Heimat: “Ausstellung von Hanna Heidt bei ,Die Anstoß'”
„Ok, tschüss“: Hanna Heidt zeigt ihre Kunst bei „Die Anstoß“
Was macht sie da? Der Kopf der Frau steckt bereits in der Waschmaschine. Auch ihr rechtes Bein ist in dem Gerät verschwunden. Nur: Ihr Körpervolumen lässt Zweifel aufkommen, ob sie es tatsächlich schafft, sich vollständig reinzuquetschen.
Doch unabhängig davon, ob ihr Versuch gelingt oder scheitert: Was hat die Frau überhaupt dazu veranlasst, in die Waschmaschine zu klettern? Was wartet dort auf sie? Ist es eine Flucht aus dem Alltag?
Bilder entstanden im Corona-Jahr 2020
„Die Waschmaschine“ ist eine von neun größeren Arbeiten, die Künstlerin Hanna Heidt noch bis Samstag, 23. Januar, im Schaufenster von „Die Anstoß“ zeigt. Ihre Motive: Einzelpersonen, oftmals mit verschlungenen Körpern, tieftraurigen Blicken. Alle Bilder sind im Jahr 2020 entstanden und beschäftigen sich mit der immer stärker werdenden Individualisierung in unserer Gesellschaft.
„Die Corona-Pandemie hat diese Tendenzen weiter beschleunigt“, sagt Hanna Heidt. Viele Menschen tauschen sich nur noch wenig mit anderen aus. „Jeder macht sein Ding“, hat die 33-Jährige beobachtet. Welche Emotionen löst das aus? Damit beschäftigt sich die Künstlerin in ihren Werken, die Titel tragen wie „Selbstliebe“, „Fußbad“ oder „Büro“. Die bunten Farben und comichaften Elemente stehen diametral zu den oft verloren wirkenden Motiven.
Hanna Heidts erste Ausstellung in Karlsruhe
„Ok, tschüss“ lautet der Titel dieser Ausstellung, die im Schaufenster des interdisziplinären Vereins zu betrachten ist. Der Titel ist eine Anspielung darauf, dass es Hanna Heidts erste und vorerst letzte Ausstellung in Karlsruhe sein wird.
Ende Januar zieht die Studentin der Kunstakademie Karlsruhe nach Wien, wo im Februar ihr Erasmus-Semester beginnt. Danach möchte sie die Hochschule wechseln und in der österreichischen Hauptstadt weiter studieren.
Bevor sich Hanna Heidt 2017 an der Kunstakademie Karlsruhe einschrieb, hatte sie schon vier Jahre lang als Dolmetscherin für Gebärdensprache gearbeitet. „Studiert hatte ich dafür in Zwickau“, erzählt sie mir. Danach bewarb sie sich für den einzigen Job, der damals bundesweit als Festanstellung ausgeschrieben war, beim Stadt- und Kreisverband der Gehörgeschädigten Karlsruhe. Es klappte.
Hanna Heidt zog in die Fächerstadt und wohnte dadurch nur wenige Kilometer von der Kleinstadt entfernt, in der sie aufgewachsen ist.
Geistige Auseinandersetzung mit der Gesellschaft
Die Idee, Kunst zu studieren, kam langsam auf, verstärkte sich immer mehr. „Ich wollte mich geistig mehr mit unserer Gesellschaft, der Politik, aber auch mit mir selbst auseinandersetzen“, begründet die 33-Jährige. Das Zeichnen und Malen begleitete sie bereits seit vielen Jahren.
In den ersten beiden Jahren ihres Kunststudiums arbeitete sie weiter 30 Stunden in der Woche als Dolmetscherin. „Ansonsten verbrachte ich viel Zeit alleine in meinem Atelier an der Kunstakademie“, erinnerte sich die 33-Jährige. Während des Arbeitens konfrontierte sie sich selbst mit vielen Fragen des Kunstschaffens. Hatte Zweifel daran. Warum mache ich das überhaupt? Hanna dachte oft darüber nach.
„Diese Phase war sehr wichtig“, betont die Künstlerin. Seit 2019 arbeitet sie aber nicht mehr als Dolmetscherin, konzentriert sich nun komplett auf die Kunst und ist verstärkt im Austausch mit anderen Kreativen. „Das hilft mir bei der Weiterentwicklung.“
Außerdem stellte sie fest, wie wichtig ein Netzwerk ist, um in der Kunstszene in Karlsruhe Fuß zu fassen. „Nur so ist es möglich, auch bei Ausstellungen vertreten zu sein oder eine eigene konzipieren zu können.“
Ursprünglich war eine interaktive Ausstellung geplant
Das Konzept für „Ok, tschüss“ war zunächst weitaus umfangreicher als eine Schaufenster-Ausstellung. „Ich plante eine interaktive Ausstellung mit Tauschhandel“, sagt Hanna Heidt.
Ihre ursprüngliche Idee: Besucher können selbst ein kreatives Werk mitbringen und es gegen ein dort vorhandenes tauschen. Dadurch hätte sich das Angebot ständig verändert.
Das Schaufenster war nun die einzige coronakonforme Möglichkeit für Hanna Heidt, ihre Werke noch vor dem Umzug nach Wien bei „Die Anstoß“ zu zeigen. Eine blaue Latz-Arbeitshose und eine Maske hat sie an die Eingangstür gehängt. „Ich zeige dadurch, dass Kunst nichts Abgedrehtes ist, sondern ein bodenständiges Handwerk“, erklärt sie.
Mit ihren Bildern möchte Hanna Heidt Sprachlosigkeit brechen, den Betrachtenden einen Impuls geben, sich durch die Motive zu reflektieren. Mit einer Frau beispielsweise, die im Home Office neben ihrem zerbrochenen Stuhl sitzt, die High Heels nutzlos neben sich stehend. Oder der voluminösen Dame, die scheinbar vom Alltag davon läuft und in die Waschmaschine steigt. Was sich wohl darin verbirgt? Eine Welt voller Seifenblasen?
Adresse: Die Anstoß, Fritz-Erler-Str. 7, 76133 Karlsruhe.
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