7. August 2022

Flimmerkasten-Kritik: ZDFneo-Serie “Fett und Fett”

Großartige deutsche Serie: „Fett und Fett“ in der ZDF-Mediathek

Es gibt nur wenige deutsche Serien über das Lebensgefühl von Millennials, die nicht aufgesetzt wirken, sondern mich ehrlich bewegen und bei denen ich vor dem Fernseher sitze und denke: Ja, genau so ist es. Jajaja. Danke für diese tolle Unterhaltung.

Die zweite Staffel der ZDFneo-Serie „Fett und Fett“ ist solch eine Rarität. Es passt alles perfekt zusammen. Die Geschichten, die Schauspieler*innen, die Musik. Vor allem die dritte Folge der zweiten Staffel ist grandios. Da stimmt jedes Detail. Gänsehaut deluxe.

Um was geht es bei „Fett und Fett“?

Im Mittelpunkt der Serie stehen Jaksch und seine Freund*innen, die in München leben. Jaksch wird zu Beginn der ersten Staffel 30 Jahre alt, hat enorme Entscheidungsprobleme und bekommt nichts so richtig auf die Reihe. Zu einem Bewerbungsgespräch am Theater erscheint er verkatert. Mit der großen Liebe holpert es auch, obwohl er sich so sehr danach sehnt.

Jaksch ist lost – wie so viele andere Menschen seiner Generation auch. Bei seinen nächtlichen Streifzügen durch die bayerische Hauptstadt erlebt er aber immer wieder aufs Neue Kurioses. Langweilig wird das tägliche Scheitern dadurch nicht.

Ursprung ist die gleichnamige Webserie

Gespielt wird Jaksch von Jakob Schreier, der mit Chiara Grabmeyr auch hinter der Serie steht. Sie studierten an der Hochschule für Fernsehen und Film München und entwickelten „Fett und Fett“ 2015 als Webserie. Sie hatte im Netz soviel Erfolg, dass das ZDF einstieg.

2020 erschienen die ersten sechs Folgen auf ZDFneo. Eine Nominierung für den Grimme-Preis folgte. Nun sind weitere sechs Folgen in der ZDF-Mediathek abrufbar, die noch besser sind und eine deutliche Weiterentwicklung im Storytelling zeigen. Polyamorie, Sex-Partys und Work-Life-Balance: „Fett und Fett“ greift in der zweiten Staffel all die Themen auf, die viele Menschen um die 30 bewegen.

„Fett und Fett“: Staffel 2 mit vielen tollen Geschichten

Jaksch hat zu Beginn der zweiten Staffel am Theater endlich einen festen Job als Regie-Assistent und ist mit der verheirateten Amara (Samira El Quassil) zusammen. Als Jaksch ihren Ehemann kennenlernen soll, wird ihm das aber alles zu viel. Liebe zu dritt, will er das wirklich? Vor allem soll er nun sein eigenes Theaterstück schreiben und es auf der Bühne zeigen. All das parallel zu vereinbaren, schafft er nicht.

Wie bereits in der ersten Staffel erzählt jede Folge eine in sich geschlossene Geschichte. In den meisten Folgen steht Jaksch im Vordergrund. Richtig stark ist beispielsweise die Folge, in der er zu seiner Familie in die Provinz fährt, weil sein Onkel gestorben ist. Wie groß seine Ambivalenz ist, von der hippen Theaterwelt wieder ins Dorf zu kommen, ist perfekt dargestellt.

Zu Beginn ist Jaksch verschlossen, wortkarg und distanziert, je länger er aber in seiner Heimat ist, desto mehr öffnet er sich. Die Zerrissenheit ist so authentisch dargestellt, dass ich völlig begeistert vor dem Fernseher saß. Allein wie Jaksch mehrmals in den Bus nach München ein- und dann wieder aussteigt, ist großartig.

Grenzen zwischen Fiktion und Realität sind wohl fließend

„Fett und Fett“ lebt vor allem davon, dass die Dialoge und Schauspieler*innen so echt wirken. Als gäbe es keine vorgeschriebenen Sprechrollen, sondern redeten die Personen wie im realen Leben miteinander. Tatsächlich haben viele der Protagonist*innen auch ihre eigenen Namen in der Serie behalten. Was ist Fiktion, was Realität? Die Grenzen sollen wohl fließend sein.

Am meisten hat mich die dritte Folge mit Bulli (Bulgan Molor-Erdene) bewegt. Seine Freundin hat ihn verlassen, weswegen er ziemlich in den Seilen hängt. Auch beruflich weiß er nach dem Studium nicht wohin und verdient sich sein Geld in einer Bar, außerdem legt er auf und repariert alte Fahrräder.

Um sich vom Liebeskummer abzulenken, geht er nachts zu einem Rave und verdrängt, dass er am nächsten Tag nicht nur seinen Vater zum Flughafen fahren muss, sondern abends bei einer Theaterpremiere auflegen soll. Bulli manövriert sich dadurch immer tiefer ins Chaos. Als er beim Abspann in der Bar zu „Party Girl“ von Michelle Gurevich tanzt, war ich richtig ergriffen. Authentischer geht es einfach nicht mehr.

Mein Fazit lautet deshalb: Bitte mehr davon, bitte noch eine dritte Staffel von „Fett und Fett“. Das ist richtig gutes deutsches Fernsehen.

“Fett und Fett” ist in der ZDF-Mediathek abrufbar.

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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