29. April 2024

Buchkritik: “Die Ladenhüterin” von Sayaka Murata

“Die Ladenhüterin” von Sakaya Murata

“Die Ladenhüterin” von Sayaka Murata: nur nicht auffallen!

Als ich vor wenigen Wochen in Tokyo zum ersten in einen Convenience Store (Konbini) trete, denke ich sofort an das Buch “Die Ladenhüterin” von Sayaka Murata. Die Geschichte um die Protagonistin Keiko Furukura spielt hauptsächlich in einem solchen Mini-Supermarkt, in dem es neben Reisbällchen auch Strumpfhosen und warme Snacks zum Mitnehmen gibt – Dumplings, Hotdogs und gebratene Fleischspieße (Yakitori) zum Beispiel. Typisch für einen Konbini ist: Er ist rund um die Uhr geöffnet.

Besonders als ich die Verkäuferin an der Kasse sehe, schweifen meine Gedanken zu Keiko ab. Ich frage mich, ob sie selbst genauso an ihrem Job hängt wie die seltsame Romanfigur, die im Konbini ihre Lebenserfüllung findet. 

Um was geht es in “Die Ladenhüterin”?

“Die Ladenhüterin” ist ein schmales, aber außergewöhnliches Buch. Es gibt einen guten Einblick in die japanische Gesellschaft. Anhand von Keiko zeigt die Autorin Sayaka Murata: In dem asiatischen Land ist Konformität wichtig. Wer aus der Reihe tanzt, fällt auf und macht seiner Familie Kummer. 

Keiko Furukura ist schon als Kind eine Außenseiterin. Ihre Familie ist irritiert von ihrem sonderbaren Verhalten, in der Schule wird sie gemobbt und auch an der Universität findet sie keine Freund*innen. Die junge Frau bekommt früh zu spüren, wie einsam ein Mensch in Japan ist, wenn er ungewöhnliche Gedanken äußert. 

Als Keiko eines Abends nach einer Uni-Party in einem Büroviertel zufällig sieht, dass Aushilfen für einen neuen Konbini gesucht werden, ist sie neugierig und bewirbt sich. Sie hat Glück: Der Filialleiter gibt ihr eine Chance. Schon bei der Einarbeitung spürt Keiko, dass sie im Konbini endlich Orientierung findet. 

“Als Erstes übten wir die Begrüßung und den dazu passenden Gesichtsausdruck. Laut Anweisung mussten wir die Mundwinkel zu einem Lächeln hochziehen und mit geradem Rücken in einer Reihe ,Herzlich willkommen’ rufen. Der Schulungsleiter prüfte nacheinander jeden einzelnen, auch wenn jemand zu leise oder zu verkrampft lächelte, hieß es sofort: “Noch einmal, bitte.” (…) In einem Hinterzimmer zeigte man uns ein Video, und es gelang mir problemlos, die dargestellten Videos zu imitieren. Zum ersten Mal wurde mir ein ,normaler Gesichtsausdruck’ und ,eine normale Art zu sprechen’ beigebracht. 

Quelle: “Die Ladenhüterin”

Endlich hat Keiko Halt im Leben gefunden

Schon am Eröffnungstag geht Keiko in ihrer Rolle als Verkäuferin voll auf. Die 27-Jährige fühlt sich wie neu geboren und als “normales Mitglied der Gesellschaft”. So will Keiko ihren Aushilfsjob gar nicht mehr aufgeben. Während ihre Kolleg*innen kommen und gehen, bleibt sie – 19 Jahre lang, trotz Universitätsabschluss. 

Dass Keiko am Konbini festhält und sich keine qualifiziertere Arbeit sucht, stößt in ihrem Umfeld allerdings auf Unverständnis. Schließlich verdient sie als Verkäuferin nur wenig und kommt beruflich nicht voran. 

Ein Mann sorgt für Ärger

Doch damit nicht genug: Für ihre Familie ist es ein Problem, dass sie keinen Mann hat. Keiko leidet so sehr darunter, den Erwartungen nicht gerecht zu werden, dass sie eines Tages einen merkwürdigen Ex-Kollegen aus dem Konbini bei sich einziehen lässt: Herrn Shiraha. 

Doch damit tut sich Keiko keinen Gefallen. Herr Shiraha lebt wie in der Steinzeit. Er zahlt keine Miete, lässt sich von Keiko bekochen und behandelt sie von oben herab. Keiko wehrt sich nicht, so groß ist der Druck auf sie. Denn: Ihre Familie ist so erleichtert, dass sie endlich einen Mann hat, dass sie sie nicht wieder enttäuschen will. 

Doch als Herr Shiraha plötzlich auch noch verlangt, dass sie im Konbini aufhört, geht er einen Schritt zu weit. 

Eingängige und bildhafte Sprache

Es ist ein sehr kurzweiliges Vergnügen, “Die Ladenhüterin” zu lesen. Ich brauchte nur zwei Tage dafür. Sayaka Murata schreibt sehr eingängig und bildhaft. Ich musste bei dieser sonderbaren Geschichte auch an das koreanische Buch “Die Vegetarierin” denken. In beiden Romanen kämpfen Frauen so sehr mit den Erwartungen der Gesellschaft, dass sie sich gedanklich eine neue Welt suchen. Die Vegetarierin glaubt, eine Pflanze zu sein, Keiko verliert sich im Konbini.

Wer sich für die gesellschaftlichen Strukturen in Japan interessiert und sich auch gerne mal auf eine außergewöhnliche Geschichte einlassen möchte, ist bei “Die Ladenhüterin” deshalb genau richtig. 

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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