Thrones, in der er bedeckt mit Schnee und Eis zu sehen ist. Das Besondere an ihm ist: Je nach Perspektive sieht er entweder wie ein Dreieck aus (von Nahem) oder trapaezförmig (von Weitem). Wir machen an diesem Tag direkt unterhalb von ihm Halt und laufen außerdem zu dem kleinen Wasserfall, der ganz in der Nähe ist: dem Kirkjufellsfoss.


Tschüss!
Nach diesem letzten Stopp am Kirkjufell ist meine Aufnahmefähigkeit ausgereizt. Es ist genug. Wir haben in den 15 Tagen so viele wunderschöne Dinge gesehen, waren oft sprachlos und sind so erfüllt, dass wir nun ohne Wehmut unsere Koffer packen können. Deutschland wartet und ein Rekordsommer mit bis zu 40 Grad. Größer können Kontraste manchmal nicht sein.







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