5. April 2021

Fernweh: Heiter bis wolkig – vier Tage in Leipzig

Alte Spinnerei Leipzig

Ein grauer Empfang in Leipzig

Leipzig empfängt uns stürmisch. Als wir an einem Samstagnachmittag im Oktober am Hauptbahnhof ankommen, prasseln die Regentropfen mit voller Wucht vom Himmel. Die Pfützen auf dem grauen Betonboden bilden kleine Seen, lassen sich mit den Rollkoffern nur schwer umrunden.

Ein dichter Grauschleier liegt über der Stadt. In der S-Bahn, die uns in den Stadtteil Plagwitz bringt, sind die Scheiben so milchig beschlagen, dass uns erst mal ein Blick nach draußen verwehrt bleibt. Leipzig ziert sich, gibt sich geheimnisvoll.

Vier Tage Leipzig, fünf Tage Füssen. Erst der Osten, dann der Süden Deutschlands – so ist der Plan für unseren Urlaub. Groß war der Wunsch gewesen, von Leipzig nach Lissabon zu fliegen, doch die Inzidenz-Werte in Portugal stiegen in die Höhe, wir blieben am Boden.

Nun also ein Zug-Trip – zuerst zu einer Freundin, die in Leipzig am Theater arbeitet, danach zu den hübschen Seen und Bergen Bayerns, von denen ich seit dem Wanderurlaub rund um den Walchensee so angetan bin.

Ausstellung von Neo Rauch wartet

Wir haben ein wenig Zeitdruck an diesem Ankunftstag in Leipzig. Meine Begleitung hat uns um 18,30 Uhr zwei Plätze für die Vernissage von Neo Rauch in der Galerie EIGEN + ART reserviert. Sie befindet sich auf dem Gelände der Alten Spinnerei, wo sich viele Ateliers und weitere Galerien versammeln. Ein Hot-Spot für Künstler, ich bin neugierig.

Unser Plan: Kurz das Gepäck in der Airbnb-Unterkunft in Plagwitz abladen, dann soll es gleich wieder losgehen. Was in der Theorie alles perfekt durchgeplant ist, bleibt aber Wunschdenken. Kurz bevor wir in der Wohnung nahe der Karl-Heine-Straße ankommen, vibriert mein Smartphone in der Jackentasche.

Airbnb-Unterkunft aus der Hölle

Ein Blick darauf irritiert mich. „Es gab einen Wasserschaden in der von euch gebuchten Wohnung“, schreibt der Airbnb-Host. Er möchte uns deshalb gerne eine andere Unterkunft im gleichen Haus anbieten – aber ohne Kaffeemaschine und ohne Wlan.

Grrrr. Eine Wohnung ohne Kaffeemaschine. Es ist eine Hiobsbotschaft für mich. Ein Start in den Tag ohne Koffein. Kaum vorstellbar.

Aber da stehe ich nun, den Koffer in einer Hand, den Regenschirm zwischen Nacken und Schulter geklemmt, damit ich das Smartphone in der anderen Hand halten kann und der Regen fällt ohne Pause weiter in Rekordgeschwindigkeit vom Himmel. Jetzt umbuchen? Ich schaue resigniert meine Begleitung an. Er schüttelt auch den Kopf. Okay, dann eben ohne Kaffeemaschine, ohne Wlan.

Airbnb Plagwitz

Es ist nicht der einzige Nachteil. Ich blinzle mehrmals, als wir die Inneneinrichtung der neuen Wohnung sehen. Es hat sich ein riesiger Fan der USA-Südstaaten ausgetobt. Ein halbverdorrter Kaktus steht in der Ecke, eine versiffte Ledercouch daneben, ein Teppich, der an Kuhhaut erinnert, liegt auf dem Boden und außerdem gibt es einen Billard-Tisch. Hilfe.

Das Bad dagegen ist so minimalistisch eingerichtet, dass sogar der versprochene Föhn fehlt. Kaffeemaschine hin oder her, aber ohne Föhn bin ich an verregneten Herbsttagen verloren.

