19. August 2022

Buchkritik: “Was wir sind” von Anna Hope

"Was wir sind" von Anna Hope

“Was wir sind”: Leben wir so, wie wir es wirklich wollen?

Hätte mir jemand vor zehn Jahren gesagt, wie sehr sich Freundschaften zwischen Frauen in den 30ern verändern – ich hätte es selbst kaum geglaubt. Heirat, Kinder, Jobs. Laufen Lebenswege nicht synchron, ist es eine immense Herausforderung, im engen Kontakt zu bleiben, sich nicht zu verlieren.

So geht es auch Hannah, Cate und Lissa im Roman „Was wir sind“ von Anna Hope. Die drei Frauen leben in London und Canterbury, sind teilweise bereits seit der Schulzeit befreundet und mit Mitte 30 an ganz unterschiedlichen Punkten in ihrem Leben.

Während Hannah unbedingt ein Kind möchte, es aber nicht klappt, wird Cate relativ schnell von einer Internet-Bekanntschaft schwanger. Lissa dagegen möchte gar keinen Nachwuchs und lieber ihre Karriere am Theater voranbringen – was mal besser und mal schlechter läuft. Alle drei Frauen haben mit ihren ganz eigenen Problemen im Alltag zu kämpfen. Werden sie sich deshalb verlieren oder hat die Freundschaft trotzdem eine Chance?

Lebenswege laufen nicht wie geplant

„Was wir sind“ entdeckte ich zufällig in der Kölner Buchhandlung „Siebter Himmel“, die wunderbar kuratiert ist. Als ich den Klappentext las, wusste ich sofort, dass ich das Buch kaufen muss. Schließlich kommen mir die Probleme der Frauen ziemlich bekannt vor.

Anna Hope widmet ihren drei Protagonistinnen immer abwechselnd einzelne Kapitel und kombiniert diese mit allgemeinen Rückblenden. Wie haben sich die Frauen überhaupt kennengelernt und welche Meilensteine gab es in ihrer Freundschaft – all das erfuhr ich während des Lesens nach und nach.

Die Freundinnen stehen für ganze verschiedene Typen von modernen Frauen: Hannah ist erfolgreiche Projektmanagerin bei einer sozialen Nichtregierungsorganisation (NGO) und mit Nathan verheiratet, der an der Universität lehrt. Sie haben genügend Geld, eine schöne Wohnung, nur fehlt ihnen zu ihrem Glück noch ein Kind. Hannah ist so versessen darauf, schwanger zu werden, dass ihre gesamte Beziehung ins Wanken kommt.

Im Gegensatz dazu hat Cate rasend schnell ein Kind bekommen. Von Sam, einem Koch, den sie durch eine Dating-App kennengelernt und auch im Eiltempo geheiratet hat. Mit ihm ist sie raus aus London gezogen, in ein Haus in Canterbury, in dem sie sich einsam und von ihrer Schwiegermutter bedrängt fühlt. Hat sie die richtigen Entscheidungen getroffen?

Lissa dagegen hat häufig materielle Existenzängste. Die Karriere als Schauspielerin lief in ihren 20ern zunächst gut an, ist nun aber ins Stocken geraten. Ihre Agentin hat nur wenig Angebote für sie und ihr langjähriger Freund hat sich ebenfalls verabschiedet. Zu all diesen Problemen kommt hinzu, dass sie sich zu Nathan, Hannahs Mann, hingezogen fühlt. Wird sie sich dadurch in ein noch größeres Chaos manövrieren?

Authentisch und nahbar

Auch wenn ich während des Lesens an manchen Stellen kurz Angst hatte, dass es ins Kitschige und Vorhersehbare kippt, bekam Anna Hope dann doch immer wieder den Bogen hin. Sie schafft es, die Geschichten und Gefühle der Frauen interessant, nahbar und authentisch zu erzählen. Ihre Sprache ist sehr angenehm und kurzweilig zu lesen.

Indem die Autorin auch Rückblenden in die Studentenzeit der Frauen und Einblicke in feministische Gedanken gibt, verfällt der Roman auch nicht ins Triviale.

Freundschaften stehen im Fokus

„Was wir sind“ verknüpft all die großen Themen, die zwischen 30 und 40 Jahren relevant sind, und zeigt, welche Entwicklungsschritte in diesem Alter oft notwendig sind, um den Stürmen des Alltags zu trotzen.

Das Tolle ist, dass bei diesem Buch nicht etwa die Liebesbeziehungen im Mittelpunkt stehen, sondern Freundschaften. Denn während Romanzen und Ehen scheitern können, bleiben Freundschaften eben oft über viele Jahrzehnte bestehen. Und was gibt es Schöneres, als Menschen an seiner Seite zu haben, die einen schon lange kennen. Das macht dieser Roman wieder deutlich.

„Was wir sind“ regt auf unaufgeregte Weise zum Nachdenken an und bietet viele Identifikationsflächen. Mir hat das Buch deshalb sehr gut gefallen.

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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