30. Juli 2022

Buchkritik: “Wenn du mich heute wieder fragen würdest” von Mary Beth Kane

"Wenn du mich heute wieder fragen würdest" von Mary Beth Kane

“Wenn du mich heute wieder fragen würdest”: Hoffnung für schwere Tage

Wahrscheinlich wäre „Wenn du mich heute wieder fragen würdest“ an mir vorbei gerauscht, wenn nicht ausgerechnet von Meg Wolitzer ein Statement direkt auf der Vorderseite des pistaziengrünen Covers abgedruckt wäre: „Mitreißend und bewegend“ findet die amerikanische Autorin das Werk von ihrer Kollegin Mary Beth Kane.

Von Meg Wolitzer bin ich riesiger Fan, seit ich „Die Interessanten“ gelesen habe. Der Roman um sechs Freund*innen, die gemeinsam älter und auf die verschiedenste Weise vom Leben herausgefordert werden, hat mich zutiefst bewegt und gehört definitiv zu meinen All-time-Favorites.

Meg Wolitzers positves Urteil machte mich deshalb neugierig. Ist „Wenn du mich heute wieder fragen würdest“ tatsächlich so gut? Gespannt begann ich zu lesen.

Ein typischer Gesellschaftsroman aus den USA

Das Werk von Mary Beth Kane ist ein typischer amerikanischer Gesellschaftsroman, dessen Geschichte sich über vier Jahrzehnte zieht. Im Mittelpunkt stehen die beiden Polizisten Brian und Francis, die in den 1970er-Jahren für eine kurze Zeit zusammen Streife in der Bronx laufen.

Beide Männer kaufen sich wenig später in einer Kleinstadt vor den Toren New Yorks ein Haus, in Gilliam. Sie sind nun Nachbarn und bekommen in ähnlichen Zeiträumen Kinder. Doch der Kontakt ist spärlich, was vor allem an Brians Frau Anne liegt, die distanziert, unfreundlich und psychisch instabil ist.

Annes Verhalten gerät völlig aus den Fugen, als sich ihr Sohn Pete im Teenageralter in Francis Tochter Kate verliebt. Bei Anne brennen Sicherungen durch. Es passiert ein großes Unglück, das das Leben beider Familie komplett auf den Kopf stellt.

Keine Klischees, kein Kitsch

Liebe, Spannung, Überraschung: „Wenn du mich heute wieder fragen würdest“ vereint alles, was ein guter Unterhaltungsroman haben sollte. Mary Beth Kane schafft es, die Leben zweier fast schon gewöhnlicher Familien tiefgründig und interessant zu erzählen. Dabei gelingt es ihr, nie ins Gefühlsduselige abzudriften. Sie nimmt ihre Charakter ernst, gibt ihnen Entwicklungsspielraum und vermeidet Klischees.

Die verschiedenen Figuren erleben in den vier Jahrzehnten die unterschiedlichsten Tiefen. Dazu gehören Alkoholismus, Seitensprünge und psychische Erkrankungen. Das bringt an manchen Stellen eine Schwere mit sich. Jedoch verhaften die Protagonist*innen nicht in ausweglosen Situationen, sondern finden wieder den Weg zurück ins Leben – was viel Tröstliches hat und zeigt, dass es selbst in ausweglosen Situationen Hoffnung gibt. Es lohnt sich immer, für seine Familie und für Freundschaften zu kämpfen.

Viel Dynamik und Abwechslung

Mary Beth Kane erzählt die Geschichte in wunderbar eingänglicher und detailreicher Sprache. Es sind keine unnötigen Schnörkel vorhanden und keine verqueren bildhaften Vergleiche. Dadurch lässt sich das Buch federleicht lesen. Die Perspektiven der Figuren wechseln regelmäßig, was zusätzlich zu den Zeitsprüngen Dynamik bringt.

„Wenn du mich heute wieder fragen würdest“ habe ich deshalb innerhalb weniger Tage verschlungen und es am Ende sehr zufrieden zur Seite gelegt. An „Die Interessanten“ von Meg Wolitzer kommt es allerdings nicht heran, was aber auch verdammt schwer ist.

(Visited 698 time, 1 visit today)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

Newsletter abonnieren
Etwas verloren?
Vergangenes
Facebook
Instagram
Instagram@miriam_steinbach