18. November 2022

Buchkritik: “Dicht” von Stefanie Sargnagel

Buchkritik: "Dicht" von Stefanie Sargnagel

“Dicht” von Stefanie Sargnagel: Unterhaltsam, aber ohne Tiefgang

Dass Stefanie Sargnagel eine bewegende Jugendzeit hatte, daran zweifelte ich auch schon vor ihrem Buch „Dicht – Aufzeichnungen einer Tagediebin“ keineswegs. Von Konformität und bürgerlichen Lebensformen ist die österreichische Schriftstellerin so weit entfernt, es wäre eine riesige Überraschung gewesen, hätte sich das nicht bereits früh in ihrem Leben abgezeichnet.

Seit Jahren verfolge ich Stefanie Sargnagel bereits über die sozialen Medien. Ihre bissigen Postings auf Facebook sind nicht nur unterhaltsam, sondern beschäftigen sich auch häufig mit politischen Themen und weisen auf Missstände in der Gesellschaft hin. Vor allem die Rechten in Österreich fühlen sich von ihr provoziert.

Während ihr Buch „Statusmeldungen“ ein Sammelsurium an kuriosen Facebook-Posts ist und unter anderem von ihren Erfahrungen in einem Call Center und von der Zeit handelt, als viele Geflüchtete nach Österreich und Deutschland kamen, hat die Autorin mit „Dicht“ einen Coming-of-Age-Roman geschrieben, in dessen Mittelpunkt sie selbst und ihre illustren Freund*innen aus Wien stehen.

Alltag in Bruchbuden und Beisln

Die Geschichten in „Dicht“ beschreiben den Alltag von Stefanie Sargnagel, als sie zwischen 15 und 20 Jahre alt war. Sie selbst stellt fest:

Da habe ich viele arge Sachen erlebt.

Tatsächlich ist das keineswegs übertrieben. Statt im Unterricht auf einem spießigen Sprachgymnasium aufzupassen und fleißig für die Matura zu lernen, hängen Stefanie Sargnagel und ihre Freundin Sarah mit illustren Typen ab, die jenseits der Norm leben. Die meisten von ihnen sind deutlich älter, haben psychische Probleme, nehmen Drogen und leben in den Tag hinein.

Vor allem in Michis Bruchbude in einem Gemeindebau verbringt Stefanie Sargnagel viel Zeit. Dort liegt ein Matratze auf dem Boden und unzählige Bierdosen stehen drumherum – viel mehr gibt es nicht. Der Wiener ist HIV-positiv und ein Kleinkrimineller, der sich seit Jahren durch das Leben wurstelt. Aber er hat auch großen Sprachwitz und ein Herz.

Ein Herz für Außenseiter

Michis Wohnung ist ein Treffpunkt für die unterschiedlichsten Menschen, die sich irgendwann von einem geregelten Alltag verabschiedet haben.

Die Gäste in Michis Wohnung vermehrten sich wie die Kaninchen. (…) Täglich wurden es mehr, und es wäre schwer möglich, auf alle einzeln einzugehen. Auf jeden Fall war es voll. Manche Besucher waren nicht ganz einfach unter Kontrolle zu bringen. Jemand, der stundenlang für Chaos sorgen konnte, war der „blonde Herbert“. Michi hatte ihn vor ein paar Jahren bei einem seiner Psychatrieurlaube kennengelernt, die beiden hatten sich sofort blendend verstanden.

Herbert hat einen doppelten Doktortitel, ist aber aufgrund seiner bipolaren Störung bereits seit Jahren nicht mehr arbeitsfähig. Durch solche Beschreibungen schafft es Stefanie Sargnagel all die Antihelden, die ihr begegnen, menschlich und nahbar zu machen – trotz ihrer oft anstrengenden Verrücktheit.

Stefanie Sargnagel ist in dieser Zeit häufig selbst dicht – wie der Titel des Buches schon erahnen lässt. Meistens greift sie zu Alkohol oder kifft. In die Schule lässt sie sich nur noch selten blicken – sehr zum Verdruss ihrer alleinerziehenden Mutter, die als Sozialarbeiterin für das gemeinsame Leben hart schuften muss. Aber letztlich findet Stefanie Sargnagel ihren Weg im Leben auch ohne Matura.

Sammelsurium an losen Geschichten

„Dicht“ setzt sich aus vielen losen Geschichten zusammen. Stefanie Sargnagel erzählt von ihren vielen Beisl-Besuchen und Parkaufenthalten in Wien, einem Schüleraustausch in Irland, Reisen nach Amsterdam und von ihren Versuchen, einen Nebenjob zu finden.

Ihre Sprache hat Witz, ist zugänglich und unterhaltsam. Außerdem schafft sie es, dass ihre skurrilen Figuren nie ins Lächerliche abrutschen oder ich beim Lesen den Respekt vor ihnen verlor. Vielmehr ermöglicht sie einen Einblick in das Leben all derjenigen, die keinen Platz mehr in der Mehrheitsgesellschaft finden – und Verständnis.

Bleibt alles an der Oberfläche

Aber: Durch die stets ironischen und humorvollen Beschreibungen haben mich die Geschichten nie richtig berührt. Vielmehr blieb ich an der Oberfläche des Geschehen haften. „Dicht“ ist für mich deshalb abwechslungsreiche und nette Unterhaltung, aber ohne besonderen Tiefgang.

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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