Buchkritik: “Die Herrlichkeit des Lebens” von Michael Kumpfmüller
“Die Herrlichkeit des Lebens” von Michael Kumpfmüller: über die letzte Liebe von Franz Kafka
An der Ostsee begegnen sie sich zum ersten Mal. Sofort sind sie da, die zarten Bande zwischen Dora Diamant und Franz Kafka, zwischen der jungen, unbeschwerten Köchin und dem todkranken, melancholischen Arzt. Auf langen Spaziergängen kommen sie sich näher, schnell wird klar: Sie wollen sich nicht mehr verlieren, zusammenbleiben, auch wenn die Umstände nicht gut sind.
Der Roman „Die Herrlichkeit des Lebens“ von Michael Kumpfmüller erzählt von Franz Kafkas letzter großer Liebe – von der ersten Begegnung bis zum Tod. Es ist ein sehr ruhiger, unaufgeregter und zutiefst trauriger, aber auch sehr schöner Roman.
Nun ist auch der Film zum Buch erschienen.
Liebe zu Dora Diamant
Wie war der Mensch Franz Kafka? Was in dem Buch wirklich wahr und was Fiktion ist, ist nicht ganz klar. Michael Kumpfmüller erklärt im Nachwort, dass die Gestapo 1935 alle Briefe von Dora Diamant und Franz Kafka beschlagnahmte. So bleiben nur Vermutungen, was darin gestanden haben könnte. Bei seinen Recherchen wurde der Autor jedoch von zahlreichen Literaturwissenschaftlern und Historikern unterstützt.
Das Ergebnis: eine Skizze der Liebesgeschichte von Dora und Franz Anfang der 1920er Jahre – zwischen Ostsee, Prag, Berlin und Wien. Die Erzählung ist keineswegs oberflächlich, sondern berührt und lässt mich immer wieder mit dem Paar mitfühlen.
Liebe gegen alle Widrigkeiten
Franz Kafka leidet bei seinem Aufenthalt an der Ostsee bereits an Tuberkulose in einem fortgeschrittenen Stadium. Er ist zu diesem Zeitpunkt Anfang 40, hat oft Temperatur und schreibt nur noch unregelmäßig, seine Eltern müssen ihm seinen Lebensunterhalt finanzieren. Trotzdem möchte er nach der Begegnung mit Dora am Ostsee-Strand unbedingt zu ihr nach Berlin ziehen. Verzaubert ist er von ihrem Anmut. Er setzt sich durch und wohnt das erste Mal mit einer Frau zusammen.
Das gemeinsame Leben ist eine Herausforderung: In Zeiten der großen Inflation und Wirtschaftskrise haben sie nur beengte Verhältnisse in Steglitz und müssen sich, unverheiratet, immer wieder den skeptischen Blicken von Vermieterinnen oder Nachbarn stellen. Ihre Liebe zueinander lässt sie aber alles durchstehen, kämpfen und jeden so kleinen schönen Augenblick genießen. Die Zeit ist knapp, Franz’ Zustand verschlechtert sich zunehmend.
Auf das Ende des Lebens zu – und trotzdem sehr schön
Das Buch ist unterteilt in drei Kapitel: kommen – bleiben – gehen. Da alles auf den Tod von Franz Kafka hinausläuft, entwickelt sich von Seite zu Seite mehr Melancholie, an manchen Tagen hatte ich deshalb schlichtweg keine Lust, mich mit soviel Schwere auseinanderzusetzen – ich begann parallel mit einem zweiten Buch.
Gleichwohl: Ich rang zu keiner Zeit mit dem Gedanken, den Roman komplett zur Seite zu legen. Denn die Geschichte von Dora und Franz zeigt auch, wie wunderschön die Liebe sein kann und wie wertvoll es ist, einen Menschen an seiner Seite zu haben, der bedingungslos in der Not da ist. Ein lesenswertes Buch.
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