Wieder schreibe ich dem Host, bitte ihn, einen neuen vorbeizubringen. Aber nichts läuft an dem Tag. Statt selbst loszugehen, überweist er mir 20 Euro und meint: „Bin beschäftigt, kauft euch bitte selbst einen neuen.“ Da stehen wir am späten Samstagnachmittag, den Galerie-Termin im Blick und der Aufgabe, schnellstmöglich noch einen Föhn zu kaufen. Grrrr, II. Ein entspannter Start in den Urlaub verläuft definitiv anders.

Alte Spinnerei Leipzig
Alte Spinnerei Leipzig
Alte Spinnerei Leipzig

Kreatives Universum: die Alte Spinnerei Leipzig

Letztlich klappt alles. Als wir auf dem Gelände der Alten Spinnerei ankommen, bleibt uns noch genügend Zeit, in verschiedene Galerien zu schauen und pünktlich bei der Vernissage zu sein.

Die Alte Spinnerei ist bei einem Städtetrip nach Leipzig auf jeden Fall einen Besuch wert: Das ehemalige Fabrikgelände ist ein in sich geschlossenes Areal, das derzeit aus 20 Einzelgebäuden besteht.

In ihnen haben unter anderem Künstler*innen, Galerist*innen, Architekt*innen und Designer*innen Platz zum Arbeiten gefunden. Als wir dort ankommen, haben viele Gebäude ihre Türen offen, überall brodelt die Kreativität, entsteht Neues, Experimentelles. Es ist ein bunter Kontrast zum grauen Wetter.

Alte Spinnerei Leipzig
Alte Spinnerei Leipzig

Abendessen im “Tay Ho“

Da es aber durchregnet, geht uns nach zwei Stunden die Puste aus. Wir sind kaputt, müde und hungrig und landen deshalb im vietnamesischen Restaurant „Tay Ho“ in der Karl-Heine-Straße und essen dort etwas in Ruhe. Das Restaurant ist unspektakulär, die Gerichte sind aber lecker und nicht überteuert.

Cafe Oink Leipzig

Eine grüne Oase: das Café Oink

Am nächsten Morgen haben sich zum Glück die Wolken verzogen. Die Sonne scheint. So sehen wir Plagwitz zum ersten Mal im Hellen: die wuchtigen und restaurierten Häuser aus dem 19. Jahrhundert, der Karl-Heine-Kanal und das satte Grün drumherum. Der Anblick entschädigt für die Strapazen vom Vortag. Es ist wunderschön dort.

Café Oink Leipzig
Café Oink Leipzig

Wir sind an diesem Morgen mit meiner Freundin im Café Oink verabredet. Es liegt ein wenig versteckt am Kanal. In dem Café gibt es frisch gebackenen Hefezopf und Kuchen, Fair-Trade-Kaffee, sogar Strom und Klopapier sind nachhaltig. Es ist ein gemütlicher Start in den Tag – endlich fühlt sich die Zeit in Leipzig wie Urlaub an.

Stopp am “Zierlich Manierlich” & “Dankbar”

Während meine Begleitung sich danach auf Museums-Tour macht, zeigt mir meine Freundin Leipzig zu Fuß. Wir laufen stundenlang durch die Straßen von verschiedenen Stadtvierteln.

“Zierlich Manierlich”

Am Elsterwehr stoppen wir an einem süßen grünen Bauwagen, dem Sommercafé „Zierlich Manierlich“. Dort gibt es unter anderem Kaffee, heiße Schokolade, Kekse und selbstgebackenen Kuchen. Wir machen Pause, setzen uns neben dem Bauwagen auf eine Steinmauer und beobachten das Treiben auf der Promenade vor uns.

Wunderschön: das Café “Dankbar”

Cafe Dankbar

Als wir am späteren Nachmittag weiterlaufen, kommen wir noch am Bundesverwaltungsgericht vorbei, am Theater, machen Pause im wunderhübschen Cafe „Dankbar“ und landen dann in der belebten Karl-Liebknecht-Allee.

Theater Leipzig
Bundesverwaltungsgericht Leipzig

Eine Vollkatastrophe: “Mother India”

Unser Ziel fürs Abendessen: Die Gaststätte Kollektiv, wo es Essen wie in der ehemaligen DDR gibt – beispielsweise „4 Stück fettbemme“ oder „Schopska Salat“. Leider haben wir Pech. Es ist bereits mehrere Tage im Voraus ausgebucht. So landen wir spontan einige Häuser weiter im indischen Restaurant „Mother India“.

