1. Mai 2023

Serienkritik: “Doppelhaushälfte”

ZDFneo-Serie “Doppelhaushälfte” Staffel 1+2: heiter bis wolkig

Bei ZDFneo-Serien kann ich selten vorhersagen, ob ich mich nach fünf Minuten fremdschäme und umschalte oder ob ich denke: Ja, super, endlich mal eine deutsche Produktion, die unterhaltsam, modern und gut gemacht ist. Bei „Fett und Fett“ war ich beispielsweise begeistert, bei „I don’t work here“ überhaupt nicht. 

Gerne schaute ich auch die erste Staffel der ZDFneo-Serie „Doppelhaushälfte“, die im März 2022 während der Corona-Pandemie ausgestrahlt wurde. Obwohl gleich in der ersten Folge derber Fäkalhumor vorkommt, blieb ich dran. Warum? Es ist die Mischung aus tollen Schauspielenden und aktuellen gesellschaftlichen Themen wie Rassismus, Diversität oder Feminismus, die mit Leichtigkeit und Differentziertheit in der Serie ihren Platz finden. 

Von den ersten acht Folgen fand ich die meisten gut – auch wenn wie in der ersten Episode nicht jeder Witz zündete und noch Luft nach oben war. Vor allem die Cannabis-Folge musste ich abbrechen, weil ich sie zu schräg fand. Trotzdem war mein Gesamtgefühl angenehm. 

Nun ist die zweite Staffel von „Doppelhaushälfte“ erschienen. Gespannt schaltete ich wieder ein – und bin nun sehr geteilter Meinung. Während die ersten fünf Folgen wieder unterhaltsam sind, konnte ich die letzten drei Folgen nicht ohne Vorspulen anschauen. Zu experimentell und abgedreht waren sie mir. Was war da nur los?

Um was geht es in Doppelhaushälfte?

Im Mittelpunkt der Serie stehen zwei sehr unterschiedliche Familien, die sich in einem Dorf im Speckgürtel Berlins eine Doppelhaushälfte teilen. Das sind: 

  • die Knuppes: Der pragmatische urdeutsche Andi (Milan Peschel) und seine vietnamesischstämmige Frau Tracy (Minh-Kai Phan-Thi) leben schon lange mit ihrem Sohn Rocco (Minh Hoang Ha) in ihrem Haus. Sie sind eine typische Arbeiterfamilie, die abends gerne auf der Ledercouch vor dem Fernseher sitzt – Feierabendbier inklusive. Tracy betreibt einen Schönheitssalon im Ort und Andy ist Immobilienmakler, nachdem er zuvor Polizist war. Von den Identitätsdebatten in der Hauptstadt bekommen sie nichts mit. Stattdessen schmücken sie ihren Garten mit einer Deutschlandfahne und Tracy spricht im schönsten Berliner Dialekt.

  • Sawadi/Kröger: Mari Sawadi (Mariam Zaree) und Theo Kröger (Benito Bause) verkörpern mit Maris Tochter Zoe (Helena Yousefi) eine moderne, gut bürgerliche Patchworkfamilie. Theo hat Verfahren aus Ruanda, Mari ist iranischstämmig. Rassismus und Gleichberechtigung spielen in ihrer Beziehung eine große Rolle. Mari ist eine attraktive, toughe Geschäftsfrau, die in der Personalabteilung eines großen Unternehmens arbeitet. Theo ist eher der sanfte Typ und Musiklehrer. Sie ziehen nun in die andere Doppelhaushälfte, hängen Kunst an die Wände und platzieren dort Designermöbel, einen Fernseher gibt es bei ihnen nicht.

Die Unterschiede zwischen den beiden Familien könnten nicht größer sein. Aber nicht wegen der Migrationsgeschichte, sondern vielmehr wegen der unterschiedlichen Denkweisen der Großstädter*innen vs. der Dorfbewohner*innen. Vor allem zwischen Mari und Andi kracht es immer wieder. Doch dann entstehen überraschende Situationen, die keine Kategorisierung in gut oder böse zulassen und beide Gruppen auf die Schippe nehmen.

