9. Oktober 2023

Serienkritik: “Die Patchworkfamilie”

Netflix-Serie „Die Patchworkfamile“: ein äußerst sehenswertes Chaos!

Als sich Patrik (Erik Johansson) und Lisa (Vera Vitali) ineinander verlieben, ist das Chaos vorprogrammiert. Lisa ist noch in einer Beziehung mit Martin (Fredrik Hallgren), mit dem sie zwei Kinder hat. Auch Patrik hat bereits einen Sohn – von seiner Ex-Frau Katja (Petra Mede), mit der er sich fair das Sorgerecht teilt.

Gegen alle Widerstände kommen Patrik und Lisa zusammen und müssen sich fortan allen Herausforderungen stellen, die typisch für das Zusammenleben einer Patchworkfamilie sind – angefangen von Eifersüchteleien zwischen den Kindern, bis hin zu Absprachen der Besuchszeiten und finanziellen Regelungen.

Eher zufällig bin ich 2017 auf die schwedische Netflix-Serie „Die Patchworkfamilie“ (im Original: Bonusfamiljen) gestoßen. Ohne große Erwartung schaute ich die erste Folge, blieb aber sofort hängen. Der Grund: Die Serie überzeugt mit einer tollen Mischung aus interessanten Charakteren, authentischen Alltagsproblemen und einem wunderbaren skandinavischen Interieur- und Modestil.

Strukturiert vs. verplant

Sowohl die Erwachsenen als auch die Kinder sind grundverschiedenen. Während Patrik ein smarter, kultivierter Lehrer ist, hat es Martin verpasst, erwachsen zu werden. Er ist Verkäufer in einem Bettenladen, suhlt sich nun im Selbstmitleid und bekommt sein Leben allein nur schwer auf die Reihe.

Auch Lisa und Katja könnten kaum verschiedener sein. Katja arbeitet als Architektin in einem Büro und hat eine Affäre mit ihrem Chef angefangen. Sie ist kühl, ehrgeizig und lebt in einer minimalistischen Designer-Wohnung.

Lisa dagegen ist warmherzig, emotional und hat naive, mädchenhafte Charakterzüge an sich. Dass es zwischen den vier Erwachsenen häufig knirscht, ist kaum verwunderlich. Als Lisa bereits nach kurzer Zeit erneut schwanger wird, ist das Chaos komplett.

Aggressiv vs. sensibel

Auch die beiden Jungs Eddie (Frank Dorsin) und William (Jacob Lundqvist) finden nur schwer zusammen. Sie sind in der ersten Staffel etwa zehn Jahre alt und gehen auf die gleiche Schule. Während William zurückhaltend und klug ist, leidet Eddie an ADHS und hat seine aggressiven Gefühle nur schwer im Griff. Vor allem Patrik kämpft immer wieder damit, einen guten Umgang mit seinem Stiefsohn Eddie zu finden.

Lisas und Martins Tocher Bianca (Amanda Lindh) ist im Teenageralter und ebenfalls überfordert mit der gesamten Situation. Vor allem mit Lisa gerät sie immer wieder aneinander.

„Bonusfamilie“: deutsches Remake von der ARD

Die Idee zu „Die Patchworkfamilie“ stammt von dem schwedischen Regisseur Felix Herngren, der selbst in solch einer Familienkonstellation lebt. Gemeinsam mit seiner Frau und Schwester führt er auch Regie.

Vor wenigen Jahren versuchte die ARD einen deutschen Abklatsch der Serie und drehte die Handlung komplett detailgetreu nach. Ich hielt kaum eine Folge lang durch. An das Original kam das Remake bei Weitem nicht ran. Vor allem die Schauspieler*innen wirkten furchtbar hölzern.

Gleichberechtigung in der Familie

Inzwischen gibt es vier Staffeln der schwedischen Serie. Schwangerschaften, ein falscher Vater, Krebs, Down-Syndrom, ein Shitstorm auf Social Media und eine Affäre. In jeder Staffel gibt es verschiedene Schwerpunkte, mit denen sich die Protagonist*innen auseinandersetzen müssen.

Was ich an der skandinavischen Serie besonders gerne mag, ist die selbstverständliche Gleichberechtigung zwischen den Paaren. Die Männer kochen und bügeln genauso wie die Frauen. Auch sind die Frauen erfolgreich in ihrem Beruf. Die Care-Arbeiten fallen nicht automatisch an sie. Als Patrik in der vierten Staffel eine Auszeit nimmt, kann Lisa ohne weiter nachzudenken erstmal allein das Geld für die Familie verdienen.

Hilfe bei der Paartherapie

Ein tolles Zeichen setzt die Serie auch, indem Lisa und Patrik in allen Staffeln zu einer Paartherapie gehen und dort über ihre Probleme reden und Hilfe bekommen. Die Serie vermittelt dadurch: Es ist eine Stärke, zu einem Therapeuten zu gehen, wenn einem der Alltag über den Kopf wächst, keine Schwäche.

Verspätete vierte Staffel!

