5. Mai 2021

Schmöker: “Lola Bensky” von Lily Brett

Lola Bensky I Lily Brett

“Lola Bensky” von Lily Brett: Stars im Interview

Es sind nicht die besten Rahmenbedingungen, um ein Interview mit Jimi Hendrix zu führen: Lola sitzt auf einem unbequemen Barhocker und hat sich ein Papiertaschentuch zwischen ihre Strumpfhose geklemmt. Die Nylonfäden sollen so nicht an ihren dicken Oberschenkeln reiben.

Doch das Taschentuch zerfällt und das Fleisch quillt durch die Maschen. Lola hat Glück: Jimi Hendrix meint es gut mit ihr, erzählt von seiner Kindheit, seiner Einstellung zu Gott und macht ihr am Ende sogar Avancen.

Mit “Lola Bensky” hat Autorin Lily Brett eine sehr illustre, aber auch vielschichtige Protagonistin geschaffen: Ihre Geschichte beginnt in den 1960ern. Sie ist 19 Jahre alt und Nachwuchsreporterin für ein australisches Musikmagazin.

Für dieses interviewt sie Mick Jagger, Janis Joplin, Mama Cass und Jim Morrison. Cher leiht sie falsche Wimpern – die sie nie mehr bekommt. Es ist ein aufregendes Leben. Die Stars gewähren Lola ein Einblick in ihr Leben, ihre Ängste, Probleme.

Grausige Vergangenheit

Es könnte alles perfekt sein, wäre da nicht die Vergangenheit von Lolas Eltern. Renia und Edek Bensky sind jüdisch und haben das Konzentrationlager nur mit viel Glück überlebt – im Gegensatz zu vielen Verwandten, die auf grausame Art starben. Nach dem Krieg landeten Renia und Edek in einem Lager für “Displaced Persons” und wanderten schließlich nach Australien aus.

Die schrecklichen Erfahrungen sitzen tief. Renia ist oft sprachlos und hat ein großes Problem mit Lolas Übergewicht. Schließlich waren im Vernichtungslager doch nur die Täter dick. Lolas Figur-Problem zieht sich durch das ganze Buch, über vier Jahrzehnte hinweg.

Glitzer vs. Komplexe

Es sind die Kontraste, die den Roman prägen: Renias und Edeks traumatische Vergangenheit und Lolas glitzernde Arbeitswelt. Oder auch die verrückte Welt der Stars gegenüber Lolas Leben mit ihren alltäglichen Sorgen.

Was ist wahr, was Fiktion?

Das Besondere an “Lola Bensky” ist, dass der Roman viele Ähnlichkeiten mit Lily Bretts Leben aufweist. Auch ihre Eltern waren im Vernichtungslager. Sie selbst arbeitete mit 19 Jahren für ein australisches Rockmagazin, interviewte Stars und schrieb einen Roman. Lola sieht die Welt mit Lily Bretts Augen. Was aber letztlich tatsächlich wahr und was Fiktion ist, bleibt offen.

Ausflüge in die Musikwelt der 1960er

“Lola Bensky” zu lesen, ist ein herrlicher Zeitvertreib. Die Sprache von Lily Brett ist sehr angenehm, die Ausflüge in die Musikwelt der 1960er sind spannend.  Es ist ein außergewöhnliches Buch, das ich bedingungslos weiterempfehlen kann.

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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