Es ist eine Vollkatastrophe. Die indische Dame, die uns bedient, scheint noch sehr neu zu sein, sie ist völlig verschüchtert, spricht kaum ein Wort Deutsch und wird von den männlichen Mitarbeitern überwacht. Unser Sekt Aperol ist eine kaum genießbare Mischung und auch mit dem Essen läuft alles kreuz und quer.

Es herrscht eine skurrile Atmosphäre. Für uns wird das Gefühl immer erdrückender, dass in dem Laden grundsätzlich etwas nicht stimmt. Meine Begleitung, die zwischenzeitlich wieder zu uns gefunden hat, verzichtet deshalb auch komplett auf eine Bestellung.

Cafe Kater Leipzig

Checkpot: das “Cafe Kater”

Mit einem unfassbar leckeren Frühstück startet dagegen der nächste Tag. Nur wenige Meter von unserer Airbnb-Wohnung entfernt, ist das Café Kater. Es ist ein absoluter Traum. Alles ist liebevoll hergerichtet und sowohl die Getränke als auch unser Essen ist perfekt. Das Café Kater ist damit für unseren restlichen Leipzig-Aufenthalt unser Stammlokal.

Kanaltour Leipzig
Kanaltour durch Leipzig

Kanaltour durch Leipzig

Da an diesem Tag fast durchgehend die Sonne scheint, haben wir uns für eine Kanaltour durch Leipzig entschieden. Wir schippern auf der Weißen Elster entlang, kommen an den großen, alten Villen vorbei, die vor dem Zweiten Weltkrieg renommierte Besitzer hatten – unter anderem wohnte die Familie Baedeker in solch einem prachtvollen Gebäude bis 1948. Danach diente die Villa als Jugendherberge und ist seit 2009 nun eine spezialchirurgische Klinik.

Außerdem fahren wir in Plagwitz im Karl-Heine-Kanal an vielen Gärten vorbei. Dort erzählt uns der Guide die Geschichte von Moritz Schreber. Einem Arzt und Orthopäden aus Leipzig, der den Schrebergärten ihren Namen gab.

Kanaltour durch Leipzig
Kanaltour durch Leipzig
Kanaltour durch Leipzig

Der Karl-Heine-Kanal ist ein künstlich angelegter Wasserlauf mit 15 Brücken. Er führt unter anderem vorbei an der Philippuskirche. Außerdem sehen wir moderne Lofts, die in alten Backsteinbauten entstanden sind und Altbauten, auf deren Balkonen gemütlich die Bewohner*innen sitzen.

Als wir diese Strecke passieren, strahlt gerade die Sonne mitten auf unser Boot und lässt das Wasser funkeln. Es ist solch eine bewegende Stimmung, dass ich kurz innehalte und denke: Hier lässt es sich schön leben, hier könnte ich tatsächlich wohnen.

Lecker: die Pizzeria “Pekar”

Den Abend verbringen wir im Freien auf Klappstühlen vor der Pizzeria Pekar. Meine Freundin ist inzwischen wieder bei uns. Die Pizzen dort sind toll. Die Auswahl ist zwar relativ klein, dafür sind die Angebote mit frischen saisonalen Zutaten und außergewöhnlich kombiniert. Ein Besuch lohnt sich sehr!

Sightseeing Altstadt Leipzig
Sightseeing Altstadt Leipzig
Sightseeing Altstadt Leipzig

Sightseeing in der Altstadt Leipzigs

Bevor es für meine Begleitung und mich am nächsten Tag mit dem Zug wieder Richtung Süden geht, schauen wir uns noch in der Altstadt Leipzigs um. Das traditionelle Sightseeing gibt es für uns also zum Schluss. Auf der Liste stehen für unseren letzten Spaziergang:

  • die Nikolaikirche
  • das Alte Rathaus
  • die Mädler Passage
  • der Augustusplatz
  • der Markt
  • die Thomaskirche

Zum Abschluss gönnen wir uns noch ein Stückchen Sachertorte im Café Riquet. Es ist der perfekte Endpunkt. Leipzig hat uns stürmisch empfangen, aber sonnig verabschiedet. Es ist der letzte Eindruck, der zählt.

Sightseeing Altstadt Leipzig
Sightseeing Altstadt Leipzig
Leipzig
Leipzig
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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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