Zwischen der dritten und vierten Staffel liegen drei Jahre Zeit. Zwischenzeitlich hatte ich gar nicht mehr damit gerechnet, dass es noch eine weitere Staffel geben wird. Doch im Dezember war es dann so weit. Überrascht war ich, als ich die erste Folge sah. Eddie und William sind nun inzwischen 16 Jahre alt und haben alles kindliche verloren.

Da außerdem Petra Mede an Corona erkrankte, spielt nun Emma Peters die Katja-Figur. Es dauerte ein paar Folgen, bis ich mich daran gewöhnt hatte.

Wann kommt eine fünfte Staffel?

Für mich ist die vierte Staffel aber definitiv die stärkste. Vor allem die Probleme von Patrik fand ich unglaublich nah dran am Leben und deshalb auch sehr berührend. Da die vierte Staffel relativ offen endet, hoffe ich deshalb sehr, dass es bald noch eine fünfte Staffel geben wird. Das turbulente Leben dieser Patchworkfamilie ist für mich äußerst sehenswert.

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7 thoughts on “Serienkritik: “Die Patchworkfamilie”

  1. Beatrice Rabbeau sagt:

    Hallo,

    ich verstehe den „Sprung“ nicht zwischen der 2. und 3. Staffel. Warum wird Martin plötzlich Vater? Wo ist die „alte“ Freundin und wann hat sich die neue Beziehung angebahnt. Ich dachte zu Beginn, ich hätte eine Folge übersprungen..

    1. Miriam Steinbach sagt:

      Hallo, also ist schon ne Weile her, dass ich die zweite und dritte Staffel gesehen habe, aber Martin bekommt mit Sima einen Sohn. Also Sima ist ja die Sozialarbeiterin von der Schule, die sich um Eddie kümmert. Ich kann mich gerade nicht erinnern, dass Martín sonst noch eine feste Beziehung in der zweiten Staffel hat. Hoffe, das hilft dir ☺️

  2. Steffens & Golka sagt:

    Hallo

    Erst einmal vielen Dank für die mehr als detaillierten Hintergrund Infos !!!

    Alle sind begeistert von der Serie

    Der Soundtrack würde sehr gerne erworben werden zur Serie !

    Doch trotz unsere Recherche, ihnen ihn gefunden zu haben!!!

    Hätten Sie bitte einen Tip ob dieser verfügbar ist oder sein wird ??

    Vielen Patchwork Familie Steffens Golks sowie 4 Kinder !!! ❣️

  3. Billy sagt:

    Gibt es schon Infos wann die 5. Staffel kommt? Viele Grüße

  4. Silvia Kesring sagt:

    In welcher Episode wird bekannt das das Kind down Syndrom hat? Liebe Grüße Silvia

  5. Regina Bock 79 Jahre sagt:

    Die Serie – Die Patchworkfamilie – habe ich mit Begeisterung gesehen. Super Darsteller und gute Dialoge, eine wunderbar Geschichte. Ich gucke sonst mehr Krimis, aber hier konnte ich gar nicht aufhören die Folgen zu sehen. So eine sehenswerte Serie können nur die Skandinavier drehen. Die Auswahl der Darsteller ist einmalig gelungen, allein die Oma (Mutter von Martin) ist ein Juwel. Hoffentlich gibt es noch eine 5.Staffel.

  6. Hans sagt:

    Eine wirklich unterhaltsame und gut aufgebaute Serie, die der Realität an vielen Stellen ziemlich nahekommen dürfte. Die Anlage der beiden gegensätzlichen Jungs (William brav gescheitelt, artig, streb- und folgsam – Eddie grundzornig, unbeherrscht und wegen jeder Klitzekleinigkeit ausrastend) ist für mein Empfinden allerdings in den ersten beiden Staffeln stereotypisch überzogen. Die Serie lebt u. a. auch durch ihre hervorragenden Darsteller, allen voran Vera Vitali. Meine Lieblingsfigur: Martin, den Fredrik Hallgren als selbstmitleidigen und -gerechten Tollpatsch überzeugend spielt (und der deutsche Synchronsprecher super transprotiert!), Egal, wie oft und in welcher Situation Martin danebenliegt, man muss ihn einfach mögen… Für eine feine, erfreulicherweise alle Staffeln durchwehende Prise Humor sorgt das Psychotherapeutenpaar. Nach meinem Eindruck ist es nicht dessen Aufgabe, darauf hinzuweisen, wie hilfreich die Inanspruchnahme therapeutischer Unterstützung in schwierigen Lebenslagen sein kann. Ihren Berufsstand herrlich karrikierend zeigen die beiden für meine Begriffe eher die Grenzen “professionellen” Beistands auf.

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Hallo, ich bin Miriam

Stets bin ich auf der Reise: durch Karlsruhe, die Kultur und die Welt. Dabei begegnen mir immer wieder interessante Menschen, Bücher, Filme und anderer Krimskrams. Damit all diese Erfahrungen und Eindrücke nicht einsam in meinem Kopf schwirren, gibt es diesen Blog. Aus Grau wird Kunterbunt.

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