21. Mai 2024

Buchkritik: “Zu viele Männer” von Lily Brett

"Zu viele Männer" von Lily Brett

“Zu viele Männer” von Lily Brett kommt als “Treasure” mit Lena Dunham ins Kino

Es war an einem Sommertag auf dem Balkon, als ich die Regisseurin Julia von Heinz („Ich bin dann mal weg“, „Und morgen die ganze Welt“) im „Alles gesagt“-Podcast darüber sprechen hörte, dass sie das Buch „Zu viele Männer“ von Lily Brett verfilmt – mit Lena Dunham. 

Lily Brett und Lena Dunham. „Ahhh, was für eine Kombi“, schoss es mir damals in den Kopf. Denn: Ich liebe das Buch „Lola Benksy“ von der jüdischen Autorin. Von „Zu viele Männer“ hatte ich dagegen noch nichts gehört, bestellte es mir deshalb schnell in der Buchhandlung. 

In den 2010er-Jahren bekam ich außerdem von der HBO-Serie „Girls“ nicht genug. Lena Dunham hatte die Story kreiert und stand auch vor der Kamera. Ich fand sie damals großartig.

„Treasure“ heißt nun der Kinofilm von Julia von Heinz, der das Buch und Lena Dunham zusammenbringt. Es ist deshalb Zeit, endlich mal über „Zu viele Männer“ zu schreiben, das ich bereits vor mehr als einem Jahr gelesen habe. 

Antisemitismus in Polen

In „Zu viele Männer“ geht es keineswegs um eine Person, die ein leidenschaftliches Liebesleben pflegt. Nein, es geht um zu viele antisemitische Menschen – speziell in Polen. Denn dorthin reist die Protagonistin Ruth Rowax (Lena Dunham) mit ihrem Vater Edek (Stephen Fry).

Ihr Roadtrip ist kein erholsamer Urlaub, sondern eine Reise in die Vergangenheit und auch eine Art Spurensuche. Denn: Edek und seine inzwischen verstorbene Frau stammen aus Polen. Beide haben Auschwitz als einzige in ihrer Familie überlebt und sind nach der Befreiung des Konzentrationslagers nach Australien geflohen.

Sprachlosigkeit in der Familie

Die Kindheit von Ruth war geprägt von sprachlosen und sehr traumatisierten Eltern. Über den Holocaust wurde kaum gesprochen. Nun ist sie Anfang 40, lebt in New York, leitet dort erfolgreich ein Korrespondenzbüro, in dem sie Briefe der unterschiedlichsten Art für ihre Kunden verfasst, ist Single und neigt zu zahlreichen neurotischen Eigenschaften (Fitnesssucht ist nur eine davon). 

Durch die Reise will Ruth ihre Familiengeschichte besser verstehen und ihrem Vater näher kommen, der als Witwer nach wie vor in Australien lebt. Drei Stopps haben sich Vater und Tochter für ihre Reise vorgenommen: Warschau – Lodz – Auschwitz/Birkenau. 

Es wird eine sehr turbulente und emotionale Reise, auf der Ruth nicht nur der Geist des Auschwitz-Kommandanten Heinrich Höß erscheint, sondern auch viele antisemitische Menschen aus Polen auftauchen. Im ehemaligen Haus ihres Vaters wohnt beispielsweise ein raffgieriges Ehepaar, das das edle Porzellan der damals vertriebenen jüdischen Familie weiterbenutzt – und es Ruth nun für viel Geld verkaufen will.

Die Judenfeindlichkeit in Polen hat mich beim Lesen am meisten irritiert. Übertreibt Lily Brett oder ist das wirklich so? Ich wollte mehr dazu wissen und fand im Internet ein Dokument der Bundeszentrale für politische Bildung, das die Ursachen dafür aufzeigt. 

Unterhaltsam und informativ

Lily Brett gelingt es in ihrem Buch, eine unterhaltsame Vater-Tochter-Beziehung mit vielen interessanten Fakten über das Leben jüdischer Menschen rund um den Zweiten Weltkrieg zu verbinden.

Außerdem bekommen Lesende einen guten Einblick, wie schwer das Leben für die Überlebenden war und welche Auswirkungen es auf ihre Kinder hatte, für die Ruth mit all ihren Neurosen exemplarisch steht.

„Zu viele Männer“ ist aber kein Buch, das mich deprimiert hat oder sehr dramatisch geschrieben ist. Vielmehr blitzen immer wieder Humor und Sarkasmus durch. Vor allem die Beziehung zwischen dem sehr pragmatischen Edek und der überdrehten Ruth ist oft witzig.

Die Geschichte ist nah dran an der Biografie der Autorin. Auch ihre Eltern waren in Auschwitz und flohen nach Australien. Mit ihrem Vater reiste Lily Brett dann ebenfalls durch Polen – viele tatsächliche Erlebnisse hat sie wohl in dem Buch verarbeitet.

Gespannt auf den Kinofilm “Treasure”

„Zu viele Männer“ hat meinen Horizont definitiv erweitert. Deshalb freue ich mich sehr auf die Verfilmung und bin gespannt, ob Julia von Heinz die tragikomische Mischung gut auf die Leinwand bringt. Der Film kommt am 5. September in die deutschen Kinos. Der Trailer sieht schon mal sehr gelungen aus.

(Visited 525 time, 1 visit today)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

Newsletter abonnieren
Etwas verloren?
Vergangenes
Facebook
Instagram
Instagram@miriam_steinbach