26. Februar 2023

Serienkritik: „Das Gesetz nach Lidia Poët“

Netflix-Serie: „Das Gesetz nach Lidia Poët“ – was für eine tolle Frau!

Ein feministischer Krimi – das klingt zunächst staubtrocken, ist bei der Netflix-Krimiserie „Das Gesetz nach Lidia Poët“ aber sehr unterhaltsam umgesetzt. Anstrengende Dialoge oder Botschaften mit dem erhobenen Zeigefinger? Fehlanzeige. Die sechs kurzweiligen Folgen um die kluge und mutige Juristin Lidia (Matilda De Angelis) zeigen auf eingängige Weise, wie schwer es Frauen im konservativen Italien Ende des 19. Jahrhunderts hatten, beruflich erfolgreich zu sein.

Das Tolle an der Serie ist, dass es Lidia Poët tatsächlich gegeben hat. Sie wurde 1855 geboren und war die erste Anwältin in Italien, die aber hart dafür kämpfen musste, als Frau ihren Beruf überhaupt ausüben zu dürfen. Sie lehnte sich gegen gesellschaftliche Konventionen auf und stand deshalb immer wieder vor großen Herausforderungen. Für die italienische Frauenbewegung ist sie bis heute von großer Bedeutung.

Worum geht es in „Das Gesetz nach Lidia Poët“?

Schauplatz von „Das Gesetz nach Lidia Poët“ ist Turin. Die Kulisse und die Kostüme sind der damaligen Zeit angepasst – aber natürlich so aufpoliert, dass sie auch für eine Netflix-Serie ästhetisch ansprechend sind. Da es Ende des 19. Jahrhunderts noch keine Elektrizität gab, sind vor allem die Abend- und Nachtszenen sehr dunkel gehalten.

Gleich zu Beginn der Handlung entzieht das Turiner Gericht Lidia aufgrund ihres Geschlechts ihre Zulassung als Anwältin. Sie hat nun Berufsverbot, kann ihre Miete nicht mehr bezahlen und zieht deshalb zu ihrem wohlhabenden älteren Bruder Enrico (Pier Luigi Pasino), der mit seiner Frau und seiner 17-jährigen Tochter Marianna in einem prächtigen Herrenhaus lebt.

Enrico ist selbst Anwalt und nach anfänglichem Zögern erlaubt er es Lidia, dass sie als seine Assistentin weiterhin Kriminalfällen bearbeiten kann. Außerdem legt er für sie Berufung ein, damit sie selbst wieder Mandat*innen vor Gericht vertreten darf. Wird er damit Erfolg haben?

Viele historische Ereignisse fließen ein

Prostitution und Opium gehörten damals zum Alltag in Turin. Diese Aspekte greift die Serie auf. Auch die anarchistische Bewegung spielt in der ersten Staffel eine große Rolle – all diese Ereignisse sind historisch belegt. Fiktional sind dagegen die einzelnen Kriminalfälle, mit denen die junge Frau immer wieder zu tun hat. Auch ihre Romanzen mit dem Händler Andrea (Dario Alta) und dem Journalisten Jacopo (Eduardo Scarpetta) entspringen der Fantasie der Drehbuchautoren.

Serie überzeugt mit ihren Figuren

Mich hat die Serie vor allem wegen der tollen Charaktere überzeugt. Lidia ist eine Figur, die ich als Frau inspirierend finde. Sie bricht mit ihrer Familie, weil sie nicht früh heiraten möchte, studiert und bleibt sich selbst treu. Auch definiert sie sich nicht über einen Mann. Was aber nicht heißt, dass sie gefühllos oder hart wäre. Immer wieder zeigt sie eine menschliche und emotionale Seite.

Toll finde ich auch, dass selbst kleine Aspekte der Emanzipation in der Serie Platz finden. So kauft sich Lidia beispielsweise ein Fahrrad, um sich selbstständig fortbewegen zu können. Das war damals für eine Frau nicht selbstverständlich. Ihre ersten wackeligen Versuche auf dem Rad sind wunderbar komisch anzuschauen.

Kriminalfälle sind nur begrenzt spannend

Nicht ganz so stark sind dagegen die einzelnen Kriminalfälle, die meistens innerhalb einer Folge aufgelöst werden. Sie sind weder besonders raffiniert noch überraschend. Ich musste eher an „Mord mit Aussicht“ als an „Sherlock Holmes“ denken. Gestört hat es mich aber nicht, da die Figur der Lidia Poët so facettenreich und spannend ist, dass sie diese Schwäche problemlos ausgleicht.

Wird es eine zweite Staffel geben?

Nach nur sechs Folgen endet „Das Gesetz nach Lidia Poët“ mit einer Szene, die nach einer zweiten Staffel schreit. Es wäre wirklich schade, wenn es kein Wiedersehen mit dieser großartigen Frau gäbe.

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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