Auch das Verhältnis zwischen dem nerdigen Rocco und der coolen Zoe mag ich sehr. Rocco verbringt viel Zeit vor dem Computer, ist wortkarg und tut sich mit sozialen Kontakten schwer. Die hübsche Zoe hat es ihm schnell angetan. Doch nimmt sie ihn als potenziellen Freund überhaupt nicht wahr – sie datet die coolen Jungs. Rocco ist aber nicht zu unterschätzen – vor allem wenn es um technische Fähigkeiten geht, wie die Folge um ASMR zeigt. Minh Hoang Ha spielt seine Rolle außerdem großartig. Für mich gehört er definitiv zu den Höhepunkten der Serie.

Zweite Staffel mit zu vielen Experimenten

„Doppelhaushälfte“ lebt vor allem von ihren sehr nahbare Charakteren und den zeitgemäßen Themen. Daran knüpfen auch die ersten Folgen der zweiten Staffel an. Mari und Theo haben mittlerweile eine gemeinsame Tochter, Frida. Sie teilen sich den Erziehungsurlaub. Als Theo an der Reihe ist, Frida aber immer wieder quengelt, bekommt er Hilfe von Andi – die zwar nicht aus dem Lehrbuch kommt, aber sehr effektiv ist.

Die letzten drei Episoden haben mich aber enttäuscht. Eine davon spielt fast vollständig in einer virtuellen Welt. Mari, Tracey & Co. sind alle Avatare und werden zur Vernissage von Maris Bruder eingeladen, der in diesem Meta-Universum NFTs präsentiert. Das wäre als zehnminütige Abwechslung sehr witzig gewesen, aber als komplette Episode hat es mich doch sehr ermüdet.

Das gilt auch für die Doppelfolge über den Werwolf-Spieleabend. Theo hat für Freund*innen ein umfangreiches Rollenspiel vorbereitet, mit dem ich aber überhaupt nichts anfangen konnte. Vor allem, weil es ewig dauert. Wer einen Zugang zu solchen Spielen hat, wird sich vielleicht gut unterhalten fühlen, aber ich bin schon nach 15 Minuten ausgestiegen und habe mir die letzte Folge nur noch bruchstückhaft angeschaut – es war ein enttäuschender Ausstieg aus der zweiten Staffel.

Gibt es eine dritte Staffel von “Doppelhaushälfte”?

Grundsätzlich finde ich es toll, wenn Produzierende aktuelle Trends wie NFTs, virtuelle Welten und Rollenspiele in Serien aufgreifen – aber in diesem Fall ist der Bogen überspannt und zu spleenig. 

Eine dritte Staffel von “Doppelhaushälfte” fände ich toll. Aber dann wieder mit mehr zwischenmenschlichen Geschichten aus dem Alltag, die es doch genug gibt, wenn Großstädter*innen und Landbewohner*innen aufeinandertreffen.

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3 thoughts on “Serienkritik: “Doppelhaushälfte”

  1. Beatrix sagt:

    Ich habe die Folgen jetzt in der Mediathek geschaut und kann mich hier komplett anschließen!

  2. Harald sagt:

    Erste Staffel super, zweite Staffel sehr mäßig und die letzten beiden Folgen haben wir vorzeitig abgestellt.
    Viel zu abgedreht und hatten mit Der ursprünglichen nichts mehr zu tun

  3. Andrea Streeck sagt:

    Ich habe die erste Staffel sooo gefeiert !!! Von der 2. Staffel haben mir ebenfalls die letzten 3 Folgen nicht gefallen… Sorry… Geschichten aus dem Alltag fand ich auch viel amüsanter ! Macht die Story nicht so kompliziert und abgedreht! … dann gerne eine 3. Staffel!

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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